Schrobenhausen
Premiere in Bosnien-Herzegowina

Humanitäre Hilfe des Bayerischen Roten Kreuzes beliefert erstmals soziale Einrichtungen in und um die Stadt Tuzla

22.07.2016 | Stand 02.12.2020, 19:30 Uhr

Lagebesprechung beim Aufladen: Einsatzleiter Leonhard Tyroller (r.) und der Vorsitzende der Humanitären Hilfe, Toni Drexler (l.), packten einen Sattelschlepper mit Hilfsgütern voll. Erstmals geht ein Transport nach Bosnien-Herzegowina. - Foto: Hastreiter

Schrobenhausen (SZ) Die Formalitäten waren ungewöhnlich schnell erledigt. Als sich die beiden Vorsitzenden der Humanitären Hilfe des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK) mit dem vierköpfigen Team des nächsten Hilfszugs zur Einsatzbesprechung trafen, da war der Sattelzug schon vom Zoll abgenommen und die Begleitpapiere hatten auch schon ihre Behördenstempel.

Erwartet die Ehrenamtlichen ein Routineeinsatz? Nicht ganz: Am Montag heißt das Ziel erstmals Bosnien-Herzegowina.

In den Fahrzeugen sitzen ausnahmslos alte Hasen. Unter Regie von Leonhard Tyroller fahren Hubert Fischhaber und Max Weigert mit, die für die Humanitäre Hilfe schon Tausende von Kilometern herunter gespult haben. Neu ist der vierte Mann. Nedzad Huseinovic ist nicht nur der Dolmetscher für das Team, er brachte die ganze Sache auch ins Rollen. Geboren ist er in Tuzla, der drittgrößten Stadt des Landes, seit 1994 ist Deutschland seine neue Heimat. In Pfaffenhofen arbeitet er als Krankenpfleger. Und weil auch seine Verwandtschaft vorwiegend im medizinischen Bereich ihr Brot verdient, unterhält er noch enge Kontakte in seine Geburtsstadt. Weil er weiß, dass noch Vieles im Argen liegt, führt ihn der Weg schließlich zur Humanitären Hilfe.

Eindrucksvoll kann er schildern, was die Bevölkerung seit der Auflösung des jugoslawischen Staatsverbandes im Jahr 1992 zu erdulden hatte, wobei die Stadt eine Besonderheit auszeichnete. Während des Bosnienkrieges hätten die bosniakischen, kroatischen und serbischen Bewohner weiterhin zusammengearbeitet und Tuzla gemeinsam gegen die Angriffe serbischer Einheiten verteidigt. Umfangreiche Zerstörungen seien dennoch zurückgeblieben. Wenn sich das Land nur langsam erhole, dann sieht Huseinovic die Schuld bei den Politikern, die bosniakische und kroatische Interessen nicht unter einen Hut bringen könnten.

Die Politik hat die Arbeit der Humanitären Hilfe freilich noch nie bestimmt. Sie springt dort ein, wo es Not zu lindern gilt, und da gibt es in Bosnien noch einige Baustellen. Die entdeckten Vorsitzender Toni Drexler und Leonhard Tyroller, als sie mit Nedzad Huseinovic im vergangenen Jahr das Land und die Sozialeinrichtungen erkundeten. Besucht wurde ein Waisenhaus, in dem etwa 120 Kinder und Jugendliche betreut werden. Die jüngsten sind gerade mal ein paar Monate, die Ältesten schon mehr als 18 Jahre alt - sie dürfen bleiben, bis sie ihre Berufsausbildung abgeschlossen haben. Ihre Eltern haben sie als Folge des Krieges verloren oder sie wurden einfach ausgesetzt.

Weitere Station war ein Altenheim, in dem rund 250 Bewohner betreut werden. Die Gebäude und die Einrichtung bezeichnen die Schrobenhausener als "schlicht", weshalb sich durchaus Ansatzmöglichkeiten für Aktivitäten der Humanitären Hilfe herauskristallisiert hätten. Benötigt würden vor allem verstellbare Betten für pflegebedürftige Patienten. Und dass Einrichtungen für Kinder und Senioren immer einen Bedarf an spezieller Nahrung und auch Kleidung haben, das war für die BRK-Mitglieder nichts Neues.

Entsprechend sieht die Ladeliste für den Sattelzug aus. Einer der größten Posten sind 40 Paletten mit Kindernahrung. Dazu kommen zehn Pflegebetten und eine ganze Reihe an Hilfsgütern, vom Rollstuhl über Krankenliegen bis zu Sauerstoffflaschen und Reinigungsmitteln. "Luft haben wir im Auflieger keine mehr", sagt Drexler mit Blick auf die Ladeliste, die 11,5 Tonnen Frachtgewicht ausweist. Unterwegs ist der kleine Konvoi auf dem klassischen Urlauberpfad. In Österreich auf der Alpen- und danach auf der Balkanroute. Eine besondere Herausforderung dürfte die Strecke für die Mannschaft aber nicht sein, es sind gerade einmal 900 Kilometer. Wenn alles klappt, dann sollen die Fahrzeuge am Freitag schon wieder in Schrobenhausen stehen.