Hohenwart
Powerfrau

SZ TRIFFT Hülya Aktas, die gute Seele am Hohenwarter Marktplatz

15.07.2016 | Stand 02.12.2020, 19:33 Uhr

So sehen die Hohenwarter sie selten: Hülya Aktas trinkt ganz entspannt Kaffee auf ihrer Bistroterrasse. An den meisten Tagen ist sie von früh bis spät unterwegs, um Gäste zu bedienen. - Foto: Schneider

Hohenwart (akd) Wenn die Hohenwarter morgens in die Arbeit fahren, steht sie schon seit fünf Uhr früh im Bistro. Und wenn die Pendler abends um sechs heimkehren, werkelt sie immer noch hinter der Theke. Quasi ohne Pause. "Mein Hobby sind meine Gäste", sagt Hülya Aktas. Und: "Ich lebe für diesen Laden."

Dieser Laden, das ist das Bistro Eurasia, ein Name "wie die Bosporusbrücke": Hier gibt es Börek genauso wie Brathendl und die türkischen Wurzeln von Hülya Aktas wachsen mit ihrer deutschen Heimat zusammen. In Hohenwart hört man vom "Eurasia" trotzdem eher selten. "Wir gehen zu Hülya", sagen die Gäste, wenn sie sich auf der Sonnenterrasse am Marktplatz verabreden.

Die 41-jährige Hohenwarterin ist Zentrum und Seele ihres Bistros. Deutlich wird das, wenn sie nach Wochen mal wieder einen Tag frei hat. Die Cafétür hat sie vorsorglich zugezogen, als sie sich mit einem Kaffee auf ihre Terrasse gesetzt hat - vergeblich. "Hast du heute nicht offen, Hülya" Die Frage kommt in schöner Regelmäßigkeit. Ein Mann wollte eigentlich einen Döner essen, ein Bewohner von Regens Wagner hatte Lust auf Eis. Keine Chance heute: "Ich hatte ganz vergessen, wie es ist, einen Ruhetag zu haben", sagt Hülya Aktas und lächelt.

Workaholic - dieses Wort nimmt sie selbst in den Mund. Sie hat viel erreicht im Leben mit der Einstellung, dass es keine Probleme, sondern nur Lösungen gibt. Mit 21 eröffnete sie einen Obst- und Gemüseladen, 2011 wurde daraus quasi über Nacht das Bistro. Steinig sei der Weg gewesen, sagt Hülya Aktas, aber sie sei ein Stehaufmännchen. Das Jammern liegt ihr nicht.

Das Protzen übrigens auch nicht. Wer nach ihrem Erfolg fragt, bekommt eine lange Reihe von Menschen aufgezählt, "ohne die ich es nicht geschafft hätte": die Schwägerin, die Mutter, der Bürgermeister, der Eislieferant und die Hohenwarter generell. Wenn Hülya Aktas das Klima im Ort generell und in ihrem Café im Besonderen beschreibt, nimmt sie große Worte in den Mund: Liebe, Ehrlichkeit, Herzlichkeit. "Es geht hier nicht um Kaffee und Döner, sondern um das Zwischenmenschliche", sagt sie.

Dass in ihr Bistro vom Baby bis zum Senior ein bunt gemischtes Publikum kommt, liegt aber vor allem an der Wirtin. Hülya Aktas kennt ihre Stammgäste und oft auch deren Sorgen. Sie ist Kummerkastentante und gute Seele. Sie bringt Geschäftspartner zusammen und einmal im Monat kellnern bei ihr Schüler von Regens Wagner beim integrativen Frühstück. "Die Menschen hier glücklich rausgehen zu sehen, das gibt mir Kraft", sagt sie.

Unendlich viel Energie hat aber auch Powerfrau Hülya nicht. Im Dezember hatte sie zum ersten Mal drei Wochen am Stück geschlossen, sie musste ihr Knie operieren lassen. "Bitte tu uns das nie wieder an", habe Bürgermeister Manfred Russer danach zu ihr gesagt. Für Hülya ist das ein Kompliment: Wenn sie nicht da ist, fehlt sie.

Trotzdem: Gerne würde sie nachmittags auch einmal eine Pause einlegen und für ein paar Stunden hoch in ihre Wohnung gehen, schließlich hat sie einige Angestellte und ihre Schwägerin ist fast jeden Tag da. Bis jetzt klappt das noch nicht. "Meine Gäste sagen: Du musst das Wort Nein lernen", berichtet Hülya, um gleich darauf entrüstet zu sagen: "Das kann ich nicht!" Sie kommt aus einer Familie, die für ihre Existenz immer hart gearbeitet hat. Ihre Mutter, die seit über 20 Jahren bei Regens Wagner arbeitet, ist als Analphabetin nach Deutschland gekommen und lernt erst jetzt das Schreiben - in einem Deutschkurs, den Ehrenamtliche für Flüchtlinge anbieten.

Auch Hülya ist eine Kämpfernatur. "Ich habe immer an mich und mein Konzept geglaubt", sagt sie. Trotzdem wird sie im August drei Wochen schließen und mit ihrem Mann und ihren drei Söhnen in die Türkei fahren: "Ich bin ausgepowert." Nie hätte sie gedacht, dass es so hart ist, in der Gastronomie zu arbeiten. Das schlechte Wetter und die Baustelle in der Hohenwarter Ortsmitte waren in den vergangenen Monaten zusätzliche Hürden. Auf die Frage, ob sie jetzt ihren Traumberuf gefunden hat, muss sie dann auch einige Sekunden nachdenken. Dann aber kommt die Antwort sehr entschieden: "Ja", sagt sie. "Ich bereue es keine Sekunde."