Schrobenhausen
"Leichtfüßig wie Helium"

SZ ZU BESUCH bei Tanzlehrer Stephan Pokorny, der Tanz mit Psychologie verknüpft

23.11.2016 | Stand 02.12.2020, 19:00 Uhr

Fit durchs Tanzen: Neben klassischen Kursen bieten auch Tanztees eine zusätzliche Möglichkeit zu Geselligkeit und Bewegung. Organisator solcher Veranstaltungen ist auch Tanzlehrer Stephan Pokorny, der im Schrobenhausener Land unterrichtet. - Foto: SZ-Archiv

Schrobenhausen (SZ) Fast jeder hat in seiner Schulzeit einen Tanzkurs absolviert. Doch bei den meisten war es das mit dem Tanzen. Nicht für Stephan Pokorny. Er hat sein Hobby zum Beruf gemacht. Obwohl seine Sportbegeisterung eigentlich woanders lag.

Der Tanzlehrer Stephan Pokorny war auf der Welt viel unterwegs: Madrid, London, New York, Buenos Aires. Kaum ein Ort, an dem er noch nicht getanzt hat. Seine Heimat hat der gebürtige Grazer allerdings in Bayern gefunden. Seit fast drei Jahrzehnten ist er bereits in der Region zwischen München, Augsburg und Ingolstadt unterwegs. Inzwischen ist er ins Schrobenhausener Land gezogen und bietet dort neben Kursen in Standard und Latein auch immer wieder große Galaabende an.

Dabei führte sein Weg anfangs gar nicht in Richtung Tanz. Von klein auf hatte ihn die Leidenschaft für eine andere Sportart gepackt: Trampolinturnen. Mit Turnfesten ging es los, später nahm er sogar an Weltmeisterschaften teil. Bis vor 28 Jahren durch einen dreifachen Bänderriss seine Karriere als Trampolinturner ein jähes Ende nahm. Da rückte für ihn eine andere Leidenschaft in den Fokus: das Tanzen. Es begann mit einem Crashkurs im Rock 'n' Roll in der vhs Pfaffenhofen. Nach und nach kamen weitere Kurse hinzu.

Pokorny hat Psychologie studiert, das bringt er auch beim Tanzen ein. "Die Herren kriegt man am besten über eine analytisch-bildliche Beschreibung", erklärt Pokorny. Da Männer vor allem ein gutes räumliches Vorstellungsvermögen haben, sei es am effektivsten, bei ihnen Tanzschritte mit einer geometrischen Form zu verknüpfen. "Der Quickstep bildet beispielsweise ein Zickzackmuster, der Jive ist ein umgedrehtes L", sagt Pokorny und schmunzelt. Das hilft. Und das ist auch gut so, denn es ist ja der Mann, der führt. Also sollte er schon wissen, was er da auf der Tanzfläche macht.

Und die Frauen? Pokorny grinst wieder: "Die erreicht man besser über das Ganzheitlich-Verbale. Sie können das gesprochene Wort schneller verarbeiten." Da kennt er sich aus, der Psychologe. Denn die Kommissurenfasern, Verbindungen zwischen den beiden Gehirnhälften, seien es, die dafür sorgen, dass die Damenwelt gesprochene Informationen schneller verarbeiten kann.

Und noch etwas hat Pokorny immer wieder erlebt: dass es dem weiblichen Geschlecht leichter fällt, sich auf Musik einzulassen. Obwohl es natürlich auch Ausnahmen gibt. "Definitiv fällt es meinem Lebensabschnittsgefährten leichter," sagt Martha Schwarzbauer. Die Schrobenhausener Stadträtin besucht seit einer Weile Tanzkurse bei Stephan Pokorny. Ihr Partner tanze schon seit vielen Jahren, erzählt sie. Und nachdem die beiden ab und an auf Bällen waren, hat es auch sie gepackt. "Mir macht Tanzen Spaß, weil mein Partner es schon gut kann", sagt die selbstbewusste Martha Schwarzbauer. Dass er derjenige ist, der führt, daran müsse sie sich allerdings noch gewöhnen.

Inzwischen hat sie, wie die anderen Pokorny-Schüler, viel gelernt. Auch dies: Beinahe alle Tänze, die im vergangenen Jahrhundert entwickelt wurden, lassen sich auf fünf Basistänze zurückführen: die Lateintänze Rumba und Samba, die Standardtänze Langsamer Walzer und Foxtrott sowie der Tango, eine Mischung aus Standard und Latein.

"Daraus leitet sich alles andere ab", sagt Pokorny. Aus der Rumba wird beispielsweise der Cha-Cha. Der wird übrigens im Volksmund häufiger Cha-Cha-Cha genannt. Zum Merken hilfreich, weil man ja drei Schritte macht, einen zur Seite, das Spielbein nachziehen und wieder einen zur Seite, etymologisch sei er aber zweisilbig.

Es ist nicht zu übersehen: Pokorny liebt das Tanzen, wahrscheinlich auch, weil er eigentlich vom Leistungssport kommt. Und die Grenze ist tatsächlich fließend. Sportmediziner wie der Schrobenhausener Arzt Christoph Rupp wissen das. Tanzen schult zum Beispiel die Koordination. "Das ist die tragende Komponente", sagt Rupp. Darum sei Tanzen in jedem Alter gesund. Bei Senioren seien Stürze vorwiegend auf mangelhafte Koordination zurückzuführen. Wer tanzt, könne länger körperlich fit bleiben.

Tanzen kräftigt den ganzen Körper, weiß Rupp. Und: Beim Tanzen werden Haltungen eingenommen, die im Alltag nicht vorkommen. Gut für die Kondition sei Tanzen sowieso. Man muss nur mal zwei Stunden auf der Tanzfläche verbringen. Bei flotten Tänzen, wie Jive und Quickstep, kommt die Geschwindigkeit dazu.

Der Psychologe Pokorny bringt einen weiteren Aspekt ins Spiel: Lernen. Wenn man mag, bis ins hohe Alter. Von Kurs zu Kurs werden immer neue Herausforderungen angegangen. Bis zur höchsten Tanzstufe dauert es bei ihm gute fünf Jahre: Nach Anfänger- und Fortgeschrittenenkurs werden die Namen immer bildlicher: zunächst Bronze, Silber und Gold. Aber dann: Platin, Uran oder Helium - das macht doch was her. Pokorny hat diese Begriffe natürlich mit Bedacht gewählt: "Bei der Stufe Uran beginnen die Tänzer innerlich zu strahlen", sagt er, und wenn er das erzählt, macht er es selbst: strahlen. "Und im höchsten Kurs, Helium, sind die schon so leichtfüßig, dass sie fast davonfliegen."