Manche
Bei Wind und Wetter für die Zeitung im Einsatz

19.02.2018 | Stand 02.12.2020, 16:48 Uhr

Mit Mütze, Schal und Handschuhen dick eingepackt ist Günter Reisner morgens unterwegs.

Schrobenhausen (SZ) Manche arbeiten schon, wenn andere noch schlafen - Zeitungszusteller zum Beispiel. Jetzt, nach einem Wintereinbruch, ist das gar nicht so einfach. Wir haben Günter Reisner bei seiner Tour in der Nacht zum Montag begleitet.

Es ist stockdunkel. Zapfig kalt. Unwirklich still in den Straßen der Stadt. Eine Zeit, in der die Menschen noch in ihren kuscheligen Betten schlummern - und das Aufstehen in sympathisch weiter Ferne liegt. Nicht so bei Günter Reisner. Denn der ist um diese Uhrzeit bereits auf Zack, sorgt dafür, dass bei den Schrobenhausenern die täglich druckfrische Zeitungslektüre rechtzeitig auf dem Frühstückstisch liegt.

"Nicht muss", wiegelt Günter Reisner ab, "darf! - Ich darf früh aufstehen!", meint er energisch. Und überhaupt gebe es ja andere, die ebenfalls früh raus müssen. Wobei das Früh-raus-Müssen bei Günter Reisner schon eine ausgesprochen sportliche Bedeutung hat: Zwischen zwei und halb drei morgens geht's für gewöhnlich aus den Federn. Sechsmal die Woche. Verschlafen? "Hab' ich in meinem ganzen Leben noch nicht", sagt er. Im Prinzip bräuchte er nicht mal einen Wecker.

Seit zwölf Jahren macht Günter Reisner den Job des Zeitungszustellers, früher hat er bei der Stadt gearbeitet. Nachdem er vor 25 Jahren schwer erkrankte, ging es vier Jahre später in den Ruhestand. Irgendwann musste dann dringendst eine Nebenbeschäftigung her. "Ich brauche eine Aufgabe", sagt der 65-Jährige. Denn so wie andere, bis spät in die Nacht vor dem Fernseher hocken, ist seine Sache nicht. Ganz im Gegenteil: Für gewöhnlich geht Günter Reisner gegen acht Uhr abends ins Bett.

Spaß mache ihm der Job, erzählt er, vor allem im Sommer. Grade jetzt im Winter hat er beim Austragen allerdings mit so manchen Widrigkeiten zu kämpfen. Mit zugefrorenen Briefkästen, Schneebergen an den Straßen. Irgendwo parkt auch an diesem Morgen ein Auto direkt vor dem Gartenzaun, eine Mülltonne versperrt den Weg zusätzlich - für Günter Reisner gibt es damit kaum ein Rankommen an den Briefkasten. Nachts werden Gehwege naturgemäß oft nicht geräumt, wenn am Abend später Schneefall einsetzt - so etwas macht Zustellern das Leben zusätzlich schwer. Und kostet Zeit. Dabei drängt die Zeit, damit die Zeitungen rechtzeitig bei den Kunden sind.

Gerade nach dem Wintereinbruch am Samstag ist das gar nicht so leicht. Teils muss Reisner Dutzende Meter durch komplette Dunkelheit stapfen - und das bei spiegelglatten Straßen. Vor 14 Tagen, erzählt er, habe es ihn erst hingehauen. Mit Regen komme er zurecht, aber "Glatteis und Gewitter scheu' ich", gesteht Reisner.

Ohnehin hat er so seine ganz eigenen Erfahrungen mit dem Wetter. Nicht gegen Mitternacht, eher gegen 5 Uhr früh werde es erst so richtig kalt, hat Günter Reisner beobachtet. Besteht sein üblicher Turnus aus zwei Touren, macht Reisner derzeit vier, er springt für krank gewordene Kollegen ein - die Grippewelle . . .

