Schrobenhausen
Chef im 60-Tonner

Timo Merkl ist Triebwagenführer Der 29-Jährige steuert die Züge auf der Paartalbahn

24.08.2016 | Stand 02.12.2020, 19:23 Uhr

Timo Merkl sitzt seit genau einem Jahr für die Bayerische Regiobahn am Steuer. Zuvor war er Fahrkartenkontrolleur. - Foto: Lautenbacher

Schrobenhausen (SZ) Lukas der Lokomotivführer ist so stark, dass er aus einer Eisenstange eine Schleife binden kann, und sein Hobby ist Kunstspucken. Timo der Triebwagenführer ist dank viel Sport auch ziemlich stark, begnügt sich in seiner Freizeit aber mit gängigeren Beschäftigungen wie Fußballspielen, Radfahren, Schwimmen und in die Berge gehen.

Sein bevorzugtes Fortbewegungsgerät: der Zug. Kein Wunder - er lenkt ihn selbst.

Früher ist Timo Merkl nur mitgefahren. Vor sieben Jahren hat er als Zugbegleiter bei der Bayerischen Regiobahn angefangen, die unter anderem die Strecke zwischen Ingolstadt und Augsburg fährt. Davor arbeitete der heute 29-Jährige als Bürokaufmann, "aber das war mir zu langweilig". Nach fünf Jahren Fahrkartenkontrolle suchte er nach mehr Herausforderung - und fand sie. Neun Monate ließ er sich ausbilden, seit einem Jahr sitzt er im Zug am Steuer. Triebwagenführer lautet seine korrekte Berufsbezeichnung.

Dafür muss viel Technik gepaukt werden, denn unterwegs ist der Triebwagenführer auch der erste, der sich um etwaige Defekte kümmern muss. Wobei das manchmal weniger Werkstatt- als Bürocharakter hat: Manchmal hilft ein Neustart des Zugs, der ähnlich wie ein PC erneut hochgefahren wird. Allerdings dauert das sechs Minuten. Freilich gibt es für komplizierte Fälle eigene Experten.

Bis zu 120 Stundenkilometer kann der Zug erreichen, der leer fast 60 Tonnen wiegt. "Ein knapper Kilometer Bremsweg kann da schon zusammenkommen." Das eigentliche Fahren des Zugs beschreibt Timo Merkl als den leichtesten Teil der Arbeit. Die größte Herausforderung ist die permanente Konzentration: Liegt etwas auf den Gleisen oder knapp daneben, wie stehen die Signale, sind die Schranken geschlossen? Nonstop scannt der Blick die Umgebung des Zugs. Die Technik übernimmt viele Sicherheitsfunktionen selbst. Und während sie die Fahrt überwacht, überwacht sie auch den Fahrer. Da ist zum Beispiel die Sicherheitsfahrschaltung. Dabei handelt es sich um ein Pedal, das Timo Merkl alle 30 Sekunden loslassen und dann wieder drücken muss. Tut er es nicht, gibt es ein Lichtzeichen, um ihn zu erinnern, dann ein akustisches Signal. Würde er darauf nicht reagieren, ginge die Technik davon aus, dass der Triebwagenführer gerade nicht handlungsfähig ist, und würde den Zug automatisch nach und nach bis zum Stillstand abbremsen. Dem nicht genug. Es gibt noch eine weitere Überwachung, die sich auf bestimmte Streckenabschnitte bezieht (PZB - punktförmige Zugbeeinflussung). Sie prüft zum Beispiel, ob der Steuermann ein Signal gesehen hat oder Geschwindigkeiten einhält. Anlagen am Gleis übermitteln dafür Signale an den Zug, woraufhin der Fahrer eine Wachsamkeitstaste drücken muss. Auch hier kann bei Unterlassung eine Zwangsbremsung ausgelöst werden.

Trotz all der Technik, der Sicherheitsvorkehrungen und der Überwachung der Strecke mit Argusaugen bleibt Zeit für einen der schönsten Aspekte des Jobs: "Es ist toll, die Landschaft im Wandel der Jahreszeiten zu beobachten, den Landwirten zuzusehen oder Tag für Tag mitzuerleben, wie Häuser entlang der Strecke wachsen." Und auch wenn Timo Merkl, der mit seiner aus Schmiechen stammenden Frau in Augsburg lebt, heute weniger Kontakt zu den Reisenden hat als früher, gibt es in den Pausen immer noch genug Möglichkeiten, mit dem Triebwagenführer ins Gespräch zu kommen. Der ist manchmal sehr überrascht, wie viele Passagiere genau wissen, wer sie auf der Paartalbahn von A nach B bringt.