Pfaffenhofen
Bei Abschlusslesung den Spiegel vorgehalten

Diesjähriger Lutz-Preisträger Johann Reisser präsentierte seinen gelungenen Text über Pfaffenhofen

25.07.2016 | Stand 02.12.2020, 19:30 Uhr

Johann Reisser bei der Lesung über Pfaffenhofen. - Foto: Bornemann

Pfaffenhofen (bde) Mit Johann Reisser hat nun der dritte Lutz-Stipendiat drei Monate im Flascherlturm gelebt und gearbeitet. Der aus rund 60 Bewerbern ausgewählte Schriftsteller mit bayrischen Wurzeln stellte am Freitagabend bei der Abschlusslesung des Kultursommers sein in dieser Zeit entstandenes Werk dem Publikum im Rathaussaal vor.

Der erste Teil des Abends wurde durch ein Interview, welches Kulturreferent Steffen Kopetzky mit Reisser führte, eingeleitet. Darin erzählte Reisser von seinem Werdegang, der ihn von seinen Anfängen in Regensburg, über Berlin und andere Stationen, in diesem Sommer nun nach Pfaffenhofen geführt hat. Mit dem sich anschließenden Text seiner Bewerbung für das Lutz Stipendium zog er schnell seine Zuhörer, mit der Geschichte des Kaffeehausbesitzers "Greitinger", in den Bann. Dieser Greitinger beschließt, sein Cafè ausnahmsweise nicht nur montags, sondern auch dienstags zu schließen. Daraus entwickelt sich eine skurrile Geschichte, denn mit jedem weiteren Tag müssen immer neue und absonderlichere Gründe für die Schließung des Cafés herhalten, die auf immer neuen Schildern festgehalten werden. Die Geschichte geht für den armen Greitinger nicht gut aus, denn seine Umwelt und deren Anforderungen lassen ihn scheitern und zum Schluss wird er weggesperrt.

Im zweiten Teil des Abends stellte Reisser seinen Text über Pfaffenhofen vor - denn alle Lutz-Stipendiaten sind dazu verpflichtet, einen Text zum Thema "Zwischenfall" mit Bezug zur Stadt zu schreiben. Diese Aufgabe löste der Schriftsteller bravourös, denn in seiner Geschichte mit dem Titel "Projekt P" zeigt er sich als wortgewandter Chronist dieser Tage, der mit dem Blick des unabhängigen Beobachters ehrlich und unvoreingenommen Pfaffenhofen und seinen Bewohnern den Spiegel vorhält. In der Geschichte um einen Projektentwickler, der nach Pfaffenhofen kommt, um für einen chinesischen Konzern das Terrain für einen zukünftigen Standort zu sondieren, zeigt Reisser seine genaue Beobachtungsgabe. Da tauchen Bezüge zu gesichtslosen Neubauprojekten ebenso auf wie die enge Anbindung und Bedeutung des Automobils für die Region. Leiser Spott über leere Stadtbusse, die wie für Geister halten und weiterfahren, eine Altstadt, die sich auf den aufgestellten Schildern selber nicht mehr wiederfindet, kommen da vor. Und doch zeigt diese Geschichte, dass Reisser in kurzer Zeit ganz tief in diese Stadt eingetaucht ist. In seiner wunderbaren Erzählweise hat Reisser Pfaffenhofen ein literarisches Denkmal dieser Tage gesetzt.