Schrobenhausen
Liebensbriefe hängen an ihrem Bestimmungsort

Wie sind die Botschaften der Kinder an ihre Verstorbenen entstanden? – Ein Besuch im Heilig-Geist-Kindergarten

20.10.2014 | Stand 02.12.2020, 22:06 Uhr

Offenherzig und ehrlich schreiben und erzählen 755 Schul- und Kindergartenkinder aus Schrobenhausen und Umgebung von ihren Erfahrungen mit dem Tod. Sie haben – wie hier gemeinsam mit Leiterin Erika Vogl im Heilig-Geist-Kindergarten in Mühlried (rechts) – Briefe auf durchsichtigem Blindenpapier erstellt. Seit gestern hängen die sogenannten Liebensbriefe beim Pflegschloss in Schrobenhausen (links). - Fotos: Tamm, De Pascale

Schrobenhausen (SZ) Diese Ausstellung ist voller Besonderheiten: 755 Kinder aus Schrobenhausen und Umgebung haben sich mit dem Thema Tod und Verlust befasst und Botschaften an Verstorbene angefertigt. Am Donnerstag geht es offiziell los – die Vorarbeiten sind aber bereits so gut wie abgeschlossen.

Die fertigen Botschaften, die im Rahmen des Projekts Liebensbriefe entstanden sind, stammen von Schul- und Kindergartenkindern nahezu aller Altersstufen. Beteiligt haben sich die Franziska-Umfahrer-Grundschule, die Grundschule Mühlried, das Gymnasium Schrobenhausen, die Maria-Ward-Realschule sowie die Kindergärten St. Mauritius und Taka-Tuka-Land. Und auch der Heilig-Geist-Kindergarten aus Mühlried wird vertreten sein.

Dessen Leiterin Erika Vogl ist von dem Projekt begeistert. „Wir haben mit den Liebensbriefen nur positive Erfahrungen gemacht“, versichert sie. Um die Kleinen auf das Gestalten der Briefe vorzubereiten, gingen sie und ihr Team mit den Kindern zum alten Friedhof, auch anhand eines Liedes und eines Bilderbuchs sei das Sterben thematisiert worden, berichtet Erika Vogl. Und selbstverständlich habe man viel über das Thema geredet.

Ganz besonders engagiert zeigten sich die Mühlrieder Kinder, als sie einem Käfer die letzte Ruhestätte gestalten durften. „Sie haben den Platz selbst ausgesucht, ein Loch gegraben, das Käferl reingelegt und das Grab anschließend mit Steinen geschmückt – und dann wollten sie noch eine Blume in die Mitte stecken“, erzählt die Kindergartenleiterin. „Die Kinder waren total aktiv und haben das Ganze sehr intensiv erlebt.“ Da habe man gemerkt, wie nahe ihnen das Thema wirklich gehe.

Was die Kinder auf ihren Liebensbriefen verewigen, ist ganz verschieden. Die einen gestalten den Brief für einen ganz bestimmten Menschen, bei anderen richten sich die Botschaften an ihre verstorbenen Haustiere. Da gebe es ein Kind, dessen Oma erst kürzlich starb, ein anderes trauere um seine Tante, „die Kinder haben in einer großen Natürlichkeit davon erzählt“, berichtet Vogl. An wen sich ein Brief richtet, entscheiden im Übrigen die Kinder vollständig alleine: „Ich mache den Brief für meinen Hasen“, erzählt beispielsweise Ludwig. „Und ich für meine Oma und für meine Katze“, sagt Noah.

„Die Kinder sind sehr konzentriert, sie steigen voll auf das Thema ein“, bestätigt auch Erzieherin Birgit Schilling. Auch könne man die Gedanken der Kinder gut nachvollziehen. „Sie können das alles sehr gut in Worte fassen“, ist Schilling überzeugt. Auch das habe das Kindergartenteam erkannt, erzählt Erika Vogl: „Man sieht, dass wir Erwachsenen auf einer ganz anderen Ebene sind.“ Sich mit dem Sterben zu beschäftigen, sei ein wichtiger Teil auf dem Weg zum Erwachsenwerden und bedeute auch, einen Schritt in der Entwicklung weiterzugehen. Deshalb werde das Thema auch über die Liebensbriefe-Ausstellung hinaus im Heilig-Geist-Kindergarten präsent bleiben.

Die Ausstellung rund ums Schrobenhausener Pflegschloss beginnt indes am kommenden Donnerstag, 23. Oktober – zumindest laut Zeitplan. Denn die auf Blindenfolie gezeichneten Botschaften hängen seit gestern bereits an ihrem Bestimmungsort. In nur gut eineinhalb Stunden haben die vielen fleißigen Hände einen Großteil der 755 Zettel an langen Schnüren befestigt. „Von jeder der beteiligten Institutionen sind mindestens zwei Helfer dabei gewesen“, freute sich Andrea Koch über die Hilfe.

Koch ist eigentlich die Konrektorin der Grundschule Mühlried, aktuell aber auch noch die Gesamtkoordinatorin für das Projekt in Schrobenhausen. Sie freut sich sichtlich über die Aktion und auch über die Begeisterung der Kinder aus dem Schrobenhausener Land. „Die Kinder haben viel mehr erzählt, als sie sonst preisgeben würden“, sagt sie. Als traurig würde Koch die Briefe der Kleinen und die Ausstellung aber nicht bezeichnen. „Wegen des transparenten Materials, das beschrieben wurde, ist die Ausstellung sehr leicht und hell“, beschreibt sie ihre Eindrücke, während ein leichter Windhauch die dünnen Blätter an den Schnüren in Bewegung versetzt.