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Sixtich

Die Rahmenbedingungen der Planung

20.11.2014 | Stand 02.12.2020, 21:58 Uhr

Gachenbach (dk) Die beiden sind sich einig: Gachenbachs Bürgermeister Alfred Lengler (CSU) und Neuburg-Schrobenhausens Landrat Roland Weigert (FW). Das ist nicht immer der Fall, dafür sind beide bekannt. Beim Thema Windkraft aber herrscht Einigkeit: Beide wollen die Energiewende. Nicht irgendwo, sondern in ihrer Heimat. Kein Strom mehr als nötig aus Kohle oder gar Atomkraft. Das ruft natürlich Gegner auf den Plan.

Davon kann Gachenbachs Bürgermeister Alfred Lengler ein Lied singen: „Alles, was vor dem Haus der Bürger passiert, ist ein Problem. Wenn ein Hundehaufen vor der Wohlfühloase liegt, wer wird angerufen? Der Bürgermeister.“ In Sachen Windkraft erlebt Lengler gerade sehr deutlich, wie emotional das Thema von den Menschen diskutiert wird.

„Gachenbach ist ja überall in Deutschland“, sagt Weigert. Bislang sei der Strom für die Menschen aus der Steckdose gekommen, nun werde er quasi hinter dem Haus der Bürger produziert. Die Energiewende ist für den Landrat eine Generationenaufgabe. „Wir werden das nicht in fünf Jahren hinbekommen.“ Dafür müssten die Menschen tradierte Verhaltensmuster ändern. Genau da sieht Weigert die größten Probleme: „Jede Verhaltensänderung ist das mithin Schwierigste überhaupt.“

Was die beiden in der Scharnitz bei Gachenbach geplanten Windräder angeht, hat Lengler das wohl schon geahnt. Darum hat er nach eigenen Worten bereits in der Bürgerversammlung am 27. Februar vor zwei Jahren das Windkraftprojekt angesprochen. „Und dann habe ich es bei jeder Bürgerversammlung wiederholt.“ Sogar zwei spezielle Informationsabende dazu hat es in Gachenbach gegeben (wir berichteten). „Wenn es nicht um das Geld der Bürger geht, interessiert es sie nicht“, spricht Lengler aus Erfahrung. „Es gibt immer Gegner, egal, was Du machst.“ Lengler hat noch eine Erfahrung gemacht: „Die Gegner hört man immer am lautesten schreien.“

Genau das will der Bürgermeister nicht. Darum hat er allen rund 1900 Wahlberechtigten in seiner Gemeinde eine Frage gestellt – schriftlich: „Sind Sie für das Windenergieprojekt Scharnitz“ Noch bis kommende Woche können sich alle Bürger ihre Antwort auf diese Frage überlegen. Mit einem Ja oder Nein haben sie dann die Zukunft des Projektes in der Hand.

In der Scharnitz sollen zwei Windkraftanlagen nahe der Bundesstraße B 300 entstehen. Wie Lengler sagt, sollen sie jeweils eine Gesamthöhe von 200 Metern haben. Von Gachenbach selbst stünden sie rund 1400 Meter entfernt, von Westerham seien es immer noch rund 1045 Meter. Jede Anlage für sich trage dazu bei, dass 2500 Tonnen Kohle pro Jahr weniger als bisher für die Energiegewinnung verbrannt werden müssten. Auch finanziell werde die Gemeinde von dem Windkraftprojekt profitieren, ist sich Lengler sicher. Er hat ausgerechnet, dass durch die beiden Windräder in 20 Jahren insgesamt 200 000 Euro an Gewerbesteuern in die Gemeindekassen geweht werden.

Das hört auch der Landrat gerne: „Energiepolitik ist Industriepolitik und dann sind wir ganz schnell bei der Wertschöpfung.“ Die Kreisgemeinden sollten sich prosperierend entwickeln, damit werde der Standort und natürlich so auch die Kreisumlage gesichert. Schließlich, sagt Weigert, habe der Landkreis ja keine eigenen Einnahmen.

Doch Weigert blickt auch gerne mal über den Tellerrand seines Landkreises hinaus bis in die Landespolitik. „Man spielt das Thema Energiewende nicht mit der nötigen Energie.“ Statt der Gründung eines Heimatministeriums für Bayern wäre der Aufbau ein Energieministeriums wichtiger gewesen.

Der vom Landtag verabschiedeten 10-H-Regelung für Windkraftanlagen kann Weigert dagegen schon etwas mehr abgewinnen. Seiner Meinung nach müssten die Anlagen nicht unbedingt das Zehnfache ihrer Höhe von Wohnhäusern entfernt stehen, aber ein anderer Vorteil des Gesetzes liege auf der Hand: „Die Bürgermeister und Gemeinderäte haben quasi die Finger drauf, wie sich das Gemeinwesen entwickelt.“

Genau da scheiden sich nun die Geister von Weigert und Lengler. „Jetzt kommt der dicke Hals des CSU-Kreisvorsitzenden gegenüber dem Heimatabgeordneten“, sagt Lengler. Dank Ministerpräsident Horst Seehofer sei „plötzlich alles anders, weil die Gegner am meisten schimpfen“. Das Gesetz sei überhaupt nicht durchdacht. Außerdem erschwere es den Bürgerenergiegenossenschaften, Windkraftprojekte in die Tat umzusetzen. „Den Schwarzen Peter haben wir in den Gemeinden“, so Lengler. Das werde er aber „all den Ja-Sagern“, die im Landtag das Gesetz mit beschlossen hätten, noch persönlich sagen.

Den Dialog sucht Weigert ebenfalls, wenn auch mehr mit den Gegnern der Windkraftanlagen. Die hoch emotionale Debatte um die Windkraft zeige, wie tief die Probleme für die Menschen gingen. Themen wie den Infraschall müsse man ernst nehmen: „Das geht so weit, dass manche Menschen damit nicht mehr leben können.“ Akzeptanz für die Windkraft gebe es nicht durch Verordnungen von oben: „Die Gemeinden müssen Betroffenheit und politische Beteiligung schaffen“, sagt Weigert.

Da ist Gachenbach für Weigert ganz weit vorne dabei mit seiner Umfrage: „Ich begrüße die Befragungsaktion.“ Übrigens bislang die einzige in dieser Form im Landkreis, so Weigert. Er sieht aber auch die Gefahr: „Der Bürgermeister lässt sich auf ein Spiel ein, das seine Handlungsfähigkeit einschränken kann.“ Wie groß Lenglers Spielraum sein wird, zeigt sich bei der Auszählung der Fragebögen am Freitag, 28. November. Im Januar spricht der Gemeinderat sein letztes Wort in der Angelegenheit.