Pfaffenhofen
Willy Wimmer: "Bürger müssen sich jetzt querlegen"

25.10.2016 | Stand 02.12.2020, 19:08 Uhr

Pfaffenhofen (SZ) Der frühere Staatssekretär des Verteidigungsministeriums und Vizepräsident der parlamentarischen Versammlung KSZE/OSZE, Willy Wimmer, hat auf Einladung der "Freunde von Valjevo" im Hofbergssaal vor gut 80 Zuhörern gesprochen. Ihn treibt die Angst um den Frieden in Europa und den Bestand der Demokratie um.

Im Frühsommer 1988, berichtete Wimmer, habe er mit der "Arbeitsgruppe Verteidigung" der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Washington besucht. Im Hauptsitz der CIA wurden sie darüber informiert, dass im Gegensatz zu allen propagandistischen Darstellungen die Sowjetunion eine rein defensive Politik zum Schutz von "Mütterchen Russland" verfolge. Mit Verhandlungen sei es in den 70er und 80er Jahren gelungen, ein Vertrauensverhältnis aufzubauen, das schließlich die deutsche Wiedervereinigung ermöglicht habe. In der Charta von Paris 1990 hätten die Staats- und Regierungschefs von 32 europäischen Staaten, USA und Kanada abschließend vereinbart, die Spaltung Europas zu beenden und auf der Grundlage des Völkerrechtes den Frieden in Europa dauerhaft zu sichern. Es sei Henry Kissinger gewesen, der die Beseitigung des bestehenden Völkerrechts und stattdessen eine Rechtsordnung gefordert habe, die sich an den amerikanischen Interessen orientiere. Die Clintons, so Wimmer, hätten dann "mit dem völkerrechtswidrigen Krieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien 1999 den Krieg wieder nach Europa gebracht". Bei der Konferenz des US-Außenministeriums Ende April 2000 in Bratislava, bei der er als Vertreter des Verteidigungsministers teilnahm, hätten dessen Vertreter klargestellt, dass sie eine Mauer durch Europa vom Baltikum bis Odessa ziehen wollten: alles Gebiet westlich dieser Linie sei ausschließlich amerikanischer Bereich. Wimmer warnte davor, gegenüber den USA die eigenen Interessen als Nation nicht wahrzunehmen und sich wie die Kanzlerin amerikanischen Vorgaben völlig unterzuordnen. Der Bundestag und das deutsche Volk seien der Nato als Verteidigungsbündnis beigetreten. Diese habe jedoch mittlerweile ihren Charakter verändert und sei zu einer "weltweiten Aggressionsmaschine" geworden, die zahlreiche Staaten "in Schutt und Asche gelegt" und die heutige Migrationswelle letztlich verursacht habe. Nachdem sich die Nato bis unmittelbar an die russischen Grenzen ausgedehnt habe, solle jetzt noch der Parlamentsvorbehalt ausgehöhlt werden. Er verbiete einen Einsatz der Bundeswehr ohne vorherige Zustimmung des Bundestages. Stattdessen solle die Bundeswehr direkt dem Nato-Oberbefehlshaber und dem US-Präsidenten zur Verfügung gestellt werden. Solange Bonn noch Bundeshauptstadt war, so Wimmer, sei unser Land Herr seiner Entscheidungen gewesen. Mittlerweile seien 80 Prozent der Kompetenzen nach Brüssel abgegeben worden, wo Lobbyorganisationen internationaler Konzerne das Sagen hätten. Auch CETA und TTIP zielten mit ihren privaten Sondergerichten letztlich auf die Abschaffung der gültigen Rechtsordnung und Demokratie, so seine Sicht der Dinge. Wimmer warnte eindringlich davor, sich in einen Krieg mit Russland drängen zu lassen. Auch ein rein konventioneller Krieg wäre bereits das Ende jeder Zivilisation in Europa. Sein leidenschaftlicher Appell an sein Publikum: "Legen Sie sich als Bürger quer. Sie müssen als Souverän ihre Rechte wahrnehmen. Der Bundestag und die heutige Regierung tun es längst nicht mehr."