Schrobenhausen
Kunst am Klotz?

Kein Presslufthammer: Stadtrat will Betonbau am Pflegschloss nicht abreißen

25.04.2018 | Stand 12.10.2023, 9:58 Uhr
In Schrobenhausen sind Scheiben dreidimensional, und das bleibt auch so. Im Stadtrat fand sich keine Mehrheit dafür, diese "Mauerscheibe", die manche "Bausünde" nennen, zu beseitigen. −Foto: Burgstaller

Schrobenhausen (SZ) Das Beste zum Schluss? Vielleicht, das größte Pulverfass auf jeden Fall. Vier Stunden musste Kreisheimatpfleger Hans Hammer warten, bis die Diskussion im Stadtrat am Dienstagabend ganz am Ende zur Feuertreppe am Pflegschloss kam - und mit einem Knall endete.

Denn da kam es im Foyer des Pfarrsaals zum Zusammentreffen zwischen Stadtbaumeister Axel Westermair und Kreisheimatpfleger Hans Hammer und dessen Frau Gertraud. Die Hammers: enttäuscht und verärgert. Der Stadtbaumeister: aufgebracht.

"Ich habe mir nichts vorzuwerfen, auch wenn dir das nicht passt, Hans", schleuderte Westermair dem Kreisheimatpfleger in scharfem Ton entgegen. Kopfschütteln beim Ehepaar Hammer. Was also war passiert?

Im Grunde nichts, könnte man sagen. Denn so verheißungsvoll der letzte Punkt der Tagesordnung auch geklungen hatte - Eilantrag der Fraktion Freie Wähler: Weiteres Vorgehen Treppenhausbau Pflegschloss -, am Ende war von Eile oder einem besonderen weiteren Vorgehen nichts mehr übrig.

Hatte Jugendreferent Andy Vogl (CSU) noch am Vortag seinen Schützlingen im Jugendstadtrat erklärt: "Wir müssen morgen entscheiden, ob wir das Ding wieder wegreißen", stand diese Möglichkeit anscheinend für seinen Parteikollegen und Bürgermeister Karlheinz Stephan gar nicht zur Debatte. "Über die Option Presslufthammer reden wir heute nicht", hatte der gleich einmal klargemacht und etwas später hinterher geschoben, dass ein Abriss des Betonhauses am Pflegschloss für ihn ohnehin nicht infrage käme. "Betrug am Steuerzahler", wäre das seiner Ansicht nach. Man habe sich eben im Vorfeld für den betonernen Fluchtweg entschieden, nun müsse man damit bestmöglich leben.

Das zu betonen, wurde auch Stadtbaumeister Axel Westermair nicht müde. "Vielleicht sind wir bei der Entscheidung falsch abgebogen. Kann sein", räumte er ein. "Und doch ist mir wichtig, dass jeder weiß, wie wir dahin gekommen sind." In einer sauber strukturierten Powerpoint-Präsentation führte er den Stadträten noch einmal den Weg der damaligen Entscheidungsfindung vor Augen, erklärte Schritt für Schritt, warum heute hinter dem Pflegschloss keine filigrane Treppe als Fluchtweg dient, sondern eben ein Betonklotz. Die Gefahr für spielende Kinder und die optische Unruhe etwa seien es gewesen, was die Stadträte für eine in Beton liegende Lösung, eine, wie Westermair es nennt, Wandscheibe, habe stimmen lassen. Das nun leuchtete den Stadträten durchaus ein, man sei ja schließlich dabei gewesen, im Juni, als der Beschluss gefasst worden war.

"Aber das ist doch keine Wandscheibe", entfuhr es Jakob Mahl (proSob) als erstem kopfschüttelnd. Und überhaupt habe er das Gefühl, dass die tatsächliche Höhe des Baus nicht mit der im Entwurf übereinstimme. Der Kasten sei viel wuchtiger. "Nein, das ist alles so wie im Entwurf", entgegnete Westermair sachlich, "und darüber hinaus natürlich mit der Unteren Denkmalschutzbehörde abgesprochen".

Das, entgegnete Bastian Fuchs (CSU), möge schon sein. Aber auch er habe sich nach der Vorstellung von Westermairs Entwurf etwas anderes vorgestellt. "Ich glaube, wir haben alle begriffen, dass wir dafür gestimmt haben. Aber ich war baff, als ich das gesehen habe. Im Plan sah das alles wesentlich eleganter aus", so der Jurist.

