Pöttmes
Die volle Katastrophe

Bei einer Großübung haben es 300 Rettungskräfte mit einem abgestürzten Flugzeug und einem Brand in der Schule zu tun

07.11.2017 | Stand 02.12.2020, 17:15 Uhr

In Selbstmordabsicht war der Pilot laut der Vorgabe für die Katastrophenschutzübung in Mühlhausen gestartet und in Pöttmes in die Schule geflogen. - Foto: Erich Hoffmann

Pöttmes (SZ) Nebelschwaden zogen über das Pöttmeser Land als früh am Morgen um 7.04 Uhr der Notruf "Kleinflugzeug im nördlichen Bereich von Pöttmes abgestürzt" von der integrierten Rettungsleitstelle in Augsburg an die Rettungskräfte im nördlichen Teil des Landkreises Aichach-Friedberg abgesetzt wurde. Damit begann eine große Katastrophenschutzübung, an der insgesamt rund 300 Rettungskräfte aus der Region beteiligt waren.

So sah das Szenario aus: Ein Pilot war auf dem Flugplatz in Augsburg-Mühlhausen mit Selbstmordabsichten gestartet und hatte ein größere Menge Pflanzenschutzmittel an Bord. Wenig später streifte er mit dem Rumpf seines Flugzeuges das Dach des Caritas-Pflegeheims Sankt Hildegard in Pöttmes und prallte anschließend in die Giebelwand der Hauptschule, wo das Wrack vor dem Haupteingang liegenblieb.

Dem nicht genug: Durch den Aufprall entstand ein Vollbrand mit starker Rauchentwicklung, der auch auf das Dach der Schule übergriff. Es herrschte akute Explosionsgefahr, weil vor der Schule ein Tankzug der Firma Eitelhuber stand, der gerade die Heizöltanks befüllte. Der Tankwagen hatte zusätzlich einen Anhänger dabei, der mit Benzin beladen war. Eine Tragfläche des Kleinflugzeugs hatte beim Absturz beide Tanks beschädigt, so dass mehrere tausend Liter Heizöl und Benzin ausliefen. Eine nicht bekannte Menge des Treibstoffs versickerte im Erdreich, der Rest floss in die Kanalisation. Mehrere Personen der Marktgemeinde meldeten starken Benzingeruch, weshalb das ganze Kanalnetz von Pöttmes bis hin zur Kläranlage überprüft werden musste.

Auch in der Schule wurde starker Benzingeruch wahrgenommen, das ausgelaufene Benzin lief über die Lichtschächte in den Keller und verursachte ein explosives Gemisch. Zu allem Übel fiel dann auch noch in weiten Teilen der Gemeinde der Strom aus. Personen blieben in den Aufzügen des Bürger- und Sozialzentrums stecken. Die Bewohner des Seniorenheims mussten mittelfristig evakuiert werden. In der Schule befanden sich außerdem drei Schulklassen, die die anstehende Weihnachtsfeier vorbereiteten.

Die Schüler zweier Klassen waren in ihren Klassenzimmern eingeschlossen und konnten nur über die Drehleiter der Feuerwehr gerettet werden. Die dritte Klasse konnte zum Teil fliehen, wobei einige Schüler vermisst wurden.

Eine Übung in dieser Größenordnung gibt es im Landkreis nur alle sechs Jahre. Damit wird nicht nur jeder Einzelfall trainiert, sondern vor allem auch das Zusammenspiel der Rettungskräfte in der Region. Kommunikationswege, Schnittstellen, Vernetzung - das alles muss im Ernstfall klappen. 300 Rettungskräfte der Feuerwehren aus Aichach, Pöttmes, Schorn, Wiesenbach, Handzell, Gundelsdorf, Pichl-Binnenbach, Aindling, Hollenbach, Inchenhofen, Ebenried, Kühnhausen, Osterzhausen und Schnellmannskreuth, die Helfer des Roten Kreuzes, des Malteser Hilfedienstes, des Technischen Hilfswerks, der Polizei und der Notfallseelsorge waren über fünf Stunden im Einsatz. Die Gesamtleitung der Großübung lag bei Kreisbrandrat Christian Happach und seinen beiden Inspektoren Franz Hörmann und Klaus Hartwig. Das Rettungstrio koordinierte mit den Mitarbeitern des zuständigen Sachgebiets des Landratsamts alle Aufgaben der Ernstfallübung, die auch von Vertretern der Regierung von Schwaben überwacht wurde. 60 Jugendfeuerwehrmitglieder spielten die Schüler und die weiteren Verletzten. Eine ganze Reihe von Senioren des Pflegeheims Sankt Hildegard ließen ihr Frühstück mit ihren Pflegern für die Übung stehen und folgten den Anweisungen der Atemschutzretter der Feuerwehr: Sie mussten über das Treppenhaus ins Freie gehen, wo sie von den Mitarbeitern des BRK nach Aufnahme der Personalien in sichere Gefilde gebracht wurden.

Landrat Klaus Metzger war ständiger Beobachter. Er dankte allen Helfern, die ihre Freizeit für die Übung geopfert haben: "Ihr habt das ganz hervorragend gemacht". Die Zusammenarbeit aller Rettungs- und Fachdienste habe geklappt, ebenso die Kommunikation, lautete sein Resümee. Er gratulierte dem neuen Kreisbrandrat Christian Happach zu seiner erfolgreichen "Feuertaufe". Bei einer Nachbesprechung werde man auf die Stellen eingehen, an denen es gehakt habe. Auch der Pöttmeser Bürgermeister Franz Schindele dankte allen Beteiligten, die mitgeholfen haben. Nur so sei man für den Ernstfall gerüstet.