Jetzendorf
"Der Abschied ist schwer"

Die letzten Tage in Jetzendorf sind angebrochen: Pfarrer Konrad Eder spricht über seine Zeit im Landkreis Pfaffenhofen

28.08.2015 | Stand 02.12.2020, 20:52 Uhr

Fester Blick in die Zukunft: Pfarrer Konrad Eder verlässt den Landkreis Pfaffenhofen. Nach einer dreimonatigen Auszeit tritt er seine neue Stelle im Pfarrverband Aschheim-Feldkirchen an. - Foto: Straßer

Jetzendorf (SZ) In einer halben Stunde steht eine Beerdigung an. Trauergäste treffen ein, Konrad Eder (46) ist zu Fuß unterwegs in Jetzendorf. Ein Auto hält, die Beifahrerin will wissen, wo der Friedhof ist, wo sie parken können.

„Da vorne den Berg links rauf“, sagt Eder. Zurück kommt ein herzliches Dankeschön. Situationen wie diese liebt der Pfarrer, der Ende August nach mehr als elf Jahren den Pfarrverband Jetzendorf-Steinkirchen verlassen muss. Die auswärtigen Besucher haben nicht erkannt, dass er der Pfarrer ist, der gleich den Gottesdienst zelebrieren wird. „Sonst hätten sie sich ja gar nicht fragen trauen“, sagt er, bekleidet ganz leger mit weißem Hemd, Stoffhose, Sandalen. Ein Kollar, den weißen Stehkragen der katholischen Geistlichen, trägt er nie. Er würde sich nicht wohlfühlen, sagt er. „Wer mich kennt, weiß, dass es so passt.“

 

Herr Eder, in Ihrer Zeit im Landkreis hat sich viel geändert. Zunächst waren Sie Pfarrer von Jetzendorf und Steinkirchen, später kam dann noch der Pfarrverband Ilmmünster dazu. Wie bekommt man die fünf früheren Einzelpfarreien unter einen Hut?

Eder: Ich habe Wert drauf gelegt, dass das kirchliche Leben vor Ort stattfindet. Da, wo die Leute leben, da muss Kirche präsent sein. Eine große Hilfe waren und sind die Gremien. Auf sie war und ist immer Verlass. Sie sind das Gerüst und tragen vieles mit. Es ist auch nicht geplant, dass man jetzt einen Großpfarrverband Ilmmünster-Jetzendorf gründet. Es bleiben zwei Pfarrverbände, die sich ein Seelsorgeteam teilen.

 

Herrscht in Jetzendorf Unmut, dass der neue Pfarrer Georg Martin in Ilmmünster wohnen will und hier „nur“ der Vikar Florian Regner wohnt?

Eder: Eigentlich weniger. Wichtig ist aber schon, dass auch ein Priester vor Ort ist. Da geht es um Erreichbarkeit. Es gibt einfach Leute die Hilfe suchend zum Pfarrhaus kommen.

 

Wie war das damals als Sie nach Jetzendorf kamen?

Eder: Ich war der Gegend schon längere Zeit verbunden. Ich habe 1994 ein Praktikum in Petershausen gemacht, war Kaplan im Pfarrverband Erdweg. Von daher war mir die Gegend nicht unbekannt.

 

Und Sie sind nicht enttäuscht worden?

Eder: Die Gegend ist mir zur Heimat geworden.

 

Wie ist das als Pfarrer? Tut man sich schwer, Freundschaften zu knüpfen?

Eder: Es ist schon so, dass ein Respekt da ist. Man kann nicht einfach trennen, da bin ich Pfarrer, da nicht. Aber mit der Zeit entwickeln sich schon Freundschaften. Zum Beispiel beim Schafkopfen. Oder natürlich die Verbundenheit zum FC-Bayern-Fanklub. Ich habe am Ortsgeschehen teilgenommen.

 

Was wird Ihnen denn am meisten fehlen?

Eder: Das ist sicherlich die Vertrautheit mit den Menschen. Zu wissen, an wen ich mich wenden kann. Es wird aber auch in Zukunft die eine oder andere Begegnung geben, ich weiß nur nicht, wie viel Zeit ich habe, die Kontakte zu pflegen. Ich komme ja in Aschheim-Feldkirchen in keinen luftleeren Raum, da bin ich für zirka 7000 Katholiken zuständig.

 

Als Sie das erste Mal versetzt werden sollten, haben über 2000 Leute für Ihren Verbleib unterschrieben. Jetzt soll ein Unternehmer Ihnen sogar einen Job angeboten haben, wenn Sie in Jetzendorf bleiben. Nur halt nicht mehr als Pfarrer.

