Diepoltshofen
Kreative Wortwahl in der Baugenehmigung

Anwohner eines Schweinestalls fühlen sich vom Landratsamt hinters Licht geführt

24.11.2017 | Stand 02.12.2020, 17:10 Uhr
Um rund zwei Meter höher müssten eigentlich die Kamine dieses Schweinestalls bei Diepoltshofen sein, meinen Anlieger. Im Landratsamt sagt man, der Landwirt habe sie der Baugenehmigung entsprechend errichtet. Das stimmt ja, sagen die Anlieger - allerdings sei die Baugenehmigung falsch. −Foto: Hofmann

Diepoltshofen (SZ) Schwer enttäuscht vom Landratsamt in Neuburg sind Johann und Kreszentia Arzberger sowie Erwin und Christine Mayr. Nicht nur, dass wegen eines Fehlers in der Baugenehmigung die Kamine eines Schweinestalls in ihrer Nähe deutlich zu niedrig seien, regt sie auf.

Nein, nun wolle die Landkreisbehörde auch keinen Fehler gemacht haben und schiebe alle Schuld von sich.

"Jetzt wäre es an derZeit, dass LandratRoland Weigert einMachtwort spricht."

Anwohner des Schweinestalls

Aber die Betroffenen wehren sich. "Wir machen das für unsere Kinder und unsere Enkel", sagt Johann Arzberger. Und nicht nur für die, ergänzt Christine Mayr: "Da geht es um die Gesundheit der Bürger." Dass die Abluft eines Stalls, in dem rund 1500 Schweine gehalten werden, nicht gerade Kurortqualität hat, dürfte bekannt sein. Den vier Bürgern aus Diepoltshofen und Ammersberg geht es allerdings nicht nur um die Geruchsbelastung, sondern auch um gesundheitsgefährdende Keime, die in dem umfangreichen Genehmigungsverfahren für den Schweinestall, das sogar Gerichtsverhandlungen umfasste, mehrfach thematisiert wurden. Und es geht darum, dass eine Behörde nicht zu ihrem Fehler stehe, wie die Arzbergers und die Mayrs meinen.

Die Logik ist für die Anwohner des Stalls ganz einfach: Je höher der Kamin ist, aus dem die Schweinestallluft in die Umgebung geblasen wird, desto besser. Denn dann werden Gestank und Keime besser verteilt. Und es gibt sogar ein Gutachten - damals übrigens vom Schweinestallbetreiber in Auftrag gegeben -, das diese Logik unterstützt. In einem Kapitel der 70-seitigen Abhandlung ist die Rede von Kaltluftabflüssen in Richtung Diepoltshofen, die laut Gutachter "nicht ausgeschlossen" werden könnten. Weiter heißt es: "Kaltluftabflüsse spielen vor allem bei bodennahen Emissionen eine Rolle." Eine Kaminhöhe von zwölf Metern über dem Gelände ist für den Gutachter deshalb in Ordnung, denn: "Zukünftig ist die Möglichkeit, dass Emissionen aus den Kaminen mit dem Kaltluftstrom in Richtung Ortschaft verfrachtet werden, von vorneherein auszuschließen, da die Kamine künftig zwölf Meter über Grund emittieren werden."

In der Baugenehmigung für den Schweinestall steht nun aber, dass die Kamine "zwölf Meter über Erdgleiche" hoch werden sollten. Grund und Erdgleiche, das ist doch dasselbe - oder? Könnte man als Laie meinen. Und das dachten die Arzbergers und die Mayrs ursprünglich auch. Es ist aber nicht dasselbe: Bei "über Grund" ist die Geländehöhe außen die Bezugsgröße, bei "über Erdgleiche" der Stallboden innen. Und weil der Stall im Süden in den Hang hineingebaut ist, liegt die äußere Geländehöhe dort, wo die Kamine stehen, deutlich über der Bodenhöhe innen. Um rund zwei Meter geht es da, schätzt Johann Arzberger. Zwei Meter, die dafür sorgen, dass die Abluft nun doch in die Kaltluftschicht geraten kann - um dann direkt nach Diepoltshofen zu fließen.

