Schrobenhausen
Der Mann mit dem eigenen Ring

13.08.2017 | Stand 02.12.2020, 17:39 Uhr
Seit genau 50 Jahren gibt es ihn inzwischen, den Bürgermeister-Stocker-Ring, der gleich außerhalb des grünen Bandes des Stadtwalls rund um die Schrobenhausener Altstadt führt. Bereits wenige Tage nach dem Tod des Ehrenbürgers war der bisherige Ost- und Westring umbenannt worden. −Foto: Haßfurter

Er war Virginia-Raucher, für Späße zu haben, volksnah, vorausschauend, menschlich: Schrobenhausens langjähriger Bürgermeister Fritz Stocker. Längst ist er eine Legende. Heute jährt sich sein Todestag zum 50. Mal.

Am Tage der Beerdigung, bei der 20 Redner auftraten und 80 Kränze niedergelegt wurden, erklärte der amtierende Bürgermeister Sigmund Boniberger, dass der Schrobenhausener Stadtrat beschlossen habe, die Straße um die Altstadt, die bis dahin als Ostring und Westring bezeichnet wurde, in Bürgermeister-Stocker-Ring umzubenennen, um einen Mann zu ehren, der schon zu Lebzeiten eine Schrobenhausener Legende war, und ihm damit ein dauerndes Andenken zu sichern. Fritz Stocker kann mit 22 Jahren noch immer auf die längste Amtszeit eines Schrobenhausener Bürgermeisters in der Nachkriegszeit zurückblicken.

Zunächst wurde er, der schon vor 1933 für die SPD im Stadtrat saß und als strikter Gegner des Nationalsozialismus bekannt war, im Mai 1945 von der Amerikanischen Militärregierung als Bürgermeister eingesetzt. Als im Januar 1946 die ersten freien Kommunalwahlen nach dem Ende des Krieges stattfanden, holte die SPD sieben Sitze, die CSU fünf. Stocker wurde nach der damals geltenden Gemeindeordnung vom Stadtrat zum Bürgermeister gewählt, und zwar einstimmig. Bei den folgenden Kommunalwahlen lag Stocker uneinholbar vorne und ab 1956 gab es bei den Bürgermeisterwahlen keinen Gegenkandidaten mehr, weil niemand sich gegen ihn eine Wahlniederlage einhandeln wollte. Stocker war außerdem seit 1946 durchgehend im Schrobenhausener Kreistag gesessen und viele Jahre lang im Kreisausschuss tätig.

Ursprünglich hatte der am 28. April 1894 in Kühbach in einfachen Verhältnissen geborene Stocker das Bäckerhandwerk erlernt, später war er als Maschinist bei der Papierfabrik Leinfelder beschäftigt. Im Rahmen der Gleichschaltung des Schrobenhausener Stadtrats im März 1933 wurde Stocker zusammen mit den anderen sozialdemokratischen Stadträten verhaftet. Ab Sommer 1933 gehörten dem Stadtrat nur noch Nationalsozialisten an. Als „Staatsfeind Nummer eins“ habe er während der ganzen NS-Zeit gegolten, ist überliefert, vielleicht verhinderte seine Popularität, dass er ins Konzentrationslager eingeliefert wurde.

Als Stocker nach dem Ende des Weltkriegs die städtischen Geschicke übernahm, war auch Schrobenhausen im Umbruch und stand vor schier unlösbaren Aufgaben. Da die Stadt von Bombardierungen und Kriegszerstörungen weitgehend verschont geblieben war, wurden ihr sehr viele Flüchtlinge und Heimatvertriebene zugewiesen, weit mehr als den meisten anderen Städten. So wuchs die Bevölkerung nach 1946 sprunghaft an. Hatte die Stadt im Jahr 1939 noch 5193 Einwohner, waren es Ende 1946 bereits 8070.

Die Wohnungsbeschaffung für die rund 3000 Neubürger war daher eine der wichtigsten Aufgaben, die von Bürgermeister, Stadtrat, Flüchtlingskommissar und dem städtischen Wohnungsamt gelöst werden mussten. Neue Stadtviertel entstanden, so die Siedlung am Kellerberg. Die Siedlung Drei Linden wurde erweitert und auch auf der Platte wurde gebaut.

Die Stadt wuchs nach allen Seiten. Straßen mussten gebaut, Wasserversorgung und Kanalisation laufend erweitert werden. Firmen siedelten sich an, einheimische Betriebe expandierten, viele neue Arbeitsplätze wurden geschaffen, sodass die meisten Heimatvertriebenen in Schrobenhausen dauerhaft ansässig wurden. Großprojekte wurden verwirklicht: So wurde zum Beispiel 1961 das neue Gebäude der Oberrealschule fertiggestellt, die ab 1965 die offizielle Bezeichnung Gymnasium führte und für die die Stadt noch dreieinhalb Jahrzehnte Sachaufwandsträger war. Im gleichen Jahr eröffnete offiziell das neue städtische Freibad und 1967 ging die erste Schrobenhausener Zentralkläranlage in Betrieb.

Die Bürgermeisterwahl 1966 hatte Stocker ohne Gegenkandidaten für sich entschieden, doch bald verstärkten sich die gesundheitlichen Probleme. Ende Mai 1967 schrieb Stocker: „Durch mein hohes Alter und insbesondere durch meinen derzeitigen Gesundheitszustand bin ich gehindert, meine Amtsgeschäfte als Erster Bürgermeister der Stadt weiterhin wahrzunehmen. Ich bitte deshalb, mich mit Ablauf des 31. Mai 1967 zu entlassen.“ In der Stadtratssitzung, in der seinem Gesuch stattgegeben wurde, verlieh ihm der Schrobenhausener Stadtrat einstimmig das Ehrenbürgerrecht. Am 15. August 1967 starb der neue Ehrenbürger.

Warum Fritz Stocker so populär war, wird in Würdigungen der zeitgenössischen Presse nicht nur mit seinen Leistungen, sondern auch mit seinen persönlichen Eigenschaften erklärt. So sei er immer ein humorvoller Gesellschafter gewesen, schlagfertiger Unterhalter ganzer Dämmerschoppenrunden. Er habe immer ein Herz für die „Kleinen“ gehabt, für jeden nicht nur ein offenes Wort, sondern auch ein offenes Herz. Nie seien Stand, Hab und Gut für ihn von Bedeutung gewesen, sondern immer nur der Mensch.