Schrobenhausen
Mit den Augen eines Berliners

John Werner hat Schrobenhausen Anfang der 60er fotografiert wie kein anderer

22.09.2017 | Stand 02.12.2020, 17:27 Uhr
„Schrobenhausen hat mir unheimlich gut gefallen. Alles war so grün.“ John Werner −Foto: Hilde Werner

Schrobenhausen (SZ) Schrobenhausen, die Stadt, die niemals schläft? Na gut, so ganz stimmt das nicht. Trotzdem hat sich das Städtchen in den vergangenen 50 Jahren ganz schön verändert – das zeigen John Werners alte Aufnahmen, die wir seit Kurzem täglich in unserer Zeitung drucken.

John Werners Fotos machen das Schrobenhausen von früher ein Stück weit erlebbarer – und sie machen Spaß. „Ah, das ist doch . . .“, wird sich so manch einer die vergangenen Wochen beim Zeitunglesen gedacht haben. Die Aufnahmen zeigen die Innenstadt, die einst noch so riesig wirkte, die Stadtmauer so ganz unverputzt und Gebäude, die heute längst nicht mehr stehen. Und das ist wirklich etwas ganz Besonderes.

Denn damals, vor einem halben Jahrhundert, da war das mit dem Fotografieren keine Alltäglichkeit. „Heute hat jeder ein Handy, und Fotos entstehen im Sekundentakt“, sagt John Werner. Als seine Fotos von Schrobenhausen entstanden, da besaßen nur wenige eine Kamera und noch wenigere wussten, wie man Fotos entwickelt. John Werner besaß beides: Kamera und das nötige technische Know-how.

„Ich kam 1959 nach Schrobenhausen, um dort als Fototechniker zu arbeiten“, erzählt der heute 79-Jährige. 21 Jahre war er alt, als er sich entschloss, seiner Heimatstadt Berlin – damals noch Westberlin – den Rücken zu kehren und nach Bayern zu ziehen. „So viele Stellen gab es nicht für Fototechniker, in Berlin konnte ich nicht bleiben“, erinnert er sich. Also Schrobenhausen. Dort heuerte er bei der Firma Cawo an, die Fotopapier herstellte. „Es war eine schöne Zeit“, sagt Werner. „Ich bin gerne beim Gritschenbräu und in der Post eingekehrt.“ Auch an seine erste Maß Bier auf der Schrobenhausener Kirchweih erinnert er sich noch gut. „Sowas kannte ich ja überhaupt noch nicht. Da habe ich mich erstmal ein bisschen verschätzt, was meine Trinkfestigkeit angeht“, sagt er schmunzelnd.

Schnell lernte John Werner das kleine Schrobenhausen, das so ganz anders war als seine Heimatstadt Berlin, kennen und lieben. Auch deshalb zog er in seiner Freizeit mit der Kamera los. „Schrobenhausen hat mir unheimlich gut gefallen“, schwärmt Werner. „Alles war so grün.“ Wo gebürtige Schrobenhausener eine Altstadt sahen, die sie ihr Leben lang kannten, sah der Berliner das Besondere – und fing es mit seiner KB-Spiegelreflex Exakta Varex ein. Seine Lieblingsmotive: der Stadtwall, die Innenstadt und sämtliche Gebäude entlang der Stadtmauer.

Wo es ging, war der junge Berliner mit seiner Kamera unterwegs. Weit hatte er es ja ohnehin nicht, denn bevor er auf die Platte zog, wohnte er in der Georg-Hitl-Straße, quasi mitten im Zentrum. Und so entstanden Dutzende Fotos, mal schwarz-weiß, mal in Farbe, die dokumentieren, wie Schrobenhausen einmal aussah.

Im Jahr 2013 stieß man beim Stadtarchiv auf Werners Fotografien und kaufte kurzerhand rund 60 seiner Aufnahmen. „In dieser Qualität und in dieser Fülle gibt es keine Fotos aus dieser Zeit“, sagt der Leiter des Schrobenhausener Stadtarchivs Max Direktor. „Wenn es Fotos gibt, dann eher Urlaubsfotos, aber eben keine, die den Zustand der Häuser, die Fassaden und die Verputzung so gut dokumentieren.“

Gerne hätte Direktor noch weitere Aufnahmen aus späteren Jahren gekauft, doch für John Werner war nach gut drei Jahren, 1962, schon wieder Schluss mit dem Schrobenhausener Leben. „Unser Cawo-Werk wurde geschlossen und ich ins Hauptwerk nach München versetzt“, erzählt er. „Mir ist es schon schwergefallen, Schrobenhausen wieder zu verlassen“, gibt er zu.

Auch in München hielt es ihn nicht lange – schon damals waren die Münchner Mieten nichts für kleine Geldbeutel. „Ich konnte mir das Leben dort einfach nicht leisten“, so Werner. Doch er hatte Glück. Schnell fand er einen Job bei einer vergleichbaren Firma in Flörsheim zwischen Mainz und Frankfurt. Bis heute lebt Werner im nahe gelegenen Rüsselsheim. Die Kamera packt er immer noch gerne aus, „nur nicht mehr ganz so oft wie früher“.