Gerolsbach
"Probleme gibt es nicht, nur Herausforderungen"

Gerolsbachs Bürgermeister Seitz spricht über Windräder, Schulden und die Besonderheiten einer Gemeinde mit 77 Ortsteilen

06.11.2017 | Stand 02.12.2020, 17:15 Uhr

Weit verstreut liegen die 77 Ortsteile der Gemeinde Gerolsbach, die von vier Windrädern überragt wird. An den drei Anlagen im Gröbener Forst ist die Gemeinde beteiligt, das einzelne Windrad auf dem Salzberg gehört einem Privatmann. - Fotos: Haßfurter, Hofmann

Gerolsbach (SZ) Gerne wird die Kommunalpolitik in Gerolsbach ja auf die immer wieder mal aufflammenden Streitereien zwischen Bürgermeister Martin Seitz (CSU) und seinen inzwischen fraktionslosen Widersacher im und außerhalb des Gemeinderats, Stefan Maurer, reduziert. Das ist schade, hat sich doch Gerolsbach gerade in den vergangenen Jahren sehr gut entwickelt, auch dank des großen Engagements der Bürger für ihre Gemeinde, deren neue Wahrzeichen seit zwei Jahren im Gröbener Forst stehen und weithin zu sehen sind: die Windräder. Einnahmen aus dem Stromverkauf kann die Gemeinde gut brauchen, steht doch unter anderem die teure Schulhaussanierung bevor.

Herr Seitz, die Hälfte der aktuellen Wahlperiode ist vorüber. Wenn Sie auf Ihr Wahlprogramm von 2014 zurückblicken: Wie ist es bisher gelaufen mit der Umsetzung, was haben Sie schon erledigt, wo hakt es noch?

Bürgermeister Martin Seitz: Wir haben schon viel angepackt, auch Dinge, an die wir 2014 noch gar nicht gedacht haben. Ich zähle mal auf: Da ist der Breitbandausbau, für den ein Kooperationsvertrag abgeschlossen wurde und der Anfang 2019 abgeschlossen sein soll, zahlreiche Verbesserungen des gemeindlichen Straßennetzes - weitere Sanierungen stehen in der Pipeline, und das Staatliche Bauamt hat ja auch die Ortsdurchfahrt Gerolsbach, die eine Staatsstraße ist, erneuert. Durch die neuen Gehwege und zwei Ampelanlagen ist der Schulweg deutlich sicherer geworden. Jetzt sollen noch der Kreisverkehr gebaut und weitere Geh- und Radwege errichtet werden. Zwischen Strobenried und Euernbach wird ja schon gebaut, Gerolsbach-Jetzendorf, Singenbach-Oberweilenbach und Eisenhut-Euernbach sollen folgen. Der gemeindliche Bauhof wurde in den letzten beiden Jahren mit zwei neuen Traktoren bestückt. Bei der Dorferneuerung Alberzell stehen nächstes Jahr größere Straßensanierungsmaßnahmen an. Wir haben eine dritte Krippengruppe geschaffen, die Kindergartenküche modernisiert, verbessern ständig die Wasser- und Abwasserleitungen in der Gemeinde und haben mit dem Windkraftprojekt die Stromenergiewende auf kommunaler Ebene umgesetzt. Wir produzieren in unserer Gemeinde bereits 345 Prozent des verbrauchten Stroms aus regenerativen Quellen, und da ist das Ende der Fahnenstange noch gar nicht erreicht. Viele gemeindliche Liegenschaften wurden auf erneuerbare Heizenergie umgestellt, weitere sollen folgen. Bauland haben wir moderat ausgewiesen und tun das auch weiter, im neuen Mischgebiet Straßäcker III sind auch Wohnungen für sozial Schwache vorgesehen. Auch das zwischenmenschliche Engagement passt - ich erinnere nur an Bürgerfest, Weihnachtsmarkt und heuer die Präsentation der Gemeinde auf der kleinen Landesgartenschau. Und, nicht zu vergessen, wir haben die Pro-Kopf-Verschuldung gesenkt, unsere Finanzen stimmen. Und das ist auch wichtig, denn uns steht eine umfangreiche Schulsanierung bevor.

 

Die Schulhaussanierung ist sicherlich das große Thema der nächsten Jahre. Wie ist denn da der Stand der Planungen - und gibt es schon einen ungefähren Zeitplan?

Seitz: Da wurde ja ein Bürgerentscheid durchgeführt, bei dem unsere Bürger uns den Auftrag erteilt haben, die Schule zu sanieren. Das geht jetzt aber alles nicht so schnell. Erst einmal sind weitere Abstimmungsarbeiten erforderlich, Fördergelder müssen beantragt und Detailplanungen ausgearbeitet werden. Das Umsetzungskonzept und die Kostenvorstellung müssen im Gemeinderat abgestimmt werden. Erste Arbeiten könnten dann eventuell in den Sommerferien 2018 stattfinden.

 

Die finanzielle Lage der Gemeinde Gerolsbach ist ja nicht so einfach zu durchschauen. Im Haushalt werden kontinuierlich Schulden abgebaut, doch das Kommunalunternehmen hat Verbindlichkeiten in Millionenhöhe, zum Beispiel für die Windräder. Und jetzt muss auch noch die Schulsanierung finanziert werden. Geben Sie uns doch mal einen Überblick.