Ebenfalls von seiner Vorstellungskraft in Stich gelassen worden war Christian Spreitzer (proSob), wie er zugab: "Ich hätte mir nicht gedacht, dass das so aussieht. Ich dachte, das würde schon harmonieren."

Was also tun? "Vielleicht sollte man den Presslufthammer doch im Hinterstübchen behalten", schlug Rudi Koppold (FW) schließlich vor - und erntete prompt eine Absage vom Bürgermeister. Im Stadtbauamt habe man nämlich längst einen anderen Ansatz gefunden. Und der lautet: Struktur. "Es gibt viele Möglichkeiten, den Beton an der Oberfläche zu verändern", erklärte Axel Westermair. Ein bisschen Muster reinbringen quasi oder sogar heller machen. Und wenn man noch etwas weiter denke, dann könnte man mit der großzügigen Fläche des Klotzes sogar zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Einmal, indem man ja ohne Frage optimal im Brandfall geschützt sei und dann, um sich künstlerisch auszuleben. Die Wand könnte als Projektionsfläche genutzt werden. Für Kunst oder gar für Werbung, so Westermair.

Man stelle sich also vor: Das Tagesangebot einer hiesigen Metzgerei ganz praktisch direkt hinten am Pflegschloss ablesbar - was mit einer Stahltreppe nie möglich gewesen wäre, auf einmal ginge das ganz einfach.

Nun, zumindest das mit der Kunst schien bei den Stadträten nicht ganz auf taube Ohren zu stoßen. "Vielleicht so was wie Kunst am Bau, wir könnten ja Kontakt mit dem Kunstverein aufnehmen", meinte nun Jakob Mahl. Auch Josef Soier (CSU) fand Gefallen an der Idee: "Da brauchen wir einen Profi, einen, der ein Auge für so was hat", so sein Gedanke, und er habe da auch schon jemanden im Kopf.

"Wir nähern uns also der Problemlösung", stellte nun Bürgermeister Karlheinz Stephan zufrieden fest. "Dann können wir ja abstimmen." Der Beschlussvorschlag: Axel Westermair solle bis zur nächsten Sitzung prüfen, was diverse Oberflächengestaltungen kosten und die künstlerischen Möglichkeiten ausloten. Zudem sollen die Stadträte Ideen sammeln, wie die Kunst am Klotz konkret aussehen könnte. Damit waren nun alle einverstanden, einstimmig wurde der Tagesordnungspunkt abgehakt, im Gremium schien man zufrieden.

Tiefe Enttäuschung hingegen machte sich in den Zuschauerrängen breit - Hans und Getraud Hammer war sie von den Gesichtern abzulesen. Von Anfang an hatten sie sich gegen das Betonungetüm eingesetzt. Geduldig hatten sie die Sitzung verfolgt und auf die Abstimmung gewartet, darauf gewartet, dass endlich einer im Stadtrat ein Machtwort spricht, zugibt, dass der Beton-Fluchtweg schlicht ein Fehler und Schandfleck ist. "Aber keiner von denen gibt das zu, die schneiden sich nicht gegenseitig ins Fleisch", sagte Getraud Hammer achselzuckend. Ihr Mann Hans bleibt dabei: "Die Darstellung von Axel Westermair ist einfach nicht richtig. Das ist keine Wandscheibe und die Beschlüsse, von denen er redet, will ich erstmal sehen. Wo sind die?"

Den Angriff auf seine Person hatte der Stadtbaumeister nun auch mitbekommen - und wollte das so gar nicht auf sich sitzenlassen. "Alles ist beschlussmäßig abgedeckt", wetterte er. Keinen Fehler habe er gemacht. "Ich lasse mich doch nicht zum Sündenbock machen", rief er schließlich noch, bevor er auf dem Absatz kehrt machte und die Treppe hinunter rauschte.

Ob das nun das Ende der Geschichte war? "Ich weiß es nicht", sagte Hans Hammer. Was er noch unternehmen werde? "Wahrscheinlich nix", sagte er enttäuscht. Ob es dabei bleibt, wird sich zeigen. Dennoch sieht es ganz danach aus, als müssten sich die Schrobenhausener mit dem Betonklotz hinter dem Pflegschloss abfinden und womöglich wird bald noch einmal Geld fließen - an den Künstler, der den Klotz in Kunst umwandeln soll.

Alexandra Burgstaller