Schrobenhausen
Der Feind der Fichte

Der Borkenkäfer macht Waldbesitzern in diesem Jahr das Leben schwer - Fallen geben einen Überblick über den Befall

14.08.2017 | Stand 23.09.2023, 2:47 Uhr
In die Falle gegangen: Förster Guido Zitzelsberger (l.) und Jäger Hubert Schweiger (r.) sind im Wald der Leinfelder-Forstverwaltung unterwegs, um die Fallen für die Kupferstecher und Buchdrucker zu entleeren. 2004 hat die Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft ein landesweites Monitoring für Borkenkäfer ins Leben gerufen, um Infos zu lokaler Dichte und Schwärmverhalten zu bekommen. −Foto: Schmeizl

Schrobenhausen (SZ) Die sommerliche Hitze begünstigt die Ausbreitung des Borkenkäfers, der sich heuer wegen des milden Winters ohnehin stark vermehrt hat. Auch in den Wäldern rund um Schrobenhausen. Pheromon-Fallen sollen einen Überblick über die Situation mit dem kleinen Übeltäter geben.

Das weiße Auto hüpft auf und ab. Saftiges Grün leuchtet von allen Seiten in den Wagen. Konzentriert schaut Guido Zitzelsberger auf den Waldweg vor sich. An einer Lichtung schaltet er einen Gang zurück und fährt langsamer. Er deutet auf einen großen Haufen abgeholzter Fichten. „Die mussten gefällt werden, weil der Borkenkäfer am Werk war“, sagt Zitzelsberger. Er ist Förster beim Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Pfaffenhofen, betreut das Forstrevier Schrobenhausen und ist damit für die Wälder rund um die Stadt zuständig.

Das rund acht Millimeter große Tier bereitet ihm Kopfzerbrechen, vor allem in diesem Jahr. „So schlimm war es noch nie. Man kann durchaus von einer Borkenkäferplage sprechen“, sagt der Experte in Sachen Wald. Das hänge insbesondere mit den klimatischen Bedingungen zusammen: ein milder Winter, ein warmes Frühjahr und jetzt ein heißer Sommer – für die Bruten des Borkenkäfers hätte es nicht besser kommen können, für die Waldbesitzer nicht schlechter.

„Bis zu einem gewissen Grad kann sich die Fichte gegen die Eindringlinge verteidigen.“

Guido Zitzelsberger, Förster

 

 

Neben dem Förster sitzt Hubert Schweiger im Auto. Er ist Jäger bei der Leinfelder-Forstverwaltung. Die beiden haben sich zusammen auf den Weg gemacht, um im Wald der Leinfelder-Forstverwaltung die sogenannten Pheromon-Fallen für Buchdrucker und Kupferstecher zu überprüfen. Diese beiden Borkenkäferarten haben es auf einen Baum ganz besonders abgesehen: die Fichte. Schweiger entleert bereits seit über zehn Jahren die Fallen an diesem Standort. Sie liefern Informationen über den Schwärmverlauf und die lokale Dichte der kleinen Krabbeltiere.

Das Prinzip der schwarzen Kästen ist einfach: Mittels eines Lockstoffes werden die Borkenkäfer geködert. Berauscht vom Pheromon purzeln sie in eine Auffangkiste, aus der sie nicht mehr herauskriechen können. Für die Borkenkäferbekämpfung seien diese Fallen jedoch nicht geeignet. Laut Zitzelsberger könne man nämlich nur fünf bis zehn Prozent der lokalen Käferpopulation durch solche Fallen abschöpfen. Ihr Sinn sei ein anderer: Im Jahr 2004 begann die Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) ein landesweites Monitoring für Buchdrucker und Kupferstecher. In Bayern gibt es 300 Fallenstandorte, „jeder von ihnen ist mit vier Fallen ausgestattet, wobei zwei nur den Buchdrucker und die zwei anderen nur den Kupferstecher fangen“, erklärt Zitzelsberger.

