Schrobenhausen
Per Wlan zu Gott

Die Maria-Ward-Mädchenrealschule ist mit ihrer technischen Ausstattung auf dem neuesten Stand

25.08.2016 | Stand 02.12.2020, 19:23 Uhr

Christian "Lucy" Lucya verbringt viel Zeit im Internet: Für den Jugendseelsorger sind die Neuen Medien ein praktisches Werkzeug, um Kontakt mit Schülern zu halten. Doch auch wenn es dabei immer wieder zu spirituellen Momenten kommt, braucht Jugendarbeit vor allem feste Orte und persönliche Begegnungen, ist der 45-Jährige überzeugt. - Fotos: Schneider

Schrobenhausen (SZ) Als "Mittel zum Zweck" nutzt der 45-jährige Diplompädagoge Christian Lucya die Neuen Medien für seine Arbeit in der Oase Steinerskirchen, dem Bildungshaus der Herz-Jesu-Missionare. Der Jugendseelsorger, den die Schüler nur "Lucy" nennen, begleitet seine Jugendlichen mittlerweile auch online.

Trotzdem ist er sich sicher: Spiritualität findet vor allem statt, wenn Menschen aufeinandertreffen. Bei seinen Orientierungstagen für Schüler hilft er den Jugendlichen deswegen auch dabei, mal ganz ohne Internet auszukommen - mit Erfolg.

 

Für Sie als Jugendarbeiter: Ging es irgendwann nicht mehr ohne Facebook?

Christian Lucya: Ja. Und demnächst werde ich sicher auch irgendetwas mit Whatsapp machen müssen. Du musst dahin gehen, wo die Jugendlichen sind. Da geht es aber nicht darum, ihnen hinterherzulaufen nach dem Motto: Ihr seid Jugendliche, euch brauchen wir. Ich renne auch nicht durch die Gegend und suche Pokémon. Bei Facebook schätze ich vor allem die Vernetzungsmöglichkeit - obwohl ich die Datensicherheit schon kritisch sehe.

 

Wie kommt der Kontakt zustande?

Lucya: Am Anfang steht immer eine persönliche Begegnung und die wird dann gehalten und verfeinert über Facebook. Mit manchen schreibe ich häufiger, mit anderen seltener. Ich will das nicht aufdringlich machen. Es ist ein Angebot, um Leute anzustupsen. Das geht leichter, als jemandem die Handynummer zu geben und zu sagen: Rühr dich doch.

 

Wie viel Zeit verbringen Sie mit Facebook?

Lucya: Ich bin schon in der Woche einige Stunden drauf. Manchmal chatte ich mit mehr als fünf Leuten gleichzeitig. Es geht nicht ums Wetter, sondern um Entscheidungsfragen in Sachen Schule und Beruf, um familiäre Krisen oder auch um Beziehungssachen. Ich begleite die jungen Erwachsenen. Und dafür sind die Neuen Medien ein guter Anker.

 

Welche Grenzen gibt es da?

Lucya: Es gibt einen bestimmten Punkt, an dem ich sage: Hör auf zu schreiben und komm lieber vorbei zum Gespräch. Vorm Haus auf der Bank oder bei einem Kaffee zu reden, ist immer die praktikabelste Lösung. Oder man kommt zu den "Freistunden", einer monatlichen Jugendvesper. Danach ist immer der Ratsch im Bistro, da kann man einfach hingehen. Ich könnte mir kein reines Onlineangebot vorstellen, bei dem ich den Lebensberater aus Steinerskirchen mache. Das Gefühl, das man bei uns in der Oase hat, finde ich für Seelsorge ganz wichtig.

 

Was hat denn das persönliche Gespräch für Vorzüge?

Lucya: Ich sehe Mimik, ich sehe Körpersprache. Und genauso kann ich selbst mit Körpersprache arbeiten. Ich vermute, die Leute können vor allem deswegen mit mir ein gutes Gespräch auf Facebook haben, weil sie mich vorher kennengelernt haben.

 

Verändern die Neuen Medien die Schüler?

Lucya: Bei den Gymnasiasten und Realschülern, die wir hier vor allem haben, hat sich eine Schere ausgeprägt. Die Leute sind auf der einen Seite angepasster und zu wenig revolutionär. Die Freiheitswelt hat sich auf der anderen Seite ins Virtuelle verlagert, wo man scheinbar alles kann. Ich kenne viele, die sitzen vielleicht zu oft vorm Computer. Aber dann haben sie auf einmal Kontakte nach Australien und chatten auf Englisch mit einem ehemaligen Austauschschüler.

 

Kann man Jugendliche als Seelsorger denn beeinflussen, ihren Medienkonsum zu reflektieren?

Lucya: Unser Vorteil in der Oase ist, dass man bei uns einfach einen schlechten Handyempfang hat. Wenn wir das den Jugendlichen sagen, ist das ein provokativer Moment, wir schubsen sie aus ihrem Alltag. Du musst die Unsicherheiten dann auffangen. Wenn die Jugendlichen an den Orientierungstagen keine Langeweile haben, ist auch der Zwang weg, ins Internet zu gehen. In dem Moment, wo ein Jugendlicher etwas Gutes erlebt, kann er abschalten - im wahrsten Sinne des Wortes.

 

Hört sich schwierig an.

Lucya: Ständig etwas zu posten steht ja für: Ich bin wichtig, stimmt's? Dass sie wichtig sind, bekommen die Schüler von mir schon signalisiert. Die Wellenlänge zu den Schülern muss stimmen, man braucht eine andere gute Funkverbindung.

 

Wie reagieren die Jugendlichen denn auf den Handyentzug?

Lucya: Viele sind positiv überrascht. Mein Kollege hat von einer Schülerin erzählt, die bei der Abschlussrunde der Orientierungstage gesagt hat: Es hat mir überhaupt nichts ausgemacht, dass ich keinen Handyempfang hatte. Das war total spitze! Dann hat sie kurz gestockt und ergänzt: Das muss ich sofort posten, wenn ich daheim bin.

 

Was hat das Ganze mit Spiritualität zu tun?

Lucya: Der christlich-spirituelle Hintergrund gehört einfach dazu, das muss ich nicht wie eine Fahne vor mir hertragen. Der spirituelle Moment findet ganz viel in der Begegnung statt. Wir heißen Oase, weil man bei uns raus aus dem Wüstenalltag kommt. Du kannst bei uns Kraft schöpfen, auch in Glaubensdingen.

 

Das hört sich an, als könnte Spiritualität online eher nicht stattfinden.

Lucya: Umsetzen kann ich im Internet den Dialog, der auch wichtig ist, aber für ein spirituelles Highlight ist Facebook kein Ort. Gute Jugendarbeit braucht Orte und Personen. Eine dieser Personen bin ich und ich biete in Steinerskirchen einen Ort an. Den virtuellen Ort Facebook nutze ich eher zusätzlich.

 

Das Gespräch führte

Annika Schneider