Günter Reisner erlebt ein anderes Schrobenhausen als die meisten Mitbürger. Nur ganz selten brennt in jener Zeit, in der er durch die Straßen zieht, Licht in einem der Häuser. Selten quetscht sich ein Auto zwischen den Schneebergen entlang der Straßen. An einer Ecke kämpft eine Dame gegen die dicke Eisschicht auf der Autoscheibe, ein paar Schritte weiter steht ein Mann vor der Tür, gönnt sich die ziemlich sicher allererste Zigarette dieses Tages. Die beiden bleiben die einzigen, denen Reisner an diesem Morgen begegnet.

Während des Schrannenfestes, da passiert es dann schon, dass ihm der eine oder andere Spätheimkehrer über den Weg laufe - "Es kommt vor, dass man jemanden trifft, aber ganz selten", erzählt Reisner. Zeit für einen Ratsch wäre ohnehin nicht.

Denn eine gemütliche Angelegenheit ist Reisners Tour mitnichten. Fahren, parken, Zeitung schnappen, einwerfen, dann das Ganze wieder von vorn - derart zackig fetzt Günter Reisner, dick eingemümmelt in Mütze, Schal und Handschuhen, von Briefkasten zu Briefkasten, dass das durchaus etwas von Frühsport hat.

Ein paar Meter die Georg-Leinfelder-Straße entlang, Schulpostkästen bestücken, FUGS, Gymnasium, Regens-Wagner-Berufsschule. Es ist der erste Tag nach den Faschingsferien. Das bedeutet: Wiederbelieferung nach einer Woche Unterbrechung. Dann geht's weiter Richtung Pestalozzi- und Konrad-Kuhn-Straße, vorbei an Zacherkeller und St.-Sebastian-Straße - bis Günter Reisner irgendwann wieder an der Pfaffenhofener Straße rauskommt.

An einem Grundstück begrüßt ihn ein großer schwarzer Hund lautstark - auch solche Begegnungen sind Zusteller gewöhnt. Einen Zwischenfall habe es noch nie gegeben, versichert Günter Reisner. Wie war das mit den bellenden Hunden?

Aber tatsächlich kommt ihm ab und an mal ein Fuchs unter die Augen, in dieser Nacht gerade nicht. In der Georg-Leinfelder-Straße ist ihm der schon begegnet, oder bei den Heimstätten. "Mit einer Kollegin ist ein Fuchs sogar mal eine Zeit lang mitgelaufen", erzählt Reisner.

So wenig er das ganze Jahr über von den Menschen, die er beliefert, hört und sieht - in der Weihnachtszeit ist das anders. Da kommt es schon mal vor, dass er eine kleine Aufmerksamkeit bekommt. Genauso wie es Günter Reisner umgekehrt mit seinen Stammkunden ebenfalls macht. "Ich schreib' ihnen Karterl", auf denen er beispielsweise auch mal über die Zeit zwischen den Jahren philosophiert und den Menschen liebe Wünsche mit auf den Weg ins neue Jahr gibt. Viele positive Rückmeldungen bekomme er darauf immer, freut sich Reisner.

Und das wiederum zeigt ihm, dass einige es eben doch nicht so selbstverständlich finden, wenn da jemand zu nachtschlafender Zeit durch Eis und Schnee stöbert. Jemand, dem auch am Herzen liegt, die Menschen dabei nicht zu stören. "Ich passe auf, dass ich die Briefkästen nicht zu laut zuklappen lasse", sagt er. Gegessen hat er übrigens noch keinen Bissen, wenn er morgens aus dem Haus geht. Erst beim zweiten Aufstehen - gegen halb acht - wird gefrühstückt.

Der Stapel auf der Rückbank von Günter Reisners Auto wird allmählich kleiner. Rechtzeitig zum Frühstück sollen die druckfrischen Exemplare der Schrobenhausener Zeitung im Briefkasten liegen. Günter Reisner kriegt das locker hin. Fertig ist er bei seinen üblichen Touren manchmal gegen vier, manchmal um halb fünf - zu einer Zeit also, in der die meisten nach wie vor in ihren kuscheligen Betten schlummern. Und das Aufstehen nach wie vor in sympathisch weiter Ferne liegt.