Niederarnbach
Die lebendige Bahnschranke

Seit Mai müssen Peter Albert und seine Kollegen zweimal pro Stunde rot-weiße Ketten spannen

03.09.2015 | Stand 02.12.2020, 20:51 Uhr

Peter Albert ist einer von sechs Posten, die seit Mai zweimal pro Stunde den Bahnübergang bei Niederarnbach sperren müssen. Das wird eine Weile so weitergehen - Foto: Straßer

Niederarnbach (SZ) Seit Mai ist die Schrankenanlage am Bahnübergang bei Niederarnbach nach einem schweren Unfall außer Betrieb. Seither stehen dort Posten, die Ketten spannen, um den Verkehr zu regeln. Tagein, tagaus. Das hat was von Saint-Exupéry.

Peter Albert ersetzt die Schranke – gemeinsam mit fünf anderen Bahnübergangsposten, kurz BÜP, mit denen er sich abwechselt – voraussichtlich noch bis zum Ende des Jahres. „Eine Schicht dauert zehn Stunden, ich bin seit viertel fünf da und muss noch bis 15 Uhr bleiben.“

In den vielen Stunden, die er schon am Ortsrand von Niederarnbach verbrachte, hat er es noch nicht einmal bis zum benachbarten, zauberhaften Wasserschloss geschafft. „Ich kenne nur den Übergang und die Toilette im Bahnhof“, sagt er. Denn er muss an Ort und Stelle verharren, um die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer zu garantieren. Dazu muss man sagen, dass sich das Verkehrsaufkommen auf dieser Strecke in Grenzen hält. Pro Stunde kommen ganze zwei Züge vorbei.

Das Handy bimmelt. Albert nimmt ab, hört kurz zu und sagt: „Wiederhole: Zug von Schrobenhausen nach Ingolstadt, gesichert.“ Während er die rot-weißen Ketten vor dem Übergang schließt, erklärt er: „Das war der Fahrdienstleiter. Der benachrichtigt mich, dann mach ich die Absperrung zu.“ Die Absperrung ist zu, der Zug braust vorbei.

Zwischen den Zügen wartet der Bahnübergangsposten neben den Gleisen. Schattenplätze sind gegen Mittag rar. „Was willst du machen, irgendwie muss es ja weitergehen“, meint Albert achselzuckend und steckt die Hände in die Hosen seiner signalfarbenen Arbeitskleidung.

Was er nicht weiß, ist, dass man in einer weltberühmten Erzählung Parallelen zu seiner Tätigkeit findet. In Saint-Exupérys „Der kleine Prinz“ lernt die gleichnamige Hauptperson einen Laternenanzünder auf einem kleinem Planeten kennen. Geht die Sonne unter, zündet der Laternenanzünder seine Laterne an. Wird es Tag, macht er sie wieder aus. Und mehr gibt es nicht für ihn zu tun.

„Ja, das ist so ähnlich wie das, was ein Bahnübergangsposten macht“, sagt Albert und lacht, als er die Geschichte hört. Zehn Stunden seines Tages verbringt Albert am Bahnübergang. Zwei bis drei Stunden sitzt er im Auto. So weit ist es bis zu seiner Unterkunft in der Nähe von Landshut, die ihm die DBS – Dienst für Bahn und Sicherung – dort für ein kleines Entgelt zur Verfügung stellt. Eigentlich ist er im Erzgebirge daheim, aber da gibt es keine Arbeit für ihn. Er macht eine wegwerfende Handbewegung. „Fünf, sechs Jahre sind es noch bis zur Rente.“

Eigentlich ist er angesichts seines irgendwie monotonen Berufslebens, das so schon seit 25 Jahren läuft, ganz gut drauf. Gäbe es ihn nicht, müsste der Fahrdienstleiter dem Lokführer einen Befehl geben, auf den der Zug dann vor dem Bahnübergang anzuhalten hätte. „Da würden natürlich urige Zugverspätungen zustande kommen“, sagt er und lacht bei der Vorstellung. Da ist man doch gerne lebende Bahnschranke. Und das hat ja auch Saint-Exupérys kleiner Prinz bei seinem Besuch bemerkt: Die Arbeit des Laternenanzünders hat wenigstens einen Sinn.