Kleinhohenried
Hoher Wasserstand als Chance für die Moosbauern?

Freisinger Professor erläutert die Klimawirkung der Moorbodennutzung und schlägt eine Umstellung der Bewirtschaftung vor

23.01.2015 | Stand 02.12.2020, 21:44 Uhr

Die landwirtschaftliche Nutzung organischer Böden – also auch derer im Donaumoos – war das Thema eines Vortrages des Freisinger Professors für Renaturierungsökologie Matthias Drösler im Haus im Moos. Im Donaumoos werde demnach im Vergleich mit anderen Moorgebieten ein besonders hoher Anteil der Fläche für die Landwirtschaft genutzt – nicht ohne Folgen für die Umwelt, wie der Experte erläuterte - Foto: Tamm

Kleinhohenried (SZ) Ist ein neuer Ansatz für die Landwirtschaft im Donaumoos erforderlich? Der Freisinger Professor Matthias Drösler hat in einem Vortrag im Haus im Moos sogenannte Paludikulturen vorgeschlagen, Pflanzungen, die mit hohem Grundwasserstand auskommen. Die Landwirte reagierten skeptisch.

Eines war Drösler, der den Lehrstuhl für Renaturierungsökologie an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf leitet, besonders wichtig: Gleich zu Beginn seines Vortrags stellte er klar, dass er lediglich seine Forschungsergebnisse präsentieren wolle – und zwar ohne jegliche Schuldzuweisung. Und das war auch gut so, denn etwas später am Abend vermittelte Gerhard Edler – als Landwirt, Wasserverbandsvorsitzender, Königsmooser Gemeinderat und Mitglied der Donaumoos-Zweckverbandsversammlung ein Kenner der Probleme im Moos – dem Gast, der in einem Moorgebiet bei Miesbach aufgewachsen ist, das große Dilemma der Bauern im Moos: Man fühle sich ständig an den Pranger gestellt, „wir müssen uns generell wehren – tagtäglich“.

Die Zahlen, die Drösler als Ergebnis langjähriger Forschungsarbeiten präsentierte, könnten sich auch leicht als Schuldzuweisung lesen lassen an Landwirte, die Felder in Moorgebieten bestellen. Und besonders an die im Donaumoos. Rund 65 Prozent der Moorflächen in Deutschland seien Wiesen und Wälder, 30 Prozent Ackerland und nur fünf Prozent noch naturnah oder schon renaturiert, sagte Drösler. Im Donaumoos ist der Anteil der Ackerflächen bekanntlich beträchtlich höher. Und gerade diese Ackerflächen sind es, aus denen die meisten klimaschädlichen Gase – Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4) und Lachgas (N2O) – aufsteigen, wie Drösler anhand von Grafiken zeigte.

Die Bedeutung der Moorgebiete für das Weltklima ist größer als wohl viele der rund 80 Zuhörer im Haus im Moos dachten: 30 Prozent des Boden-Kohlenstoffs weltweit werde in den drei Prozent der Landfläche gespeichert, die mit Moorböden bedeckt seien – das sei mehr als in sämtlichen tropischen Regenwäldern zusammen. Drösler bezeichnete das als „ökologische Serviceleistung“ der Moorböden.

In Deutschland freilich gibt es – verglichen mit Kanada, Russland oder auch Finnland – vergleichsweise wenig Moorböden. In Europa liege Deutschland, was die Moorflächen betrifft, erst an sechster Stelle, sagte Drösler. Allerdings: „Deutschland ist Europameister bei den Emissionen.“ Nirgendwo sonst in Europa entwichen sich also so viele klimaschädliche Gase aus den Moorböden.

Das liegt natürlich daran, dass in Deutschland Moorböden deutlich intensiver genutzt werden als zum Beispiel in Finnland. Wie Drösler zeigte, fällt die Umweltbilanz umso schlechter aus, je intensiver die Nutzung des Moorbodens ist: bei intensiv genutztem Grünland fast so schlecht wie bei Ackerland, bei nassem, extensiv genutztem Grünland dagegen zwar immer noch leicht negativ, aber schon fast so gut wie bei naturbelassenen Flächen. Allerdings: „Je mehr man in den Überstau geht, desto stärker steigt die Klimawirksamkeit an“, berichtete Drösler. Denn dann werde zwar Kohlendioxid gebunden, allerdings Methan freigesetzt – und dessen Klimawirksamkeit sei 21 Mal höher.

Weltweit sei die Summe der aus Moorgebieten freigesetzten Gase beträchtlich: Sie machten fünf Prozent der Gesamtmenge aus – das sei so viel wie auch der gesamte Flugverkehr erzeuge. „Moore sind die größte Einzelquelle außerhalb des Energiesektors“, erklärte Drösler. Und besonders die landwirtschaftliche Nutzung trage dazu bei: 30 Prozent der landwirtschaftlichen Emissionen weltweit entstünden auf den acht Prozent Nutzfläche, die auf organischen Böden – den Moorböden – lägen. „Man hätte also ein großes Einsparpotenzial auf einer relativ kleinen Fläche“, meinte der Professor. Dass Maßnahmen wirklich greifen können, habe sich zum Beispiel im Wurzacher Ried, einem Hochmoor, gezeigt: Hier hätten die Emissionen klimaschädlicher Gase um 42 Prozent reduziert werden können – allein durch Naturschutzmaßnahmen.

Aus Niedersachsen gebe es Beispiele, dass mit einer dynamischen Wasserstandsregelung in landwirtschaftlich genutzten Niedermooren die Moorsackung gebremst werden könne. Dort würden dann sogenannte Paludikulturen gepflanzt, die mit Wasserständen von zehn bis 20 Zentimetern unter Bodenniveau zurechtkommen. Allerdings: „Das ist bestimmt dann nicht mehr die Kartoffel oder der Mais.“ Hier gehe es eher um Energiepflanzen wie Schilfkulturen. Zweifel am Einsatz von Paludikulturen im Donaumoos äußerte dann Gerhard Edler. Dafür sei ein technischer Ausbau des gesamten Mooses nötig, meinte er, schließlich komme es ja darauf an, den Wasserstand ständig auf einem stabilen Niveau zu halten. Es sei ja weder aus landwirtschaftlicher noch aus Klimaschutzsicht erwünscht, wenn es zum Überstau komme – und der trete im Donaumoos nach stärkeren Regenfällen bei hohem Grundwasserpegel schnell ein. „Das ist eine Gratwanderung“, meinte Edler, und „in der Praxis sehr sehr schwierig umzusetzen.“ Außerdem gehe bei einem hoch gehaltenen Wasserpegel die Rückhaltefunktion des Donaumooses verloren – was bei Hochwasser sicherlich nicht im Sinne der Unterlieger sei. Drösler empfahl, Paludikulturen doch in Zusammenarbeit mit der Wasserwirtschaft einfach mal auf geeigneten Flächen auszuprobieren.

Ministerialrat Gerhard Brandmaier, der über Fördermöglichkeiten aus dem Kulturlandschaftsprogramm (Kulap) auf Moorböden sprach, zeigte Möglichkeiten auf, wie Einkommensverluste zum Beispiel bei der Extensivierung von Grünflächen oder bei der Umwandlung von Acker- in Grünland in sensiblen Gebieten ausgeglichen werden können. Und er stellte klar, dass das alles keine Verpflichtungen seien, hier gelte die Maxime: „Freiwilligkeit vor Ordnungsrecht“.