Pfaffenhofen
18 Monate Gefängnis für Todesfahrt im Drogenrausch

53-jährige Hohenwarterin starb, als ein 23-Jähriger mit 180 Kilometern in der Stunde ihr Auto rammte

10.11.2015 | Stand 02.12.2020, 20:34 Uhr
An dieser Kreuzung war der Unfall geschehen: Auf der Linksabbiegerspur Richtung Ilmmünster und Scheyern war die Hohenwarterin unterwegs, der 23-Jährige kam aus Richtung Pfaffenhofen. −Foto: Lodermeyer

Pfaffenhofen/Hohenwart (SZ) Ein 23-Jähriger ist am Montag vom Schöffengericht zu 18 Monaten Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt worden. Unter Drogeneinfluss hatte er im Oktober 2014 bei Ilmmünster einen Unfall verursacht, bei dem eine 53 Jahre alte Frau aus Hohenwart starb.

Die Heilpraktikerin Sabine M. (Namen von der Redaktion geändert) war vor gut einem Jahr mit einem Bekannten in den Bergen. Es war ein sonniger Herbsttag, ideal zum Wandern. Danach aßen die beiden noch gemeinsam zu Abend. „Es gab gedünstete Kürbisschnitten“, erinnert sich ihr Bekannter. Dann verabschiedete sich die Hohenwarterin und fuhr nach Hause. Doch dort kam sie nie an.

An der Abzweigung von der Bundesstraße 13 nach Ilmmünster ordnete sich die 53-Jährige mit ihrem Nissan in die Abbiegespur ein. Als sie losfuhr, wurde ihr Wagen mit verheerender Wucht von einem Mercedes gerammt, dessen Fahrer mit vollen 185 Kilometern pro Stunde auf dem Tacho auf der B 13 von Pfaffenhofen in Richtung Reichertshausen raste. Der Wagen der Hohenwarterin wurde von der Straße geschleudert und landete auf dem Parkplatz eines angrenzenden Supermarktes. Für Sabine M. kam jede Hilfe zu spät, sie starb an der Unfallstelle.

Der Aufprall des Mercedes war so heftig gewesen, dass dieser sich rund einen Meter in den Nissan hineinschob, der an der rechten Seite getroffen wurde. Staatsanwalt und Richter sprachen während der Verhandlung davon, dass sich der Mercedes „wie ein Torpedo“ hineingebohrt habe.

Hinter dem Nissan wollte ein weiterer Pkw-Fahrer nach Ilmmünster abbiegen. Er sagte im Prozessverlauf als Zeuge vor dem Schöffengericht unter dem Vorsitz von Amtsrichter Jochen Metz aus. Der Mann beobachtete noch, dass der Nissan abbog, und achtete dann nicht mehr besonders auf das Auto. „Doch dann gab es plötzlich einen Riesenknall, Glassplitter regneten auf mein Auto.“ Der Zeuge fuhr von der B 13 in die Münchner Straße ab. „Ich sah, wie sich ein Reisebus quer stellte, um den Verkehr zu blockieren. Mitten auf der Straße lag ein Motorblock, sonst war auf Anhieb nichts zu sehen“, berichtete er. Erst nach einigem Suchen stieß er auf den Mercedes neben der Straße. „Dass noch ein weiteres Auto in den Unfall verwickelt war, sah ich da noch nicht.“ Bald kamen die Feuerwehr, die Sanitäter und die Polizei. Erst als die Unfallstelle ausgeleuchtet war, konnte das ganze Ausmaß des Unglücks erkannt werden.

