Gerolsbach
Hilm wird ein Fall für die Justiz

Gemeinderat Gerolsbach beschließt die Einziehung der Zufahrt zum Einödhof

18.10.2017 | Stand 02.12.2020, 17:20 Uhr

Bei der Erweiterung des Gerolsbacher Kindergartens Villa Kunterbunt haben sich im Zuge der Bauarbeiten einige kleine Abweichungen von der Planung ergeben, die insgesamt rund 10 000 Euro kosten, unter anderem ging es um ein paar Malerarbeiten, Trockenbau, Zimmerarbeiten, eine Anpassung in der Küche sowie 60 Quadratmeter Rollrasen, damit die Kinder heuer noch und nicht erst nächstes Jahr die Außenanlagen nutzen können. Der Gemeinderat stimmt einstimmig zu, nur Stefan Maurer war in einem Punkt dagegen. - Foto: Petry

Gerolsbach (SZ) Es geht wohl vor Gericht: Drei Monate haben die Inhaber des Anwesens Hilm Zeit, Widerspruch einzulegen. Tun sie das nicht, werden sie bald keine Zufahrt von der Kreisstraße PAF 7 mehr haben (wir berichten). Der Gerolsbacher Gemeinderat hat jetzt beschlossen, die Zufahrt aufzulösen.

Bürgermeister Martin Seitz hatte den Beschluss raffiniert eingefädelt: Der öffentlich gewidmete Weg nach Hilm endet nämlich nach etwa zwei Dritteln der Strecke und geht dann in einen Privatweg über. In der Natur kaum noch zu erkennen ist die eigentliche Fortsetzung des Feldweges, der sogenannte Branstweg, der seit Jahrzehnten nicht mehr genutzt wird und längst Teil des benachbarten Golfplatzes geworden ist. Die Hilmer hatten einst auf dem Gerichtsweg gefordert, diesen Branstweg wieder instand zu setzen - erfolglos. Am Dienstag ließ Seitz diesen Branstweg einziehen, nur der fraktionslose Gemeinderat Stefan Maurer, privat Berater der Hilmer, war dagegen. Damit ist der öffentliche Teil des Feldwegs nach Hilm nur noch eine Stichstraße, die ins Leere läuft; abgesehen davon, dass er eben den Privatweg der Hilmer bedient.

"Wir brauchen den Hilmer Weg jetzt nicht mehr", sagte Bürgermeister Seitz. Ausführlich erklärte er noch einmal die Vorgeschichte: "Seit 1963 wird um den Weg gestritten. Die drei Eigentümer können sich nicht auf den Standard einigen." Zweien genüge der vorhandene Zustand, den Hilmern nicht. Laut Vereinbarung müssten die Hilmer aber gerade einmal vier Zehntel der Instandsetzungskosten tragen. "Und wir kriegen ständig Anwaltsschreiben, dass die Gemeinde das regeln soll. Aber ich finde: Wenn ich was brauche, muss ich halt mal auf die anderen zugehen." Er habe versucht, alle Beteiligten an einen Tisch zu bekommen, "aber die Hilmer reden nicht mit mir. Deshalb beantrage ich, den Weg aufzuheben - um das zu klären. Dann haben wir endlich Rechtssicherheit, denn sonst ist das alles wischiwaschi."

Stefan Maurer sah das anders: "Es ist festgelegt, wer die Straßenbaulast hat, und es ist auch festgelegt, wer wie viel zu bezahlen hat, das ist doch nicht wischiwaschi. Dass man hier eine Hauptzufahrt einzieht, ist für mich nichts anderes als Schikane. Über die Motive kann sich jeder seine Gedanken machen - der Weg geht durch den Golfplatz durch . . . Für mich ist das pure Willkür und hat mit Rechtstaatlichkeit nichts zu tun."

Annette Schütz-Finkenzeller wunderte sich, dass Bürgermeister Seitz so offen ausspricht, dass er eine juristische Klärung haben will; aus ihrer Sicht sei schließlich eine öffentliche Erschließung einer privaten immer vorzuziehen - und das Stück vom öffentlichen Hilmer Weg zum Hof sei viel kürzer als die Zufahrt vom Westen. Seitz dachte gar nicht daran, um den heißen Brei zu reden: "Die Frau aus Hilm hat uns beim Branstweg auch vors Gericht gezerrt und nicht gefragt, ob uns das passt,", sagte er. Im Übrigen habe er Hinweise darauf, dass etliche Nutzer des Hilmer Wegs nicht gerade pfleglich mit der Straße umgingen, "die Pferdeleute aber schon!" Wie berichtet, wird das Anwesen unter anderem als Pferdestall genutzt. "Wer den Weg aufarbeitet, sollte ihn auch richten", fand Seitz.

