Schrobenhausen
Kuhwellness auf dem Bauernhof

Die Maria-Ward-Mädchenrealschule ist mit ihrer technischen Ausstattung auf dem neuesten Stand

18.08.2016 | Stand 02.12.2020, 19:24 Uhr

So sieht es aus, wenn eine Kuh den Zugang zum Melkroboter bekommen hat.

Schrobenhausen (SZ) Die Digitalisierung macht auch vor der Welt der Tiere nicht Halt. Familie Esch betreibt in Langenmosen einen digitalisierten Bauernhof.

Da dürfte selbst die NSA vor Neid erblassen: Kameras, Antennen, Monitore. 24-Stunden-Echtzeit-Überwachung. Es geht um nichts Geringeres als um sicherheitspolitische Aspekte. Etwa diesen: Wann es denn bei Kuh Nummer 368 endlich so weit ist! Rund um die Uhr werden die Kühe auf dem Langenmosener Hof der Familie Esch sozusagen "bespitzelt". Aus der Ruhe bringt sie das allerdings nicht.

Zwei Kameras zeigen, was im Stall gerade los ist. Eine davon mit Fokus auf die Abkalbebucht, in denen die Kälbchen das Licht der Welt erblicken. Bei der Arbeit auf dem Feld, beim Erledigen des Bürokrams oder sogar im Bett - wo auch immer sich Martin Esch gerade aufhält: Mit dem Handy ist er immer live dabei, sieht, was das liebe Vieh im Stall gerade anstellt. Etwa, wer sich gerade Richtung Melkroboter aufmacht. Auch der: kameraüberwacht. "Man sieht, was sich drinnen abspielt", sagt Martin Esch. Ungefähr acht Minuten dauert ein Melkvorgang. 61 seiner rund 70 Kühe liefen derzeit über den Roboter, erzählt er - die, die innerhalb der nächsten Wochen ihre Kälbchen zur Welt bringen, freilich nicht. Der Melkroboter kann zwei Kühen gleichzeitig ihre Milch abzapfen. Weshalb die sich freiwillig in das riesige Gerät begeben, hat einen simplen Grund. Es ist sozusagen die "süße Versuchung", die sie anlockt: das Kraftfutter, dessen optimale Dosis der Roboter für jede Kuh individuell berechnet.

Je nach Milchleistung wird den Rindern das sogenannte Melkanrecht zugeteilt. Das alles läuft über den Responder, den jedes der Tiere am Fuß trägt. Durch ihn weiß der Roboter, welche Kuh da gerade anmarschiert kommt und öffnet das Tor - oder eben nicht. Dass sich sozusagen die falsche Kuh, ohne Melkanrecht, in den Melkroboter mogelt, sei also gar nicht möglich, versichert Martin Esch.

Digital erfasst das Gerät darüber hinaus verschiedenste Daten wie Menge und Qualität der Milch und ob die Milchmenge, die das jeweilige Tier hätte liefern müssen, auch tatsächlich geliefert wurde - ablesen kann Martin Esch das alles am Monitor gleich neben dem Roboter im Stall.

Auch, wann eine Kuh gedeckt wurde, wann sie gekalbt hat oder wann sie trocken stellen braucht, ist im Computersystem gespeichert.

Rund um die Uhr ist der Melkroboter in Betrieb. Morgens zwischen 4 und 6 Uhr sei in der Regel Ruhe, erzählt Martin Esch. "Zwischen sieben und zehn gibt's dann den großen Ansturm, mittags ist ein Durchhänger, nachmittags wieder mehr los, und zwischen 21 Uhr und Mitternacht herrscht Vollbetrieb." Kein großes Thema sei übrigens das Saubermachen des Melkroboters. Zweimal täglich reinigt der sich automatisch. Nach jeder Kuh gibt's eine Zwischendesinfektion.

Auch die Aktivitätsüberwachung liefert Martin Esch wichtige Erkenntnisse aus seinem Stall: Läuft eine Kuh besonders viel, ist sie vielleicht brünstig - läuft eine zu wenig, ist eventuell irgendetwas nicht in Ordnung. Automatisch wird dann ein entsprechender Merker für den Gesundheitsstatus gesetzt. Auch auf all jene Daten kann Martin Esch mittels App auf seinem Handy zugreifen. Selbst wenn der Milchwagen auf den Hof einbiegt, bimmelt das Handy.

