Schrobenhausen
"Ein bisschen heile Welt"

Die ehemalige Lehrerin Kristina Kause berichtete von ihren Erkenntnissen an Brennpunktschulen

21.06.2012 | Stand 18.11.2013, 18:11 Uhr

Autorenlesung vor Lehrern: Schulamtsdirektor Johann Brummer (l.) im Gespräch mit Kristina Kause (2.v.l.). Hans Tomani (r.), Vorstandsvorsitzender der Stadtsparkasse Schrobenhausen, überreichte an Schulamtsdirektor Gerhard Preisler (2.v.r.) einen Bayerischen Löwen als Erinnerungssymbol an die lange Zeit der Zusammenarbeit - Foto: mbs

Schrobenhausen (mbs) Kristina Kause, eine erfahrene und auch „gebrannte“ Lehrerin an Großstadt-Brennpunktschulen las vor Lehrern aus dem Landkreis Neuburg-Schrobenhausen aus ihrem Buch. Dabei gewährte sie Einblicke in den Alltag der modernen Schulen.

„Wir, die wir einst angetreten waren, Bildung zu vermitteln, verkamen zu bloßen Aufpassern für Kinder, mit denen die Gesellschaft immer weniger zu tun haben wollte…“ So steht es auf dem Cover des Buches „Straßen führen nicht durch den Himmel,“ mit dem Kause vieles aus ihrem Berufsleben aufgeschrieben hat.

Nach bewährtem Muster ging auch Kause in eine Schule – diesmal in Berg im Gau – und las Kindern vor: Grimms Märchen. Hans Tomani, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse, äußerte Anerkennung für die lebhafte Art der Lesung und bezog sich auf ein eigenes Erlebnis, bei dem er Thomas Heilige Nacht nicht in betulich beruhigender Art hörte; ein bayerischer Schauspieler habe dem Text viel Dramatik mitgegeben.

Den Lehrern erzählte Kause aus ihrer Schulbiografie und machte deutlich, wie im Vergleich zu den Großstädten in einem ländlichen Kreis wie Neuburg-Schrobenhausen noch „ein bisschen heile Welt“ zu erkennen sei. Sie selber – lange Zeit mobile Reserve und mit Kämpferherz immer an schwierigen Schulen tätig – habe Schulen erlebt, in denen die Reinigungskräfte nicht mehr hinterher kämen, in denen Spuren der Zerstörung anzutreffen seien, ganz abgesehen von den Problemen im Unterricht. In Brennpunktschulen und Gesamtschulversuchen habe man Migrantenkinder aus mal acht, mal zwölf Nationen in einer Klasse, und neben allen Fragen zum Lehrstoff, sei da auch noch das Kollegium. Jeder habe zu viel mit seinen Einzelschwierigkeiten zu kämpfen, als dass er sich auch noch die Sorgen der Kollegen anhören wollte. „Und niemand hört uns,“ klagte Kause; sie habe an zuständige Stellen geschrieben, habe ihr Buch den Kultusministern der Länder geschickt, aber die Resonanz sei deprimierend ausgefallen.

Eines der größten Probleme für Kause: Das Kollegium hält nicht zusammen, jeder definiert seinen eigenen Stil. Während ein Lehrer einen 15-Jährigen ermahnt, das Rauchen zu unterlassen, kommt aus dem Hintergrund der Laissez-faire-Kollege und bietet dem Schüler demonstrativ eine Zigarette an. Viele ihrer Erfahrungen habe sie in ihrem Buch niedergeschrieben, dessen Titel auf eine Geschichte zurückgeht: Ein Kind zeigt der Lehrerin das Fantasiebild einer Landschaft, die Lehrerin kritisiert die Linien und erklärt: „Aber Straßen führen doch nicht in den Himmel!“ Dann knüllt sie die Zeichnung gefühllos zusammen und wirft sie in den Papierkorb. Eine weitere Episode schildert einen Lehrerausflug, der genau so öde verläuft, wie ihn ein Romanautor erfinden könnte, der nie dabei war. Und noch eine interessante Beobachtung berichtet Kause: Als sie in die Schlussphase eines Schulprojekts geriet, das drei Tage lang „Schule wie vor 100 Jahren“ durchgespielt hatte, notierte sie die Schülererkenntnisse. Die Schüler hatten in wenigen Tagen die Stille der „alten Schule“ schätzen gelernt und wie man sich dabei viel besser konzentrieren konnte als im gewohnten Lärm der modernen Zeit.