Schrobenhausen
Freiwilligendienst statt Zukunftsfrust

Abiturient Benjamin Russo ist seit 1. Oktober "Bufdi" im Schrobenhausener Jugendzentrum Zoom

09.10.2015 | Stand 02.12.2020, 20:42 Uhr

Auch das gehört zur Arbeit: Wenn gerade Zeit ist, können Bufdi Benjamin Russo (3. von links) und sein Kollege Franz Stoß (2. von links) sich mit den Zoom-Besuchern beim Brettspiel messen - Foto: Burgstaller

Schrobenhausen (SZ) Was fange ich mit meinem Leben an? Eine Frage, vor der jeder nach dem Schulabschluss einmal steht und eine, die wohl überlegt sein will. Was aber, wenn die Antwort einfach fehlt? Benjamin Russo aus Mühlried hat sich für ein Jahr Bundesfreiwilligendienst entschieden, um Klarheit zu finden.

Kaffee kochen, die Bar schmeißen, kochen, Bühnentechnik oder auch mal Fensterhebel reparieren – der Aufgabenbereich von Benjamin Russo ist weit. Und gerade das findet er gut. Rund eine Woche ist er der Neue im Zoom, der „Bufdi“, wie die Bundesfreiwilligendienstleistenden kurz genannt werden. Er will angreifen, was machen, arbeiten, um nicht plötzlich in ein dunkles Loch zu fallen. Das Loch nämlich, das sich auftat, als der 19-Jährige im Juni mit dem Abitur in der Tasche vom Schrobenhausener Gymnasium abging. „Klar denkt man schon während der Schulzeit hier und da an das, was nach dem Abi kommt“, sagt Russo.

Dass er dann tatsächlich ohne Plan dastehen würde, damit hat er jedoch nicht gerechnet. „Ich dachte irgendwie, dass mich die Schule schon auf meine Zukunft vorbereiten würde. Aber das ist einfach nicht passiert“, sagt Russo frustriert. Schließlich habe man im Schulalltag genug anderes zu tun – Redoxreaktionen ausgleichen, Kurven diskutieren und die Intentionen von Goethe erahnen, mit denen er den Faust geschrieben hat. Dinge, die ihm jetzt recht wenig helfen.

An zwei Berufsberatungen könne er sich erinnern und auch ein Praktikum in der zehnten Klasse sei vorgeschrieben gewesen. „Das ist einfach zu wenig“, sagt er. Das wisse er jetzt, wo es gewissermaßen schon zu spät sei. „Aber mal ganz im Ernst – welcher Schüler absolviert in seinen Ferien freiwillig Praktika“

Die Möglichkeiten, die ein Abiturient hat, sind überschaubar: Die meisten gehen zum Studieren, viele fangen eine Lehre an oder machen ein Auslandsjahr. „Für mich war aber eigentlich nur klar, dass ich lieber eine Ausbildung machen und endlich arbeiten will“, erzählt der Mühlrieder. Nur welcher Arbeit er seine nächsten Lebensjahre widmen will, darüber herrscht Unklarheit in seinem Kopf. „Was Soziales wie hier im Zoom, eine Ausbildung zum Bankkaufmann oder Polizisten – das kann ich mir irgendwie alles vorstellen.“

Sein Jahr als Bufdi will er jetzt nutzen, um sich über seine Zukunft klarzuwerden. „Ich kannte die Leute hier schon, und solange ich nicht weiß, was ich machen will, ist die Arbeit viel besser als nur nichts zu tun“, so der 19-Jährige. Und auch wenn er sich freiwillig für den sozialen Dienst gemeldet hat, ganz umsonst muss er den auch nicht machen: Rund 480 Euro verdient er dafür, dass er täglich von 10 bis 18 Uhr im Zoom mit anpackt.

Eine Hilfe, die die Leiterin des Jugendzentrums, Katja Faig, gerne in Anspruch nimmt. Seit die Wehrpflicht in Deutschland aufgehoben wurde und damit auch der alternative Zivildienst, haben sie und ihr Mitarbeiter Franz Stoß alle Hände voll zu tun. „Mehr Mitarbeiter als uns beide gibt es halt nicht, und dass sich jemand freiwillig zum Helfen meldet, wird auch immer weniger“, sagt sie. Trotzdem hätte sie nicht wahllos jeden in ihr Team aufgenommen. „Wir arbeiten hier mit Kindern und Jugendlichen, da muss man Vorbild sein“, erklärt sie. Und Selbstbewusstsein haben. Denn schließlich muss man sich gegen die Jugendlichen auch schon mal durchsetzen können. „Den Benny haben wir also auf Herz und Nieren vorher geprüft“, erklärt Faig, „und für absolut tauglich befunden“, fügt sie grinsend hinzu. „Unsere Jüngsten sind auch schon ganz vernarrt in ihn.“

Auch Benjamin Russo hat sein Engagement bisher nicht bereut. „Ich denke, ich lerne hier sehr viel. Was den Umgang mit Menschen betrifft, aber auch praktisches Zeug wie Bühnentechnik.“ Bis zum 31. Juli 2016 hat Benjamin Russo jetzt noch Zeit, sich darüber klarzuwerden, in welche Richtung sein Leben verlaufen soll. „Ich bin zuversichtlich, dass ich bis dahin eine Entscheidung fällen werde“, sagt er. „Dass ich bis dahin auch noch was Sinnvolles mache, das Menschen hilft – umso besser.“ Und wer weiß, wo einem Benjamin Russo im nächsten Jahr dann begegnet.