Eder: Ich glaube, das war nicht so ganz ernst gemeint. Aber selbst wenn: Für mich ist – mit allen Begrenzungen, die ich habe – mein Beruf Berufung. Der Abschied ist schwer, aber mein Priestersein und damit auch das Sein in der Kirche ist stärker. Mein Anliegen war immer, den Glauben als etwas, das Freude macht, zu leben und weiterzugeben. Ich bin da sehr nah an Papst Franziskus, der sagt: „Ihr müsst auch mal die Vorschriften, Vorschriften sein lassen.“ Glaube ist nicht eine Ansammlung von Rechtsvorschriften. Wenn wir mal soweit sind, verstehe ich, dass Leute beschließen: Jetzt zeig’ ich euch den Buckel.

 

Und trotzdem. Was haben Sie sich gedacht, als entschieden wurde, dass Sie ihren Pfarrverband verlassen sollen?

Eder: Ich habe noch fast 25 Berufsjahre vor mir, da kann ich nicht mit dem Ordinariat in den Clinch gehen. Und es wäre eh ein Kampf gegen Windmühlen. Aber die Art und Weise des Umgangs ist sicher noch ausbaufähig. Ich bin auch jetzt von einigen angesprochen worden und die hätten auch wieder so eine Aktion wie 2011 gestartet. Ich habe aber gesagt: „Bitte nicht.“ Es wäre vielleicht ein Aufschub um ein Jahr möglich gewesen, aber es hat eben alles seine Zeit.

 

Wann haben Sie eigentlich entschieden, dass Sie Pfarrer werden wollen?

Eder: Ich war damals bei einer Bank beschäftigt.

 

Also Sie haben vorher schon einen Beruf gelernt?

Eder: Ich habe was Anständiges gearbeitet (lacht). Ich bin gelernter Einzelhandelskaufmann, dann hatte ich 15 Monate Wehrpflicht, anschließend hat mich eine Bank angeworben. Das kommt mir heute zugute.

 

Was ist dann passiert?

Eder: Es war dann so Anfang der 90er Jahre. Ich war 24. Ich komme aus einem gläubigen Elternhaus mit einer gesunden Einstellung zum Glauben. Ich war Ministrant, ich war bei der KLJB. Irgendwann hab ich mal Exerzitien gemacht, da ist die Entscheidung gereift.

 

Sie sind Priester mit Leib und Seele. Warum gibt es aus Ihrer Sicht einen Mangel an katholischen Geistlichen?

Eder: Die zunehmende Entfremdung beziehungsweise fehlende Vertrautheit der Menschen ist das Eine, aber auch die Kirche muss sich stark hinterfragen. Aber Kirche ist ja nicht das Paradies auf Erden. Es ist ein Gebilde von Menschen, geführt vom Heiligen Geist. Es gibt Priester, Diakone, Pastoralreferenten, Gemeindereferenten, Religionslehrer. Dass kaum jemand diesen Weg geht, ist das, was mich am meisten bewegt. Es müssten einfach mehr Leute darüber nachdenken, ob so ein Beruf vielleicht was für sie wäre. Dann kann auch die hauptamtliche Präsenz gewährleistet werden.

 

Welche Probleme gibt es in der Kirche noch?

Eder: Die Zahl an Kirchenaustritten ist dramatisch. Mehr als 600 000 evangelische und katholische Christen in einem Jahr. Das ist einfach fürchterlich. Und dann wird auch noch versucht, das in Statistiken zu erfassen oder schönzureden. Ja geht’s denn eigentlich noch. Uns laufen die Leute in Scharen weg. Die Gründe dafür zu hinterfragen, darauf kommt es an.

 

In Ihren Pfarrverbänden scheint das kirchliche Leben noch intakt zu sein. Was wünschen Sie denn den Leuten an Ihrer bisherigen Wirkungsstätte?

Eder: Ich wünsche mir, dass die Menschen in Sachen Glauben und Gemeinschaft am selben Strang ziehen. Beispiele dafür waren die Glockenweihe 2006 in Jetzendorf, das Brunnenfest 2010 in Langwaid, natürlich aktuell der Frautag, der alle Jahre eine Art Zeitenwende darstellt. Was ich noch sagen möchte, ist die Haltung der Dankbarkeit für die Zeit hier. Die Verbindung zwischen Leben, Glaube und ehrenamtlichem Tun. Das sollte bitte nicht aufgegeben werden. Und ich hoffe, dass die Nachfolger offene Türen finden. Für die ist es schließlich auch ein Neubeginn.

 

Die Fragen stellte

Severin Straßer.