Die beiden Waldexperten sind bei den Fallen angekommen. Als Schweiger das schwarze Fach öffnet, in das die Käfer fallen, gibt es eine Überraschung: Der Behälter ist leer. Nur ein paar Armeisen laufen am Boden herum. Auch in den anderen drei Fallen können Zitzelsberger und Schweiger nur sehr wenige Kupferstecher und Buchdrucker zählen. In den Buchdrucker-Fallen krabbeln einmal 40 und einmal 10 Stück, im anderen Kupferstecher-Kasten nur 20. Im Vergleich zu Anfang Juli ist das gar nichts. Zu dieser Zeit tummelten sich bis zu 4000 Borkenkäfer in einem Fallenbehälter.

Können die Waldbesitzer deshalb aufatmen? Das möchte Zitzelsberger nicht so ohne Weiteres bestätigen. „Das kann natürlich auch damit zusammenhängen, dass der Lockstoff in den Fallen langsam zur Neige geht“, vermutet er und deutet auf eine kleine Flasche, die in einer Falle hängt. Und tatsächlich: Die Flüssigkeit ist so gut wie aufgebraucht.

Das bedeutet für Schweiger, dass er den Behälter mit dem Lockstoff austauschen muss. Dass die Fallen so gut wie leer sind, kann allerdings laut Zitzelsberger auch daran liegen, dass die neue Käfergeneration noch nicht ausgeschwärmt ist. In der Regel schwärmen die Käfer zweimal im Jahr. Da die erste und die zweite Ausbreitung wegen der optimalen Witterungsbedingungen jeweils aber um zwei Wochen früher als üblich erfolgt sei, müsse man heuer sogar mit einer dritten Welle rechnen, so Zitzelsberger.

„So schlimm war es noch nie. Man kann durchaus von einerBorkenkäferplage sprechen.“

Guido Zitzelsberger, Förster

 

Doch wie kann ein Tier, das nur einen knappen Zentimeter groß ist, eine solche Gefährdung für den Baumbestand sein? Die Borkenkäfer legen ihre Eier in die Rinden der Bäume. Nachdem die Larven geschlüpft sind, fressen sie sich durch die Saft führenden Schichten. „Bis zu einem gewissen Grad kann sich eine gesunde Fichte gegen die Eindringlinge mit vermehrtem Harzen verteidigen. Irgendwann ist es aber zu spät und der Baum stirbt ab“, so Fachmann Zitzelsberger.

Was viele Waldbesitzer nicht glauben können: Dem Baum sieht der Betrachter oftmals nicht an, dass sich im Inneren bereits ein animalischer Super-GAU abspielt. „Borkenkäferbäume haben meist noch grüne Nadeln, gerade wenn es um Buchdruckerbefall geht“, weiß Andreas Hahn, kommissarischer Bereichsleiter bei dem für den Landkreis Neuburg-Schrobenhausen zuständigen Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Pfaffenhofen. Wieso der Baum noch mit grüner Krone dastehe, ist für den Fachmann leicht zu erklären: „Der Buchdrucker unterbricht die Zuckerzufuhr stammabwärts – und eben nicht die Wasserzufuhr in die Krone.“

Die Borkenkäfer verbreiten sich rasant: Ausgehend von rund 100 Nachkommen pro Buchdruckerweibchen kann dessen Nachkommenschaft bei drei Generationen und mehreren Geschwisterbruten mehr als 100 000 im Jahr betragen. Und das pro Käfer. So ist die Vermutung der Experten der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft. Einige Hundert Schädlinge reichen laut LWF aus, um einer gesunden Fichte den Garaus zu machen.

Ist ein Baum befallen, hilft laut Experte Zitzelsberger nur eins: Fällen und die Bäume mindestens 500 Meter weit aus dem Wald holen. Doch was können Waldbesitzer machen, um das Risiko eines Käferbefalls zu minimieren? Eine Möglichkeit besteht, so Zitzelsberger, darin, Monokulturen zu vermeiden und aus einem Fichtenwald einen Mischwald mit Fichten, Buchen und vielen weiteren Arten zu gestalten. Kurzfristige Abhilfe bietet das zwar nicht, aber es könnte helfen, künftige Borkenkäferinvasionen zu bremsen.

Xenia Schmeizl