Schrobenhausen
Der Erste Weltkrieg begann auch am Hindukusch

Autor Steffen Kopetzky las in Schrobenhausen aus seinem Roman "Risiko" im voll besetzten Pfarrsaal

08.10.2015 | Stand 02.12.2020, 20:42 Uhr

Die Lesung im Pfarrsaal war ein voller Erfolg: Autor Steffen Kopetzky (links) stellte sein Buch „Risiko“ vor und Florian Erdle moderierte den Abend. - Foto: mbs

Schrobenhausen (mbs) Als im Frühjahr 2015 der Roman „Risiko“ von Steffen Kopetzky erschien, horchten die Feuilletonisten aller großen Medien in der Bundesrepublik auf. Sie hatten einiges dran zu beißen, nicht weil das Werk 727 Seiten stark ist, sondern wegen einer inhaltlich nicht ganz einfachen Vorlage.

Dann zollten sie dem Buch und dem Autor höchsten Respekt. Nun las Steffen Kopetzky, der schon vor dem großen Roman „Risiko“ zur oberen Kategorie der zeitgenössischen deutschen Schriftsteller zählte, in Schrobenhausen.

Schon vor Beginn der Lesung im Pfarrsaal war zu erkennen: Der Name zieht. Selten hatte Herbert Götz, Leiter der Katholischen öffentlichen Bücherei, so viele Zuhörer vor sich. Doch eine Lesung im üblichen Sinne – ein Kapitel aus dem Text, dann Signierstunde – macht bei „Risiko“ keinen Sinn. Zusammen mit Moderator Florian Erdle gab Steffen Kopetzky einen Aufriss des historischen Hintergrunds der Romanhandlung. „Zehn Jahre Vorarbeit,“ so Erdle, habe Steffen Kopetzky auf das Studium der Fakten, für Archivarbeit und Reisen aufgewendet. Ganz allmählich haben sich die Fakten aufgefächert, die Spannungen um 1900 zwischen den Mächten, die Eifersüchteleien Deutschlands gegenüber dem britischen Empire, und es wird sichtbar, wie sich auch weitab von Europa Anlässe für den Ersten Weltkrieg aufgebaut haben.

Kopetzky hat sich tief in die Zusammenhänge eingearbeitet, lernte die ganze politische Gesellschaft der damaligen Zeit kennen, die in Berlin feststellte, dass Ägypten und Indien die Achillesferse des britischen Empires seien. Und dass man die Engländer daher an der Grenze zwischen Afghanistan und Indien entscheidend treffen könnte. So realisierte man die Idee, sich den Islam zunutze zu machen; eine deutsche Expedition nach Kabul verfolgte das Ziel, mit Hilfe der Afghanen den Dschihad, einen heiligen Krieg, gegen die Engländer anzuzetteln.

So weit so historisch. Um dieser Wirklichkeit möglichst nahezukommen, brauchte der Autor einen Protagonisten, in dem sich der Ablauf kristallisiert; hier ist der Marinefunker Sebastian Stichnote der Held, der die Geschichte zu tragen hat. Die fiktive Figur Stichnotes bewegt sich inmitten der historisch belegten Personen und Vorgängen.

Der Titel „Risiko“ leitet sich von einem Strategiespiel her, angespielt auf die Strategie der handelnden Personen und ihrer Ideengeber im Vorfeld des Ersten Weltkriegs. Im Verlauf der langen Geschichte spielen auch Liebe und Tod, Verrat und Intrige und Hass ihre Rollen, und Kopetzky gesteht: „Für einen Autor ist es ein Vergnügen, über Geheimdienste und Doppelagenten schreiben zu können, nichts ist bunter als die Wirklichkeit.“ Kopetzky las drei Passagen aus dem Buch, erst den Prolog, die geradezu poetische Darstellung einer Jagd in den Bergen Afghanistans – winterlich, der Mond über der Szene und ein Falke –, eine Episode, die sich erst spät in der Geschichte abspielt. Der nächste Abschnitt beschrieb die Beschießung der russischen Küstenstadt Noworosisk durch einen deutschen Kreuzer, der seit Beginn des Weltkriegs unter türkischer Flagge fuhr. Auch diesen Sachverhalt, die Übergabe der beiden deutschen Kriegsschiffe Goeben und Breslau an die Türken stellten Kopetzky und Erdle im Zusammenhang dar.

Schließlich folgten ein Statement aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg über die deutsche Haltung zum britischen Empire und zu Afghanistan, Zitate aus einem originalen Zeitdokument, einer Denkschrift, die Kopetzky zu einer Rede in einem Berliner Salon umgestaltete. Kurz kam der Autor auf die eigenartige Beziehung zwischen Deutschland und Afghanistan und ihre Wirkung bis in die heutige Zeit zu sprechen, und beendete die Lesung mit Theodor Fontane, der schon 1858 „Das Trauerspiel von Afghanistan“ in Verse gefasst hat.