Schrobenhausen
Auf dem Sprung nach England

Hot Lips legen im Herzoganger ihr letztes Konzert vor der Silver-Streak-Tour hin

27.02.2015 | Stand 02.12.2020, 21:36 Uhr

 

Schrobenhausen (SZ) Start der England-Tour oder Generalprobe – ganz genau wissen die Hot Lips wohl selbst nicht, wie sie ihren Auftritt im Herzoganger betiteln sollen. Fakt ist jedoch: Es ist der letzte Auftritt, bevor es tags darauf gen England geht.

Mit dem Wohnmobil. Zu sechst.

Das geht nur deshalb, weil sie sich richtig gut verstehen. 25 Jahre lang in gleicher Besetzung musizieren – das ist eine Bilanz, die nicht viele Bands vorweisen können. „Wir haben uns anfangs ein einziges Mal in die Wolle gekriegt, seither nie wieder“, erzählt Posaunist Hannes Eickhorst.

Dennoch: Gut siehts ja für London nicht gerade aus. Zumindest, wenn man der alten Künstlerlogik folgt, die da besagt: Je schlechter die Generalprobe, umso besser der Auftritt. Denn im Herzoganger lief es richtig gut – sieht man mal davon ab, dass die Jungs ihre Anlage vergessen hatten. Hätten sie das nicht erzählt – aufgefallen wäre das wohl keinem. Musikalisch nicht, und dass Banjo-Spieler Wolfgang E. Ott mit Megafon moderiert, hätte ja auch eine charmante neue Idee sein können. Repertoiremäßig ist bei den Hot Lips kein roter Faden erkennbar und das ist ziemlich erfrischend. Denn so bekommt das Publikum einen Mix zu hören, der über das Repertoire anderer Dixiebands hinausgeht. Da gibt es die langsamen Schieber, von Drummer Heini Buckenmaier fein mit Besen untermalt, ebenso wie die flotten Nummern. Dazwischen auch mal eine ganz eigenwillige Interpretation von Bob Dylans „Blowin' in the Wind“. Die ist ja geradezu Pflicht, war man schließlich erst kürzlich beim Tollwood-Festival gemeinsam mit Dylan auf einem Plakat verewigt. Arrangiert werden die Songs übrigens von Sänger und Trompeter Michael Etzel. Der ist recht kreativ am Werk, schmuggelt auch mal eine Beatles-Nummer in einen Song. Und sogar Elvis steht auf der Playlist. Zu doof nur, dass sich Michael Etzels Elvis-Kostüm in der Anlage befindet. Und die ist ja bekanntlich nicht da. Doch der Elvis-Song klappt auch ohne Kostümierung wunderbar. Mindestens genauso gut wie die Jungs auf der Bühne sind die gut drei Dutzend Leute im Publikum drauf, applaudieren nach jedem einzelnen Solo. Etwa bei Bob Strauß, der immer wieder zwischen Klarinette und Saxofon wechselt. Für jeden der Musiker gibt es im Lauf des Abends ein speziell auf sein Instrument zugeschnittenes Stück, in das sich derjenige dann noch mal eine Ecke stärker reinhängt als ohnehin schon. Am auffälligsten ist das bei Bassist Otmar Dicker, der sich anfangs dezent im Hintergrund hält, bei „seinem“ Song dann aber richtig abgeht, klampft und singt als ginge es ums nackte Überleben, „Japadap!“.

In England ist dies üblich, die Engländer mögen jenes nicht – offensichtlich ist an diesem Abend, wie sehr sich die sechs sympathischen Musiker im England-Fieber befinden. Deshalb wolle man sich auch komplett in einen englischen Club hineindenken, erklären sie. Und so gibts mit einem Raffle sogar noch eine Verlosung englischer Art.

204 Titel haben die Hot Lips im Programm. Nach drei Stunden entsteht der Eindruck: Die haben sie auch wirklich alle gespielt – ganz zur Freude des Publikums. Das könnte sich wohl sogar noch die eine oder andere Zugabe vorstellen. Die aber seien in England nicht üblich, erzählt Wolfgang E. Ott. Da wolle man schon konsequent sein. Und so ist nach einem Louis-Armstrong-Song endgültig Schluss. „When it's sleepytime“ – in Schrobenhausen.