An der Unfallstelle lief der 23-jährige Arda K. umher und rief laut Zeugenaussagen: „Was habe ich getan? Das ist ja fürchterlich!“ Alle Rettungskräfte hielten den jungen Mann zunächst für den Unfallverursacher, da er sich ja selbst als Fahrer bezeichnet hatte. Er kam in die Ilmtalklinik zur Blutprobe. Als er dort erfuhr, dass bei dem Unfall eine Frau ihr Leben verloren hatte, schwenkte er um und sagte die Wahrheit: Er hatte nicht den Unfall-Mercedes gesteuert, sondern war mit einem anderen Fahrzeug, einem Twingo, hinterhergefahren. Für ihn blieb nun vor Gericht die Anklage „versuchte Strafvereitelung“ übrig. Dass er seinen gleichaltrigen Freund Samir C., der am Steuer des Mercedes saß, decken wollte, begründete er damit, dass dieser suizidgefährdet gewesen sei, wenn herauskomme, dass er unter Drogen Auto gefahren sei. Dass beide an dem Unfallabend unter Drogeneinfluss standen, stellte sich erst im Lauf der Verhandlung heraus.

Samir C. hatte die Staatsanwaltschaft wegen fahrlässiger Tötung, fahrlässiger Körperverletzung und Straßenverkehrsgefährdung angeklagt. Die Anklage wegen der fahrlässigen Körperverletzung beruhte auf den Verletzungen, die sich ein Beifahrer beim Unfall zugezogen hatte. Und die fahrlässige Straßenverkehrsgefährdung ergab sich aus der überhöhten Geschwindigkeit unter Drogeneinfluss.

Der Prozess am Montag startete mit dem krankheitsbedingten Austausch der Schöffen, dadurch musste die Verhandlung neu begonnen werden, obwohl im September bereits der erste Prozesstag über die Bühne gegangen war. Ein zweites Problem tat sich bei dem Mitangeklagten Arda K. auf, da dessen Verteidiger sein Mandat niedergelegt hatte. Auf die Bitte um einen Verteidiger hielt ihm der Staatsanwalt vor, dass er sich zeitgerecht darum kümmern hätte müssen.

Einer der Zeugen sagte aus, dass er von seinem Haus aus den Mercedes von Samir C. und den Twingo von Arda K. auf der B 13 beobachtet hätte. Die beiden Fahrer hätten nur einen Meter Abstand zueinander gehalten und sich auf der Straße „duelliert“. Und das zweimal, das erste Mal bereits 30 Minuten vor dem tödlichen Unfall. Doch das Gericht ging in der Bewertung der Zeugenaussagen später nicht darauf ein. Ganz anders wurde die Aussage eines weiteren Zeugen bewertet, der erklärte, er habe den Mercedes vor dem Unfall auf der B 13 gesehen, wie er aus einer 60er-Zone herausfuhr. Dort hätte der Fahrer nämlich ein vorausfahrendes Fahrzeug so waghalsig überholt, dass der Zeuge da schon mit dem Schlimmsten rechnete: „Da fehlten nur Zentimeter.“ Das war nur Sekunden vor dem tödlichen Crash.

Die Urteile des Schöffengerichts für die beiden bereits Vorbestraften waren eindeutig: Samir C. muss für 18 Monate ins Gefängnis, das Gericht lehnte es ab, die von der Verteidigung beantragte Bewährungsstrafe auszusprechen. Der wohl entscheidende Grund für die Verurteilung und die Höhe des Strafmaßes waren die beiden Gutachten. Das verkehrstechnische Gutachten bewies, dass Sabine M. beim Abbiegen schon von der Kreuzung weg gewesen wäre, wenn der Todesfahrer die dort vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit von 100 Kilometern pro Stunde eingehalten hätte: „Eine Mitschuld wird ausgeschlossen, da sie darauf vertrauen durfte, dass der Angeklagte vorschriftsmäßig fährt“, führte Richter Metz aus. Und das Drogengutachten belegte, dass beide Angeklagten kurz vor der Unfallfahrt Rauschgift konsumiert hatten, obwohl sie dies vehement bestritten.

Der Mitangeklagte Arda K. kam mit sechs Monaten Freiheitsentzug, ausgesetzt auf drei Jahre zur Bewährung, davon. Zu seinen Bewährungsauflagen gehören die Ableistung von 600 Sozialstunden, Drogenscreenings auf eigene Kosten, mehrere Beratungsgespräche und 500 Euro Geldbuße. Außerdem darf er einen Monat lang nicht Auto fahren.