Grasheim
Die Weibchen sind zäher als die Männchen

SZ TRIFFT Peter Märtl aus Grasheim, der sich seit seiner Kindheit mit der Brieftaubenzucht beschäftigt

26.06.2017 | Stand 02.12.2020, 17:52 Uhr

Brieftauben starten nicht als Pärchen - einer von beiden bleibt bei den Rennen immer im heimischen Schlag. - Foto: Fuhrmann

Grasheim (SZ) Früher brachten sie Nachrichten von A nach B, boten Lebensqualität und waren ein systemrelevanter Faktor, heute sind sie Hobby: Brieftauben. Peter Märtl aus Grasheim ist einer derer, die die uralte Tradition am Leben halten.

Heute geht es um Sport, und es gibt durchaus interessante Wettbewerbe, die den Tieren alles abverlangen. Manchmal auch dem Züchter, wie Peter Märtl zugibt, aber vor allem dann doch den Tauben. Denn überall lauern Raubvögel, und gerade nach langen Reisen auf dem Weg zum Schlag macht sich dann doch Erschöpfung breit; die kann sich die Taube aber nicht leisten, wenn ein Jäger naht. "Wenn es ganz schlecht läuft, dann verliert man an einem Flugtag rund 20 Prozent der gestarteten Tauben", berichtet Märtl. Ganz abgesehen vom finanziellen Verlust geht das dem Züchter natürlich ans Herz.

Denn Märtl hat so etwas wie eine Beziehung zu seinen Tauben aufgebaut, viele haben einen Namen, er kann sie alle unterscheiden. Und er weiß auch, wer mit wem liiert ist, für den Renntag spielt das eine wichtige Rolle. Und jede Brieftaube hat eine Nummer, die er ebenfalls aus dem Stegreif zuordnen kann. Bei mehr als 100 Tieren hält das nebenbei auch den Geist des Rentners rege.

Seit Kindesbeinen beschäftigt sich Märtl mit den gefiederten Renn-Tieren. An die Anfangszeiten erinnert er sich noch gut: "Mein Großvater hat die Brieftauben am Renntag mit dem Fahrrad nach Neuburg zum Sammelpunkt gebracht und später wieder abgeholt." Mittlerweile übernehmen das regelrechte Reisebusse für Brieftauben, die sogenannten Kabinen-Expresse, auch "Kabi" genannt.

Brieftaubenzüchten ist übrigens nicht nur etwas für ältere Herren, im Hause Märtl kann man das gut sehen. Seit einigen Jahren unterstützt die Tochter den Vater beim gemeinsamen Hobby. Und mittlerweile ist auch Märtls Ehefrau nicht mehr ganz so angespannt, wenn wieder einer der 13 Renntage pro Jahr ansteht. "Früher musste man an solchen Tagen zu Hause bleiben, da man per Hand die Zeit des Fluges messen und weitergeben musste", erklärt der Züchter. Familienfeste, Sonntagsausflüge und Ähnliches waren da immer wieder tabu.

Auch Brieftaubenzüchten geht heute nicht mehr ohne Hightech ab. Alle Renn-Tiere sind mit Chips ausgestattet, die die durchschnittliche Geschwindigkeit pro Minute auf das Zehntel genau vermessen. Denn im "Rennsport für kleine Leute", wie das Brieftaubenzüchten gerne mal im Scherz genannt wird, geht es sehr genau zu. Zwar starten alle Tiere am gleichen Ort, dem Auflassá †platz, aber die Ziele, nämlich die heimischen Taubenschläge, sind logischerweise unterschiedlich weit entfernt.

Die Flugdaten kann Peter Märtl jederzeit auf seinem Handy abrufen und überprüfen. Dadurch bleibt auch mehr Zeit, seine Frau auszuführen. "Nervös bin ich trotzdem, schließlich will ich schon wissen, wo meine Tiere sind und wie es ihnen geht", gesteht er.

Was die Tauben leisten, ist sensationell. Flüge von bis zu 1000 Kilometern bewältigen die Tiere fast am Stück. Und das mit einer Geschwindigkeit von 60 bis 80 Kilometern pro Stunde. Auf Kurzstrecken schaffen sie bis zu Tempo 120. Nur wenn es sehr warm ist, landen die Tauben zwischendurch, um Wasser zu trinken. Übrigens sind die Weibchen zäher als Männchen, wie Peter Märtl berichtet. "Wie im echten Leben halt auch", fügt er noch lächelnd hinzu.

Die Entscheidung, welches Tier wann fliegt, liegt beim Züchter. Er kennt seine Tiere am besten. Von den Pärchen wird immer nur ein Tier auf die Reise geschickt. Der Partner oder die Partnerin wartet dann geduldig im Taubenschlag auf die bessere Hälfte. Denn das Ziel der fliegenden Brieftaube ist, davon ist Peter Märtl längst überzeugt, nicht irgendein Taubenschlag in Grasheim, sondern die Parzelle mit dem Vogel oder der Taube des Vertrauens.