Neuburg
In der Pflege sieht es oft düster aus

Referent Claus Fussek kritisierte schlechte Ausbildung und Überforderung der Mitarbeiter

23.10.2016 | Stand 02.12.2020, 19:09 Uhr

Kritische Töne: Claus Fussek (l.), Diplom-Sozialpädagoge und Mitglied der Vereinigung Integrationsförderung in München, und Bernhard Dausend, Vorsitzender des DGB-Kreisverbands Neuburg-Schrobenhausen, als Veranstalter. - Foto: Hamp

Neuburg (rhp) Kein gutes Haar ließ Diplom-Sozialpädagoge Claus Fussek aus München an der allgemeinen Situation in der Pflege, hauptsächlich in den Altenheimen. Der als Pflegekritiker bekannte Fussek sprach auf Einladung des DGB-Kreisverbandes im Bürgerhaus im Ostend in Neuburg.

Vor allem in gewinnorientierten Heimen, aber auch in anderen, seien die Pflegekräfte oft nicht geeignet, nicht gut genug ausgebildet und vor allem zu wenig. Häufig seien ein oder zwei Pflegekräfte für etwa 30 Altenheimbewohner zuständig, die zum Teil beim Essen betreut werden müssen, bettlägerig oder krank seien oder auch an Demenz leiden. Die Leidtragenden wären natürlich die Heimbewohner. Manchmal bekämen sie ihre Medikamente nicht, sei das Essen schlecht oder sie würden schlicht beim Essen übersehen. Für ein gutes Wort, eine Zuneigung fehle einfach die Zeit.

"Heimbewohner, die keine Angehörigen haben, die sich um sie kümmern, haben die Arschkarte gezogen", stellte Fussek sarkastisch fest. Davon könne sich jeder überzeugen. Heime könnten unangemeldet besucht werden. Freilich gebe es auch viele gut geführte Häuser. Als Beispiel nannte er das Maria-Marta-Stift in Lindau. "Seid daher gut zu euren Kindern und Enkeln, sie suchen einmal für euch das Pflegeheim aus", so seine Worte.

Das Hauptproblem liege bei den Pflegekräften. Schon bei der Ausbildung müsse man darauf achten, dass nur Leute aufgenommen werden, die für den Beruf geeignet sind. Pflegeschüler müssten bei der Praxisarbeit in den Heimen betreut werden. Sie würden aber oft allein gelassen. Ungeeignete und gestresste Pfleger würden den Frust dann oft an den Heimbewohnern auslassen. Auch die Weiterbildung sei für alle Beschäftigten wichtig, nicht nur für Pfleger. Claus Fussek schätzt, dass etwa 50 Prozent des Pflegepersonals ungeeignet oder schlecht ausgebildet seien; allerdings regional unterschiedlich.

Ein großes Problem sei das Mobbing unter den Pflegekräften selbst. Gut geführte Häuser verhindern das durch wiederholte Gespräche mit den Mitarbeitern, aber auch mit den Angehörigen der Bewohner. Diese Heime seien im Übrigen nicht teurer als schlecht geführte und das spreche sich herum. "Gute Pflege ist machbar und bezahlbar", so der Sozialpädagoge. Wer gute Kräfte verheize, müsse sich aber nicht wundern, wenn die Leute kündigen, woanders hingehen, sich selbstständig machen oder den Beruf ganz aufgeben. Notwendig sei, dass sich die Mitarbeiter zusammenschließen, gegenseitig unterstützen und sich organisieren. Leider seien nur etwa zehn Prozent von ihnen gewerkschaftlich organisiert; sie hätten daher keinen Rückhalt.

Bei den politischen Parteien sei die Pflege durch die Bank leider kaum ein Thema. Dies sei schon deshalb unverständlich, weil in einer immer älter werdenden Gesellschaft der Pflegebedarf drastisch zunehmen werde. Allerdings scheint nach außen hin die Pflegewelt in Ordnung zu sein. Die Heime bekämen vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen durchweg gute Noten. Das verwundere aber nicht, so Claus Fussek, hätten die Heime die Bewertungskriterien doch selbst festgelegt.

In der lebhaften Diskussion bestätigten anwesende Pflegekräfte und Angehörige von Heimbewohnern die Ausführungen des Referenten. Beschwerden würden meist auf taube Ohren stoßen. Eine ehemalige Pflegerin schilderte, wie sie oft total überfordert gewesen sei, für ihre Probleme aber keinen Ansprechpartner gefunden habe. Wichtig sei es, dass sich Angehörige kümmern, sich beschweren und notfalls die Bezahlung der Heimkosten zurückhalten.

Die nicht übermäßig gute Bezahlung des Personals wurde nur am Rande erwähnt. Wichtiger als eine deutliche Gehaltserhöhung, so Claus Fussek, sei den Leuten aber, dass mehr Personal eingestellt werde.