Hohenwart
Gruselgeschichten aus Hohenwart

Heimatforscher Reinhard Haiplik faszinierte sein Publikum – Neues aus Hinterkaifeck

19.11.2014 | Stand 02.12.2020, 21:58 Uhr

Wer Reinhard Haipliks Gruselgeschichten gehört hat, sieht Hohenwart plötzlich mit ganz anderen Augen - Fotos: De Pascale

Hohenwart (SZ) Eine Veranstaltung, perfekt für einen trüben Novemberabend hat der Hohenwarter Seniorenkulturkreis auf die Beine gestellt: Um die 70 Menschen lauschten im Pfarrsaal gebannt Reinhard Haiplik und seinen Sagen, Legenden und Mythen rund um die Gegend von Hohenwart.

Reinhard Haiplik, Heimatreferent, Lehrer, Autor – und unglaublich guter Geschichtenerzähler. Ohne besonders zu theatralisieren erzählt er dennoch eindringlich, mit sonorer Stimme, schaurig-gruselige, zwar nicht unbedingt immer wahre, stets jedoch beeindruckende Geschichten, die sich um Hohenwart ranken.

Eine Multimediapräsentation? Braucht er nicht, sagt er. Und Haiplik hat recht: Die Geschichten sprechen für sich, lassen Bilder in den Köpfen der Menschen entstehen, die eindringlicher sind als jede an die Wand geklatschte Aufnahme.

Es sind grade jene Begebenheiten, die sich tatsächlich ereigneten, die so besonders unter die Haut gehen. Ereignisse, die die Menschen seit Jahrzehnten begleiten. So wie jenes von Eustachius Hell. Als Hohenwarter könne er sich noch gut an die Geschehnisse erinnern, hatte der Vize-Vorsitzende des Seniorenkulturkreises, Thomas Schmid, eingangs gesagt; daran, als Hundertschaften der Polizei Richtung Klosterberg zogen, wo der Sechsjährige oben im Haidforst ermordet gefunden wurde.

Überhaupt, der Haidforst: Ein Wald, der Reinhard Haiplik ganz besonders fasziniert. „Allein die Stimmung, die dieser Wald verbreitet: Dichte Nebelschwaden im November, hohe Bäume, Kreuze, die die Dämmerung in düsteres Licht taucht, sie so noch gespenstischer wirken lässt; dunkel und schwermütig liegt dieser Wald vor uns – ein Wald, der schon oft Schauplatz tragischer Ereignisse, erschütternder Unfälle und grausiger Verbrechen wurde“. Gänsehaut macht sich im Zuhörer-Raum breit, mucksmäuschenstill ist es.

„Viele meiden den Haidforst noch heute“, weiß Haiplik. Wenige Tage vor seiner bestialischen Ermordung habe Eustachius Hell seine Mutter gefragt: Mama, wenn ich sterbe, komme ich dann in den Himmel? „Manchmal steht eine ältere Frau vor dem Marterl im Haidforst und betet. Kommt man näher, läuft sie schnell weg“, sagt Haiplik – einer jener Momente, in der nicht so recht klar ist, wo genau der Übergang zum Mystischen stattgefunden hat, so geschickt erzählt Haiplik. „Es gibt in unserer Gegend keinen unheimlicheren Wald als den Haidforst. Eustachius Hell war nicht der einzige, der in diesem Wald den Tod fand.“

Wahres und Fiktives vermischt Haiplik in seiner Lesung versiert zu einem spannenden literarischen Gefüge, in dem er ebenso von Schlössern, Rittern und Hexen erzählt, von Jungfrauen auf Pferden, die im Paar-Altwasser badeten, wie auch durch viele bekannte Orte rund um Hohenwart streift: Freinhausen, Tegernbach, Englmannszell oder Schenkenau. Hier sei auch der legendäre Geisterpfarrer Georg Sperrer 1856 gestorben, verrät Haiplik. Geister soll er gebannt, Dämonen ausgetrieben und Kranke geheilt haben. „Viele Menschen glaubten fest an seine magischen Kräfte.“ Bei seinem Abschied aus Ehrenberg, wo er zuvor tätig war, sprach er von einem schweren Unglück, das über das Dorf hereinbrechen würde. Bald danach vernichtete ein Großbrand 17 Anwesen, sechs Menschen verloren dabei das Leben. Beim Tod von König Max I. verweigerte Sperrer das Trauergeläut. Die Begründung: Er dürfe nicht läuten, weil der Teufel selbst den König geholt habe.

Doch Haiplik räumt auch mit so manchem Mythos auf. So etwa jenem vom Schlupfaltar der Koppenwaller Kirche, jenem winzigen Gang, von dem viele fest überzeugt seien, dadurch von ihren Leiden erlöst zu werden. Das Ganze könnte auch eine ganz rationale Erklärung haben: „An dieser Kirche befinden sich nachweislich zwei Wasseradern“, erklärt Haiplik. Und die vielen sagenumwobenen Geheimgänge – die seien oft nur Bierkeller der Brauereien gewesen.

Kurze Momente zum Verschnaufen, bis es gleich wieder richtig gruselig wird: „Von der Klosterkirche soll ein unterirdischer Gang nach Hohenwart geführt haben“, berichtet Haiplik. Unruhig solle es darin zugehen, von unsichtbarer Hand erhalte der Eindringling Schläge, und manchmal sei an der Klosterkirche ein Klopfen zu hören.

„Schaffen Sie noch einen grausigen Mord? Einen echten“, fragt Haiplik irgendwann nach der Pause. Selbstverständlich, ist sich das Publikum einig. Es geht – um Hinterkaifeck (mehr im Bayern-Teil der heutigen Ausgabe).

Und Haiplik erzählt noch viele weitere Geschichten, die die Menschen berühren. Als gebürtigen Pfaffenhofener habe ihn Hohenwart schon als Kind fasziniert, gesteht er. Auch wenn er Unheimliches von der Gegend erzähle – „es wäre völlig gegen meine Absicht, diese Gegend als traurig oder niederdrückend darzustellen“. Auch deshalb, weil Hohenwart so reich an Schätzen sei, das Markttor beispielsweise – „für mich einer der schönsten Anblicke im Landkreis“, schwärmt Haiplik.

Wäre die Beleuchtung im Pfarrsaal noch ein klein wenig gedämpfter gewesen, wäre der Grusel absolut perfekt gewesen. Dennoch, nach der Lesung geht es raus auf die Straße. Und irgendwie scheint sich Hohenwart ein klein wenig verändert zu haben. Gespenstisch still liegt die Kapellenstraße in schaurigem Licht, stolzer denn je ragt das Markttor in den rabenschwarzen Himmel. Und irgendwo dahinter geht es Richtung Haidforst . . .