Neuburg
"Es ist schön, sich nicht mehr verstellen zu müssen"

Die Homosexuellen-Szene in Neuburg ist relativ klein – Abwanderung in Großstädte als Problem

21.05.2015 | Stand 02.12.2020, 21:16 Uhr

Neuburg (SZ) Sein Outing war eine Erleichterung. Acht Jahre ist das jetzt schon her. Markus B. (Name geändert) war 16 Jahre alt, als er seinen Freunden anvertraute, dass er auf Männer steht. „Die waren am Anfang schon bisschen abgeschreckt, haben sich dann aber schnell gefangen“, erinnert sich der 24-Jährige. Etwas mehr Zeit gelassen hat er sich, es seiner Mutter und seinem Stiefvater zu erzählen. „Meine Mama hat super reagiert, die hat nur gesagt, dass sie das schon immer vermutet hat. Bei meinem Stiefvater sah das Ganze anders aus.“ Der wurde streng katholisch erzogen – und hatte dementsprechend große Probleme mit der sexuellen Orientierung von Markus B. „Ich bin dann von zu Hause ausgezogen, das war besser.“

Vor allem für ihn selbst jedoch war das Outing ein wichtiger Schritt: „Ich fühle mich jetzt wohler in meiner Haut, das Gefühlschaos war damit beendet.“ Zu lange hatte Markus B. vor allem in seinem Beruf – er arbeitet auf dem Bau – aus seiner Liebe zu Männern ein Geheimnis gemacht. „Sich nicht mehr verstellen zu müssen, ist ein schönes Gefühl.“ Sein Chef habe damals vor zwei Jahren toll reagiert und ihn unterstützt. Trotzdem kommt es immer mal wieder vor, dass Leute komisch gucken, wenn sie ihn mit einem Freund sehen – oder ihn gar beleidigen. „Aber da steh’ ich mittlerweile drüber.“ Mit Schulkameraden, die ihn früher wegen seiner Orientierung gehänselt haben, ist er sogar heute zum Teil gut befreundet. „Die waren damals noch nicht reif genug und sehen das jetzt anders“, erzählt Markus B.

Der 24-Jährige versucht anderen jungen Männern beim Outing zu helfen. „Bei mir ist es gut ausgegangen, da möchte ich gerne anderen helfen.“ Wer das auch tut, ist Neuburgs Streetworker, Daniel Grotter. „Es ist schon ein Unterschied, ob man sich auf dem Land oder in der Stadt outet“, sagt Grotter. „Bei uns hier ist die Akzeptanz oft viel geringer.“ Er kennt die homosexuelle Szene in Neuburg gut, es gibt eine Art Selbsthilfegruppe, die sich je nach Bedarf trifft. „Größere Szenen gibt es nur in den Großstädten. Und dorthin ziehen die jungen Leute, wenn sie sich hier nicht anerkannt fühlen.“ Da gehe der Region Potenzial verloren, findet der Streetworker.

Grundsätzlich habe sich in den vergangenen zehn Jahren aber schon einiges verbessert, so Grotter. „Dazu hat auch beigetragen, dass sich einige Promis geoutet haben. Was aber noch fehlt ist, dass sich mal ein aktiver Fußballer oder ein Neuburger Promi outet.“ Je mehr Homosexuelle sich outen, desto mehr Menschen kennen Homosexuelle, desto weniger Vorurteile gibt es. „Das ist immer so mit Minderheiten“, erklärt der Streetworker. „Gleichzeitig ist es ein Grundbedürfnis jedes Menschen, anerkannt und respektiert zu werden.“

Bei Facebook gibt es die Gruppen „Gay & Lesben Freunde Neuburg/Donau“ und „Neuburger Toleranz für S & L“, an die sich jeder wenden kann.