Schrobenhausen
Botschaften an Verstorbene

Schon 800 Kinder beteiligen sich am Liebensbriefe-Projekt

19.09.2014 | Stand 02.12.2020, 22:13 Uhr

Sie bewegen sich mit dem Wind, erzeugen sanfte, kaum hörbare Geräusche und entwickeln dadurch ihre ganz eigene Ästhetik: die von Kindern gestalteten Liebensbriefe an verstorbene Menschen und Tiere (l.). Kunstpädagogin Marielle Seitz (r.) steckt hinter dem Projekt. - Fotos: kx

Schrobenhausen (SZ) Wahrlich keine einfache Thematik, an die sich Marielle Seitz herangewagt hat: Kinder und das Thema Tod. Derzeit bereitet die Münchner Kunstpädagogin die Ausstellung Liebensbriefe am Pflegschloss vor, mit Briefen und Botschaften, die Kinder für verstorbene Menschen oder Tiere gestalten.

Noch können sich weitere Einrichtungen an dem Projekt beteiligen.

Welche Fragen beschäftigen Kinder zum Thema Tod? Welche Ängste oder Hoffnungen verbinden sie damit? Mit dem interreligiösen Kunstprojekt Liebensbriefe – einer Non-Profit-Initiative in Zusammenarbeit mit dem Institut für Kreativität und Pädagogik und der Jesuitenkirche St. Michael München – möchte Marielle Seitz das Thema Tod in die Gesellschaft bringen. Ohne pädagogischen Druck oder Konkurrenzdenken lassen Kinder dabei an ihrem Seelenleben teilhaben. Sie zeichnen und schreiben mit weißem Stift auf eine Spezialfolie, die für blinde Menschen entwickelt wurde. Die dadurch entstehenden Spuren lassen sich anschließend auch ertasten. Was dabei entsteht, sind besonders feine, ästhetische Bilder auf durchsichtigem Hintergrund; eine Art Raum-, Klang- und Windskulptur, die mit den Elementen der Natur spielt. „Die Transparenz der Zeichnungen vermittelt Spiritualität“, erklärt Marielle Seitz. „Die Kinder können ihre Gedanken mit den vom Wind bewegten Blättern auf eine Reise schicken.“

Vom inhaltlichen Reichtum, den Gedanken, die Kinder im Rahmen des Liebensbriefe-Projektes niederschreiben, ist selbst die erfahrene Kunstpädagogin, die in München ein Institut für Kreativität und Pädagogik betreibt, oft überrascht: Ein Kind, das sich bei der Maus entschuldigt, die von der eigenen Katze getötet wurde; oder: „Du dummes Reh, warum bist du auf die Straße gelaufen“, mit Tannenbäumchen draufgezeichnet – zwei Beispiele von vielen, die verdeutlichen, was Kindern zum Thema Tod durch den Kopf geht. „Das Zeichnen der Liebensbriefe ist auch eine sinnliche und sinnvolle Kommunikation zwischen Kindern und verstorbenen Menschen und Tieren“, ist Marielle Seitz überzeugt.

Im vergangenen Jahr hat sie die Ausstellung zum ersten Mal auf dem Obermenzinger Friedhof in München injiziert. Mit dabei waren damals auch Arbeiten von Mühlrieder Grundschülern. So entstand der Gedanke, die Ausstellung in diesem Jahr auch in Schrobenhausen auf die Beine zu stellen.

Jede Menge positive Rückmeldungen hat Marielle Seitz im vergangenen Jahr erhalten. Viele auch von Lehrern, die mit ihren Schülern am Projekt teilnahmen. „Viele sagten, dass sie ihre Klasse auf eine Art und Weise kennengelernt haben wie noch nie und sie eine ganz neue Beziehung zu den Kindern gekriegt haben“, erzählt Marielle Seitz. Es brauche gar nicht so viel Zeit, eine Unterrichtsstunde reiche im Grunde, um die Liebensbriefe zu zeichnen und zu schreiben. „Die Liebensbriefe sind eine relativ spontane Sache und das soll auch so sein“, sagt Marielle Seitz, „ja nicht didaktisch vorbereiten, denn dann wird’s verkrampft.“

Rund 800 Anmeldungen gibt es in Schrobenhausen bislang. Beide Grundschulen sind dabei, das Gymnasium mit seinen fünften Klassen sowie der Taka-Tuka-Land- und der Heilig-Geist-Kindergarten und die Edelshausener Kindertagesstätte Sankt Mauritius. „Es wäre natürlich schön, wenn noch weitere Einrichtungen zum Mitmachen motiviert werden könnten“, sagt Marielle Seitz. Für die Kleinsten gebe es sogar ein eigenes Areal im Pflegschloss – auf Augenhöhe, erzählt sie.

Material und Infos können bei Andrea Koch, die mit der Mühlrieder Grundschule ebenfalls am Projekt teilnimmt, abgeholt werden. Bis 10. Oktober sollten die Liebensbriefe fertig sein, bevor die Ausstellung dann am 23. Oktober im Pflegschloss eröffnet wird.

Ein paar Tage vorher wird am Pflegschloss mit der Hängung der Liebensbriefe begonnen. Für Auf- und Abbau sucht Marielle Seitz noch ein paar freiwillige Helfer, die sich dazu ebenfalls mit Andrea Koch von der Mühlrieder Grundschule, Telefon (0 82 52) 72 55, in Verbindung setzen können.