Rudi Lönner wunderte sich über die ganze Debatte: "Es geht doch um nicht viel. Wenn die Hilmer, die den Weg nutzen, das Aufschottern zahlen, dann wäre doch Ruhe!" Und er erinnerte daran, dass die Hilmer ihrerseits nicht gerade kooperativ seien. Tatsächlich steht am Beginn des Privatwegs ein Schild mit der Aufschrift "Videoüberwachung". "Wer mit dem Radl durchfährt, wird von den Hilmern bedroht", sagte Lönner, "die wollen alles haben, aber selber nichts geben."

Martin Seitz nickte. "Wir sind als Gemeinde immer mittendrin. Darum lasst uns das rechtlich klären, dann ist die Sache erledigt - das ist ein ganz normaler Vorgang." Dafür bekam Seitz Unterstützung, zunächst von Jakob Buchberger: "Das wäre doch wirklich keine große Sache, den Weg zu richten. Wenn die sich nicht einigen können, muss man das so machen."

Und Peter Wörle ergänzte, dass die Hilmer ihrerseits die Zufahrt von Westen her verkommen ließen. "Der vergraste Weg, der in der Zeitung zu sehen war, war früher mit dem Mähdrescher befahrbar", berichtet er. "Die Situation ist mutwillig herbeigeführt worden, ich unterstütze den Bürgermeister bei dem mutigen Weg, das vor Gericht klären zu lassen. Meiner Meinung nach hat die Frau aus Hilm den falschen Ratgeber." Der heißt Stefan Maurer, und der stimmte zusammen mit Annette Schütz-Finkenzeller als einziger gegen die Aufhebung der Zufahrt. Damit sind nun die Hilmer in Zugzwang, wenn sie ihre Zufahrt behalten wollen.

Kommentar

Schwierig ist das schon, wenn eine Gemeinde ihre Bürger regelrecht vor Gericht zwingt, um zu ihrem Recht zu kommen, wie hier, im Fall Hilm. Tatsächlich ist diese Systematik in den vergangenen Jahren mehr und mehr zur Normalität geworden. Als beispielsweise das Baurecht in Bayern durch den damaligen Innenminister Günter Beckstein Anfang der Nullerjahre dereguliert wurde, zogen die Prämien der Rechtsschutzversicherungen ordentlich an - mit gutem Grund, wie sich herausstellte. Je weniger die Behörden regulieren, umso mehr müssen das Gerichte machen. Für die Gemeinden und die Landratsämter ist der Gang zur Justiz heute ein ganz normaler Vorgang, für betroffene Bürger bleibt er unschön. Zumal dann, wenn sich Nachbarn auch noch gegenseitig verklagen sollen, um die ganz banale Frage zu klären, ob das, was der andere tut, rechtens ist - weil die Behörden raus sind und sich zurücklehnen können. Verbindliche Rechtsauskünfte ohne den Weg übers Gericht zu bekommen, wird immer schwieriger. Zum Beispiel die Haftungsfrage in Hilm: Hängt die Gemeinde mit drin, wenn auf einem Einödhof Menschen Schaden nehmen, weil die marode Zufahrt für Rettungsfahrzeuge nicht mehr geeignet ist - und das der Gemeinde bekannt war? Im Gerolsbacher Rathaus geht man davon aus, dass das nicht der Fall ist, das Landratsamt Pfaffenhofen befindet es - wie in anderen Konflikten dieser Art auch - nicht für nötig, eine solche Frage zu klären. Ministerien äußern sich grundsätzlich nicht zu konkreten Fällen. Was bleibt am Ende? Rechtsunsicherheit - oder tatsächlich der Gang vors Gericht. Der gesunde Menschenverstand sagt: So sollte das nicht sein. Im Fall Hilm ist die Hürde, vor Gericht zu gehen, vielleicht etwas niedriger, weil die Inhaberin (die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will) ihr Anwesen abschottet und auf ihr verbrieftes Recht pocht - sie darf das natürlich, besonders geschickt ist das nicht. Hätte man den Prozess vermeiden können? Vielleicht hätten die anderen Beteiligten ihrerseits die Vereinbarung zur Kostenübernahme für die Instandhaltung des Weges kündigen können. Hätte, wäre, könnte. Die Anwälte können sich jetzt die Hände reiben. Mathias Petry