Pi mal Daumen 1400 bis 1500 Liter Milch produzierten seine Kühe täglich, erzählt Martin Esch. "Die Besten bringen es schon mal auf 40, 45 Liter." Die übrigens seien die unauffälligsten Tiere. Denn charakterlich gebe es riesige Unterschiede. Anders als die jungen, bei denen die Namen durch Nummern ersetzt wurden, haben die älteren Tiere noch richtige Namen. "Ich kenne sie alle", versichert Martin Eschs Mutter Zenta Esch: die Valentina, die Katharina, die Hanna oder die alte Flecki. "Die einen sind neugieriger, die anderen freundlicher." Dann gebe es welche, die sich gern berühren lassen - andere möchten am liebsten ihre Ruhe haben.

Und jede hat so ihren eigenen Rhythmus. Dem können die Kühe - trotz oder gerade wegen all der Überwachung - im hochmodernen, übrigens tageslichtdurchfluteten Stall, auch frönen. "Die können fressen, wann sie wollen; können melken gehen, wann sie wollen; sich hinlegen, wann sie wollen; marschieren, wann sie wollen", zählt Zenta Esch auf.

Und dann gibt es noch einen besonderen Ort im Stall, der bei den Tieren ganz besonders gut ankommt: die Bürste. Optisch gleicht die einer kleinen Autowaschanlage, in Betrieb ist sie den ganzen Tag. Eine Runde Kraulen, Massieren, Bürsten, das lieben seine Tiere, versichert Martin Esch.

Besonders nett zu beobachten sei immer, wenn eine Kuh neu in den Stall komme. "Die geht erst mal eine halbe Stunde zur Bürste und lässt sich vom Kopf bis zum Hintern abrubbeln". So gut kommt das Teil an, dass er sogar überlegt, noch eine zweite Bürste anzuschaffen.

Wie ist er überhaupt auf die Idee gekommen, den Hof ins digitale Zeitalter mitzunehmen? "Der Gedanke war irgendwann: Machen wir weiter oder hören wir auf", sagt Martin Esch. Wobei das für seine Mutter nicht unbedingt die große Frage war: "Martin ist durch und durch Bauer", ist sie überzeugt. Das war er immer schon. Das mit der Ausbildung zum Kfz-Meister zuvor, das sei eigentlich nicht das Seine gewesen - wenngleich ihm die jetzt beim Umgang mit all der Technik natürlich enorm zugutekomme.

Auch Zenta Esch ist von der Modernisierungskur, die ihr Sohn dem Hof verpasst hat, begeistert. "Eine enorme Erleichterung", schwärmt sie "es gibt viel mehr Lebensqualität, ein Unterschied wie Tag und Nacht." Was vor allem guttut, ist die Zeitersparnis. "Früher habe ich täglich bis zu drei Stunden pro Mahlzeit gemolken. Jetzt brauchen wir gar nicht mehr zu melken", freut sie sich. Aus den vormals sechs, sieben Stunden, die sie täglich im Stall werkelte, sind jetzt vielleicht noch drei geworden. Mal ein bisschen länger auf einer Geburtstagsfeier bleiben, auch mal ein paar Tage wegfahren, das alles geht heute viel einfacher.

Über Nacht kam die Technisierung auch in der Landwirtschaft nicht. Längst schon ist reine Handarbeit auf den Höfen passé. Beispielsweise habe heute jeder eine Absauganlage, ist Martin Esch überzeugt. "Mit der Hand macht das keiner mehr." Die ist jedoch bei Weitem nicht so praktisch wie der Melkroboter. Schließlich müsse man da jede Kuh selber mit der Hand anstecken, erzählt Zenta Esch.

Billig ist das alles nicht. Aber Martin Esch ist überzeugt: Es rechnet sich. Auch wenn die Arbeitszeiten mitunter ziemlich variieren, es auch heute noch vorkommt, dass mal eine 60-, 70-Stunden-Woche ansteht - schließlich will auch noch das Land für den Futterbau bewirtschaftet sein: Er liebt die Landwirtschaft, würde kein anderes Leben führen wollen, sagt er mit dem Brustton der Überzeugung. Sofort würde er auch diesen hochmodernen Stall - seit Juni vergangenen Jahres ist er in Betrieb - wieder bauen.

Und irgendwann sei bestimmt auch der Durchhänger beim Milchpreis überstanden, hoffen die Eschs - sie denken nicht daran, ihren Optimismus aufzugeben. Was ihn als 30-Jährigen denn so sehr an der Landwirtschaft fasziniert? Da fackelt Martin Esch nicht lange: "das Gesamtpaket."