Schrobenhausen
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SZ-Schüler-Reporter Miran zu Besuch bei Agfa Gevaert

29.08.2014 | Stand 02.12.2020, 22:18 Uhr

Schrobenhausen (SZ) Agfa Gevaert – ein großer Name, das Werk an der Bürgermeister-Götz-Straße versteckt sich dezent hinter hohen Bäumen. Die Schrobenhausener Zeitung war dort jetzt zu Besuch – mit Schüler-Reporter Miran.

Miran kennt das Agfa-Werk nur vom Vorbeifahren, den meisten Schrobenhausenern wird das so gehen. Dabei ist der Betrieb eine Institution. Udo Weidner und Wolf von der Osten gründeten ihn 1947. Schrobenhausen ist heute mit 120 Mitarbeitern eines von drei süddeutschen Agfa-Werken.

„Die meisten kennen die Marke Agfa von der Fotografie“, sagt Werksleiter Josef Sturm, der den Standort seit mittlerweile neun Jahren leitet. Miran nickt. Filme in Blechdosen – ein heute Elfjähriger kennt das nur noch von den Großeltern. „Mein Opa hatte sowas“, sagt er. Der Standort Schrobenhausen gehört jedoch zum Agfa-Geschäftsbereich Healthcare.

„Wir produzieren hier Röntgenkassetten und Folien für die analoge und die digitale Radiographie“, sagt Sturm und erklärt, was das ist: Es geht um die Darstellung des Bildes nach einer Röntgenaufnahme; im Fachjargon spricht man von der bildgebenden Diagnostik. Rund 100 000 Röntgenkassetten verlassen das Schrobenhausener Werk pro Jahr, das macht den Betrieb in Europa zur Nummer eins, in der Welt zur Nummer zwei.

„Beliefern Sie auch Firmen, die nichts mit Medizin zu tun haben“, will Miran wissen. „Ja“, bestätigt Sturm. Denn geröntgt wird auch in vielen technischen Bereichen. Zum Beispiel bei der Werkstoffprüfung von Schweißnähten an Pipelines, Flugzeugen oder Kraftwerkskomponenten. „Dafür wurden spezielle Bildspeicherplatten entwickelt, die wir in Sonderformaten herstellen“, sagt Sturm.

In den Kassetten steckt eine Unmenge Technik. Miran ist verblüfft: Ein Plastikrahmen mit einem Pappendeckel drin, nach mehr sieht das auf den ersten Blick nicht aus. Erst auf den zweiten Blick kann man an den Pappendeckeln der jüngeren Generation Computerchips entdecken. Denn in Wirklichkeit handelt es sich um Kunststoffträger aus Polyester, die mit Speicherleuchtstoff – zum Beispiel Bariumfluorbromid – beschichtet sind.

„Weißt du, wer der Herr Röntgen war“, fragt Sturm Miran. Der nickt. „Der deutsche Wissenschaftler, der die Röntgenstrahlen entdeckt hat“, sagt er. Stimmt. Zu seiner Zeit, erzählt Josef Sturm, machte das Röntgen einer Hand eine Belichtungsdauer von zirka 20 Minuten erforderlich, um eventuelle Knochenbrüche zu erkennen. „Heute benötigt man dafür weniger als 100 Millisekunden.“

Auch da spielt die Technik in der Röntgenkassette eine wesentliche Rolle: Der Röntgenfilm wird bei der analogen Technik zwischen zwei Verstärkerfolien gepackt, die Röntgenenergie in sichtbares Licht umwandeln. So kommt man mit einer deutlich geringeren Strahlung aus. Agfa setzt dabei sein patentiertes Magnet-Andruck-System ein. „Mit diesem Trick wird in wenigen Sekunden der enge Kontakt zwischen dem Film und den Verstärkerfolien erreicht“, sagt Sturm. Das ist wichtig für die Bildschärfe.

Jetzt geht es in die Produktion. Dutzende Mitarbeiter werkeln an den verschiedenen Stationen. Tausendfach geübte Handbewegungen. Die Montage der Kassetten in den verschiedenen Formaten und Ausführungen ist eine Mischung aus Mensch- und Maschineneinsatz. Einige Geräte geben ein hohes Pfeifen von sich, Miran fragt sofort nach, wie sich die Mitarbeiter schützen. Josef Sturm deutet auf ein Glas mit Ohrstöpseln. „Der Betriebs- und Arbeitsschutz für die Mitarbeiter hat bei uns eine sehr hohe Prioriät“, sagt er.

Am Ende einer Halle hängen Hunderte Rollen, je nachdem, was geröntgt wird, kommen unterschiedliche Gießsorten und Rezepturen zum Einsatz. Es riecht ein wenig nach Kunststoff, nach Lösungsmitteln. Die Folien werden in sogenannten Reinräumen hergestellt, ein Bereich, der heute außer Betrieb ist, weil die Maschinen gerade gewartet werden. Rein geht es durch eine Luftschleuse. „Man wird in einem Luftstrom angeblasen, um alle Partikel vom Körper zu bekommen“, erklärt Sturm. In die Räume gelangt nur speziell gefilterte Luft, Fenster dürfen nicht geöffnet werden. Nichts darf die Röntgenfolie verunreinigen und womöglich das Ergebnis der Untersuchung beeinflussen.

Vor der Schleuse darf Miran die Schutzkleidung probieren: Plastikhüllen für die Schuhe, eine Haube für den Kopf – sehr schick. Das steht ihm gut. Werkleiter Sturm lacht, die Hüllen darf Miran natürlich mit nach Hause nehmen.

„Was passiert eigentlich, wenn doch Fehler passieren“, will Miran wissen. „Die Produkte, die wir herstellen sind Medizinprodukte, die sehr strengen Auflagen und Kontrollen unterliegen“, sagt Sturm. „Wir haben hier an verschiedenen Stationen Kontrollen.“ Und wenn doch? „Dann wird untersucht, wie es dazu kommen konnte, und es werden Maßnahmen eingeleitet, damit dieser Fehler in Zukunft nicht mehr auftritt“, sagt Sturm. Einige Länder schicken in unregelmäßigen Abständen Kontrolleure, die USA beispielsweise. Wenn da etwas nicht passen würde, käme es zu einem Entzug der Einfuhrerlaubnis. „Eine rote Karte“, fragt Miran. Sturm nickt: „Das wäre ein Platzverweis.“ Schon mal passiert? Natürlich nicht.

Am Laserschneider werden gerade kleine Formate für Zahnaufnahmen geschnitten. Von Hand müssen die kleinen Folienstücke nachbearbeitet werden. „Wir versiegeln den Rand, damit sich die Folie nicht vom Träger lösen kann“, sagt Sturm. „Ist das Lack“, fragt Miran. Genau. Mit viel Gefühl bringt eine Mitarbeiterin einen feinen Strahl auf. An einer anderen Station werden die Folien gereinigt, dann für den Versand vorbereitet.

Letzte Station ist der Bereich Lager und Versand mit den fertig verpackten Kassetten. Sie sehen immer noch unspektakulär aus. Dabei ist da so viel Technik drin. Miran weiß jetzt bescheid: „Danke für die tolle Führung, Herr Sturm!“