Im Landratsamt beruft man sich darauf, dass hier dem Gutachter eine Ungenauigkeit unterlaufen sei (wir berichteten). Alles kein Grund zur Aufregung, heißt es aus Neuburg, schließlich habe der Gutachter auf Nachfrage bestätigt, dass die jetzt in der Baugenehmigung stehende Regelung in seinem Sinne sei. Und außerdem habe das Landratsamt die im Gutachten verlangte Kaminhöhe von "drei Metern über First" mit seiner Forderung von "fünf Metern über First" sogar noch übertroffen.

Die Betroffenen sehen das ganz anders. Was die Höhe über First angeht, habe das Landratsamt wohl übersehen, dass es sich hier nicht um eine Oder-, sondern um eine Und-Formulierung gehandelt habe. Das heißt: Die Höhe von mehr als drei Metern über First sei völlig egal, wenn nicht auch die Höhe von zwölf Metern über Grund eingehalten werde. So steht es auch in den "Auflagenvorschlägen", die das Gutachten enthält. "Und" steht da. Nicht "oder". Ungenau habe hier nicht der Gutachter gearbeitet, sagen die Betroffenen, sondern vielmehr das Landratsamt.

Und dann ist da noch die obskure Formulierung "über Erdgleiche". Als sie sich von einem Rechtsanwalt beraten ließen - denn natürlich wollen sich die betroffenen Bürger das nicht einfach alles so bieten lassen -, habe der diesen Begriff erst einmal googeln müssen, erzählen sie. Die Formulierung ist also offenbar nicht unbedingt gebräuchlich. Für die Schweinestallanwohner hat es jedenfalls den Anschein, als hätte man im Landratsamt dem Betreiber des Stalls bei der Kaminhöhe ein wenig entgegenkommen wollen und, damit das nicht gleich so auffällt, nicht die Höhe von zwölf Metern geändert, sondern lieber die Bezugsgröße von "Grund" zu "Erdgleiche".

Konrad Schneider, Leiter des Sachgebiets Immissionsschutz im Landratsamt, erklärt auf Anfrage unserer Zeitung, dass es keinen Grund gebe, eine Erhöhung der Kamine auf zwölf Meter über Grund zu fordern, weil der Schweinemäster ja so gebaut habe, wie es der Genehmigungsbescheid verlange. Es gehe hier letztlich um 1,30 Meter Unterschied, und die seien "nicht entscheidend", weil es bei der freien Abströmung der Abluft in erster Linie auf die Höhe über First ankomme. Waidhofens Bürgermeister Josef Lechner habe ihm, Schneider, zudem gesagt, dass sich bei der Gemeinde keine weiteren Bürger aus Diepoltshofen über den Stall beschwert hätten.

Für Johann und Kreszentia Arzberger, Erwin und Christine Mayr ist das Ganze jedenfalls eine "Unverschämtheit". Zuerst habe der Landwirt die Kamine seines Schweinestalls schon zu niedrig gebaut. Dann sollte im Zuge der Stallerweiterung eine Abluftreinigungsanlage nachgerüstet werden, die vor Gericht aber gekippt wurde. Und jetzt baue man nicht mal die Kamine so hoch wie gefordert. Die vier Bürger betonen, dass das Gutachten, auf das sich die Baugenehmigung gründet, nach amtlicher Bekanntgabe vier Wochen zur Einsichtnahme öffentlich ausgelegen war. Darin sei die Kaminhöhe von zwölf Metern über Grund verzeichnet gewesen, und daran sei auch das Landratsamt gebunden, das könne also im Nachhinein weder vom Landratsamt noch vom Gutachter geändert werden.

Wer sich als kleiner Bürger gegen so etwas wehren wolle, habe kaum mehr eine andere Wahl, als vor Gericht zu gehen, meinen die Betroffenen. Ihre Forderung haben sie sogar schriftlich formuliert: "Jetzt wäre es an der Zeit, dass Landrat Roland Weigert ein Machtwort spricht und die Kamine, so wie im Gutachten eindeutig beschrieben, zwölf Meter über Grund bauen lässt."