Klenau
Waldvolk aus der Motorsäge

Bei Klenau verwandelt eine Gruppe von Künstlern Holzstämme in mystische Skulpturen

27.05.2016 | Stand 02.12.2020, 19:45 Uhr

Klenau (SZ) Filigrane Formen, geschnitzt mit der Motorsäge: Dass das kein Widerspruch ist, zeigte diese Woche eine Gruppe Künstler, die unter der Leitung von Richard Allgaier im Wald bei Klenau Holzskulpturen sägte - mit spektakulären Ergebnissen.

Wie Funken stieben die Späne in alle Richtungen, als das Sägeschwert auf das Holz aufsetzt. Der Lärm der Kette kreischt über die Waldlichtung. Andrea Koch, dick eingepackt in Schutzkleidung, teilt einen großen Stamm, der mit Eisenhaken fest in den Boden gekeilt ist. Das Sägeblatt folgt den Windungen und Kurven der Rinde. "Ich muss mich auf das Holz einlassen", hat die Künstlerin noch wenige Minuten vorher gesagt. Jetzt ist sie ganz in ihre Arbeit versunken.

In sicherem Abstand zur rotierenden Kettensäge kniet Christine Seehafer auf dem Boden, beugt sich über eine hölzerne Frauenfigur, die im Moos liegt. "Sitzt der Hintern richtig", überlegt sie und streicht über die schlanken Formen. "Ein bisschen weit oben, oder", fragt Kursleiter Richard Allgaier zurück. Der Künstler ist auf Einladung von Andrea Koch aus Oberschwaben gekommen. Mit schwungvollen Strichen pinselt er Markierungen auf die Maserung der Frauenfigur - Vorbereitungen für die nächsten Sägearbeiten.

Vier Tage lang werkelt die Künstlergruppe in der Fronleichnamswoche an alten Stämmen oberhalb von Klenau. Zur Verfügung gestellt hat den Wald und das Holz Paul Fottner, der selbst am Kurs teilnimmt. Auf einem Anhänger stapelt sich alles, was die Bildhauer brauchen: Ohrenschützer, Thermoskannen, Kanister. Daneben steht ein Schlepper, beladen mit einem großen Trumm Holz. "Das Stück Eiche wiegt eine halbe Tonne", erklärt Besitzer Oskar Imhof. Er ist mit seinem Traktor samt Holz extra aus Landsberg gekommen, um bei dem Kurs dabei zu sein. Seine erste Figur aus Kirschbaumholz ist schon fertig. Sie streckt ihre langen Arme empor zu einem Baum, als würde sie daran Halt suchen. "Ich wollte noch ein Gesicht machen", erklärt Oskar Imhof - aber dann hat sich herausgestellt, dass der Stamm innen hohl ist.

"Wenn man mit Holz arbeitet, kann man nicht vorher sagen: Ich will das und das machen", erklärt Organisatorin Andrea Koch. Und noch etwas gilt für alle Arbeiten der Gruppe: Was weg ist, ist weg - bloß nicht zu viel absägen.

Aus den umliegenden Stämmen schälen sich Span für Span Figuren heraus, geheimnisvoll und graziös. Die Waidhofenerin Silvia Gürtner, die eigentlich Akte zeichnet, hat eine nackte Frau aus hellem Holz geschaffen. Die Figuren von Robert Herzog umarmen sich wie ein inniges Liebespaar, vielleicht voller Leidenschaft, vielleicht aber auch bei einem schweren Abschied. Waldbesitzer Paul Fottner arbeitet an einer Gruppe eng zusammengedrängter Menschen. Und die Astmenschen von Ursula Mutard staksen wie auf Stöckelschuhen daher.

An Fronleichnam, dem letzten Kurstag, werden die Figuren dann noch veredelt: mit Kalk, Öl, Farben oder einem Brenner. In einem Kreis betrachten die Künstler ihre Werke. Anschließend verbrennen sie feierlich ein Stück Holz von jedem Stamm - als Dankeschön an den Wald.