Seitz: Es stimmt nicht, dass die finanzielle Lage der Gemeinde schwer zu durchschauen wäre. Bei uns werden zwei Systeme angewandt, Kameralistik bei der Gemeinde und Doppik im Kommunalunternehmen. Das ist in vielen anderen Kommunen, zum Beispiel Schrobenhausen, Pfaffenhofen, Reichertshausen oder Petershausen, genauso. Im Kommunalunternehmen sind selbsttragende Schulden vorhanden. Unter anderem die Beteiligung an den Windrädern - der Anfangsbestand waren da zirka 2,2 Millionen Euro. Wobei der Schuldendienst aus den jährlichen Windstromerlösen geleistet wird, das ist also selbsttragend. Ähnlich verhält es sich mit den kommunalen Photovoltaikanlagen. Die Bereiche Wasser und Abwasser sind kostenrechnende Einrichtungen, die im Globalsystem von den Anschließern finanziert werden müssen. Der fünfte Bereich des Kommunalunternehmens ist der Rathausbau. Der aktuelle Schuldendienst erfolgt über Mieteinnahmen und soll schlussendlich mit den regenerativen Stromeinnahmen abgeschlossen werden. Die Finanzierung der Schulhaussanierung ist noch nicht endgültig geklärt. Hier gibt es verschiedene Ansatzpunkte, wobei natürlich die staatlichen Fördermittel eine große Rolle spielen.

 

Keine andere Gemeinde im Schrobenhausener Land hat so viele Ortsteile wie Gerolsbach. Bringt das besondere strukturelle Probleme mit sich - zum Beispiel im Hinblick auf den gerade laufenden Breitbandausbau?

Seitz: Gerolsbach hat 77 wunderschöne Ortsteile, verteilt auf eine Fläche von zirka 58 Quadratkilometer. Probleme gibt es nicht, nur Herausforderungen. Dass Gerolsbach besonders ist, hat ja auch wieder kürzlich die Landesregierung erkannt. Auf hartnäckiges Betreiben unsererseits kam unsere Gemeinde in den Genuss von erhöhten Fördergeldern für den Breitbandausbau. Ursprünglich wurde die anstehende Maßnahme mit einer von der Gemeinde zu bezahlenden Deckungslücke von 1,63 Millionen Euro mit 950 000 Euro bezuschusst, doch im Rahmen des sogenannten Höfebonus wurden noch einmal mehr als 250 000 Euro zugesagt. Der Eigenanteil unserer Gemeinde beziffert sich für diese Ausbaumaßnahme also noch auf 400 000 Euro. Rechnet man noch die Gelder vom ersten Ausbauverfahren hinzu, hat unsere Gemeinde bereits über 600 000 Euro für eine Aufgabe ausgegeben, die keine ursächlich kommunale ist. Aber nun können zirka 800 Haushalte auf Antragstellung einen Glasfaseranschluss bis Anfang 2019 beziehen.

 

Was steht bis zum Ende des Jahres noch auf der Agenda?

Seitz: Wir haben schon noch einiges zu tun. Die Breitbandausbauarbeiten laufen bereits, ebenso der Bau des Geh- und Radwegs Euernbach-Strobenried - Maßnahmenträger ist hier das Staatliche Bauamt Ingolstadt. Kleinere Restarbeiten sind noch am Baugebiet Am Eichet in Alberzell erforderlich, für die Modernisierung des Prozessleitsystems der Wasserversorgung wird die Ausschreibung vorbereitet. Außerdem laufen derzeit gleich acht Bauleitplanverfahren - das sind die Wohnbaugebiete Sonnleitenring und Aichmühle, die vierte Änderung des Sondergebiets Pferdesport, Ergänzungssatzungen für Gröben und Einsassen, das Mischgebiet Straßäcker III und zwei Änderungen des Flächennutzungsplans. Und, nicht zu vergessen, sind wir in Grundstücksverhandlungen für weitere Geh- und Radwege - und die weitere Umsetzung des Feuerwehrkonzeptes läuft, sprich die Auftragsvergabe für Feuerwehrautos.

 

Die Fragen stellte

Bernd Hofmann.
 

Zeit für eine Zwischenbilanz


Das Jahr 2017 neigt sich so langsam dem Ende entgegen. In den Gemeinden im Schrobenhausener Land ist wieder einiges geschafft worden, vielerorts wird auch noch an Straßen oder Bebauungsplänen, an Kanälen oder Kinderkrippen gearbeitet. Nicht alles, was derzeit die Verantwortlichen in den Gemeinden beschäftigt, war schon 2014, als die bisher letzten Kommunalwahlen in Bayern stattfanden, absehbar, manches tauchte damals in den Wahlprogrammen noch gar nicht auf. Bei dem einen oder anderen Projekt dagegen, das von den Kandidaten damals angekündigt wurde, hakt es schon seit Jahren, geht es einfach nicht weiter.
Inzwischen ist die Hälfte der noch bis 2020 laufenden Wahlperiode vorüber. Wie läuft’s denn in den Gemeinden? Und welche Versprechen sind noch nicht eingelöst worden? Wir haben bei den Bürgermeistern nachgefragt.