Gerolsbach
Tagesmütter in Sorge

Städtetag will Stundensätze reformieren – Viele Betreuerinnen befürchten nun Einbußen

20.08.2014 | Stand 02.12.2020, 22:20 Uhr

Auch das Zubereiten des Mittagessens gehört zu den Aufgaben einer Tagesmutter. Künftig soll es in der Stundenpauschale inbegriffen sein. - Fotos: Böhm

Gerolsbach (SZ) Tagesmütter begehren auf: Der bayerische Landkreis- und Städtetag will die Honorierung der Betreuerinnen reformieren. Viele befürchten dadurch finanzielle Nachteile. So auch Martina Joostema in Gerolsbach.

Der Arbeitstag von Martina Joostema beginnt morgens kurz nach 7 Uhr, wenn das erste Tageskind bei ihr abgeben wird. Noch bevor es gegen 12.30 Uhr wieder abgeholt wird, kommen die Schulkinder an. An manchen Tagen kommt auch noch ein Kindergartenkind dazu. Joostema arbeitet in Gerolsbach als Tagesmutter, und nach dem gemeinsamen Mittagessen hat sie alle Hände voll zu tun, den Bedürfnissen ihrer Tageskinder gerecht zu werden: Bei den Hausaufgaben helfen, zu Freizeitaktivitäten oder ins Training fahren, Spielangebote schaffen, trösten, wickeln, füttern.

Seit 2002 ist sie Tagesmutter. Eine Tätigkeit, die ihr Freude bereitet. Doch in diesen Tagen rechnet sie ganz genau, ob es ein Beruf ist, der sich für sie wirklich lohnt. Der Grund für die Zweifel ist eine Empfehlung des bayerischen Landkreis- und Städtetages, die einschneidende Veränderungen bei der Honorierung der Tagesmütter vorsieht. „Wenn das wirklich so umgesetzt wird, müssen wir Tagesmütter mit erheblichen Einbußen rechnen.“

Die Empfehlung vom vergangenen Jahr sieht einen Stundensatz von 3,81 Euro für Kinder unter drei Jahren und einen Stundensatz von 3,07 Euro für Kinder ab drei Jahren vor. Kinder mit Behinderung können mit 6,70 Euro abgerechnet werden. „Aktuell erhalte ich pro Kind und gebuchter Wochenstunde 3,09 Euro“, so die Tagesmutter. Statt der bisher festgelegten 35 Schließtage (Urlaub, Krankheit, Fortbildung, aber auch Krankheit der eigenen Kinder), sollen es künftig nur noch 20 Schließtage sein. Und das Jugendamt rechnet genau vier Wochen im Monat ab. „Da bleiben immer ein paar Tage unbezahlt.“

Zudem fällt gemäß der Empfehlung die Möglichkeit weg, Sachaufwand wie Essensgeld zusätzlich abzurechnen. Vielmehr wäre künftig ein Anteil von 1,50 Euro im Stundensatz für den Sachaufwand reserviert, nur noch der verbleibende Rest des Stundensatzes wäre Arbeitsentgelt. Unbeachtet bleibt auch die Zeit, die für Elterngespräche, Verwaltungsarbeit, Putzen, Anschaffung von Spielsachen oder Weiterbildung verwendet wird, ebenso Benzinkosten, wenn Kinder gefahren werden müssen.

Dabei leisten die rund 70 Tagesmütter im Landkreis Pfaffenhofen umfangreichen Service: „Wenn die berufstätige Mutter den Zug verpasst, sind wir Tagesmütter eben länger für das Kind da.“ Ein hoher Zugewinn an „Lebensqualität“ für die Familie sei das, findet Martina Joostema. „Wir haben keine festen Öffnungszeiten wie die Krippe.“ Das sei ja gerade der Vorteil der Betreuung durch die Tagesmutter: Die familiäre Atmosphäre, wo auch die Freunde aus Kindergarten und Schule am Nachmittag erreichbar sind.

Wenn sie Müttern die Frage stelle, warum sie nicht die Betreuung durch eine Tagesmutter wählen, käme oft die Antwort: Das sei viel teurer als die Krippe. „Was aber nicht der Fall ist“, so Joostema. Für Tagesmütter gibt es feste Vorgaben vom Gesetzgeber, etwa über die Gesamtanzahl der Betreuungsverträge und die Maximalzahl der gleichzeitig betreuten Kinder. Das Problem: Auch ein Kind, das nur an einem Nachmittag kommt, gilt als ein Vertrag. Dies galt auch bisher so und soll die Kinder, die in Tagespflege gegeben werden, schützen.

Die Neuregelung, erklärt Joostema, funktioniere am besten dann, wenn man von fünf Kindern ausgehe, die die ganze Woche über zu den gleichen Zeiten betreut werden. Bei ihrer Konstellation jedoch – und damit ist sie kein Einzelfall – würden die neuen Stundensätze, zusammen mit einer Kürzung der bezahlten Schließtage und der Einrechnung des Essensgeldes zu Einkommenseinbußen führen – von etwa 20 Prozent. Um die Einbußen zu mildern, müsste sie künftig die „kleinen Verträge“ über nur einen einzelnen Tag in der Woche ablehnen und möglichst nur noch unter Dreijährige aufnehmen. Denn die bringen den besseren Stundensatz – und der Hausaufgabenstress fiele auch weg. Gut möglich, dass das ein Stück weit gewollt war: Es wird attraktiver für Tagesmütter, unter Dreijährige aufzunehmen. Dies würde einem Krippenplatzmangel entgegen wirken.

Derzeit ist die Empfehlung im Landkreis Pfaffenhofen noch nicht umgesetzt. Elke Dürr, Leiterin des Jugendamtes, geht davon aus, dass zumindest nicht weniger Mittel aus Fördertöpfen zur Verfügung stehen werden. Dass sich dennoch einige Tagesmütter beklagen, erklärt sie so: „Es gibt eine andere Verteilung.“ Mit ihrem Anliegen haben sich die Tagesmütter bereits an einige Landkreisbürgermeister und auch an Landrat Martin Wolf (CSU) sowie an das Pfaffenhofener Jugendamt gewandt. Sie sind auf Verständnis für das Problem gestoßen. „Wir nehmen die Tagesmütter ernst“, sagt Dürr. Auch Landrat Wolf ist entschlossen, den Tagesmüttern zu helfen: „Wir wollen unsere Tagesmütter im Landkreis unbedingt halten.“ Deshalb finde ein „enger Dialog“ statt. Sollte dieser zum Ergebnis haben, die Stundensätze auf Landkreisebene über die Empfehlung hinaus aufzustocken, so müsse natürlich geklärt sein, woher das Geld dann kommt. „Derzeit unterstützt der Landkreis bereits jede Tagesmutter mit etwa tausend Euro im Jahr.“ Ihm sei klar, dass die Empfehlung den Tagesmüttern Erschwernisse bringt, nicht nur wegen der geänderten Stundensätze, sondern auch durch die neuen Urlaubs- und Krankheitsregelungen.