Brunnen
Neues Siegel für alte Schlepper

TÜV-Prüfer Martin Koch nimmt bei einem Sammeltermin in Brunnen 25 Traktoren unter die Lupe

12.12.2014 | Stand 02.12.2020, 21:52 Uhr

Vielfalt am laufenden Band: Beim Schlepper-TÜV in Brunnen war vom Oldtimer bis zum hochmodernen Traktor alles dabei. Beim Sammeltermin für landwirtschaftliche Zugmaschinen kamen insgesamt 25 Bulldogs auf den Prüfstand - Fotos: Schmied

Brunnen (SZ) Es ist ein Konzert der besonderen Art. Klassisch, mitunter elegant, stets handfest. Schon von Weitem hört man an diesem Tag gleichmäßiges Tuckern, später klangvolles Hupen und in regelmäßigem Abstand quietschende Reifen. Dieselgeruch liegt in der Luft, der Geschmack sogar auf der Zunge. Markus Koch steht dick eingepackt vor einer Gaststätte in Brunnen, die linke Hand ob der niedrigen Temperaturen in der Tasche vergraben. Mit der Rechten spielt er mit den kleinen, runden Aufklebern. Heuer sind sie rostrot, gültig bis Dezember 2016. „Um acht war noch nicht viel los“, sagt der Prüfer vom TÜV Süd. „Jetzt geht es Schlag auf Schlag.“

Prompt biegt ein Kandidat um die Ecke. Eicher Diesel. Baujahr 1957. Blassblau, rote Felgen. „So, wie sich das gehört“, meint Albert Herrmann, als er vom mit rotem Stoff bezogenen Fahrersitz rutscht. Er nutzt den TÜV-Sammeltermin für landwirtschaftliche Zugmaschinen gern, fährt seinen Oldtimer stets hierher, wenn wieder eine Hauptuntersuchung ansteht. „Das ist praktisch, weil ich direkt aus Brunnen komme.“ Stolz schweift sein Blick über das Familienschmuckstück, das quasi direkt vom Werk auf den elterlichen Hof gekommen ist. „Damals hat es noch nicht so viele Traktoren gegeben. Das war schon was Besonderes.“ Die Landwirtschaft hat Herrmann vor etwa 15 Jahren aufgegeben, die Felder verpachtet. Den Eicher hat er behalten. „Als Hobby.“

Linker Arm, rechter Blinker. Rechter Arm, linker Blinker. Spiegelverkehrt, denn Koch hat sich vor einem John Deere postiert und gibt dem Fahrer per Handzeichen Anweisungen. Passt. Jetzt der Scheibenwischer. Der TÜV-Prüfer hebt die rechte Hand und bewegt den Zeigefinger hin und her. Das Wischerblatt folgt der Bewegung, nachdem Josef Schrittenloher den Schalter betätigt hat. Einwandfrei. Koch ist zufrieden. Der Landwirt aus Niederarnbach ist heute bereits das zweite Mal vorgefahren, der Same hat die Prüfung schon hinter sich. „Sammeltermine sind super, weil man alles in einem Aufwasch erledigen kann“, sagt Schrittenloher. Mit dem Fahrzeugschein in der Hand macht er sich auf Richtung Gaststätte.

Lenkung, Bremsen, Reifen – 25 Mal wird Koch dieses Spiel heute wiederholen. Große und kleine, alte und neue Schlepper, sie alle tragen am Ende des Tages ein neues TÜV-Siegel. „Das läuft in der Regel immer so ab“, sagt der Prüfer, als auch er den Weg zur Wirtsstube einschlägt. Die Zeiten werden dennoch ruhiger, erklärt Koch. „Seit es in Brunnen eine Firma gibt, die ebenfalls Hauptuntersuchungen auf Terminbasis vornimmt, ist der Andrang hier nicht mehr so groß.“ Er erntet zustimmendes Nicken von den Männern, die sich ebenfalls noch eine Weile im Warmen zusammensetzen wollen, bevor sie ihre Bulldogs heimfahren. „Früher herrschte den ganzen Tag Hochbetrieb mit zwei Prüfern und einer Schreibkraft“, erinnert sich einer, als er durch die Tür tritt. „Das ganze Dorf war da auf den Beinen.“

Den Ansturm an diesem Tag findet Koch dennoch ordentlich. Um acht hatte er in der Wirtsstube sein Lager aufgeschlagen. Nun zieht er sich die Mütze vom Kopf und nimmt Platz. Laptop, Formulare, Stempel: Der TÜV-Prüfer muss nur den großen, schwarzen Koffer aufklappen und sein Büro breitet sich vor ihm aus. Die Daten der Fahrzeugscheine tippt Koch gewissenhaft in seinen Computer. Die Liste für seine Untersuchungsbefunde ist vorgefertigt: Etwa 3500 Mängel bietet das elektronische Formular an. „Das war die letzte Gesetzesänderung“, erklärt er, und sie besage, dass seit ein paar Jahren der Gesetzgeber festlegt, wie ein festgestellter Mangel bewertet werden muss. „Davor war es Abwägungssache, ob man das Siegel vergibt oder nicht. Heute ist es nur Schwarz oder Weiß.“ Ob das besser ist? „Wenn man schon vor der Untersuchung merkt, dass etwas am Traktor nicht passt, rate ich dem Besitzer, das erstmal zu reparieren.“ Manchmal hilft er selber aus. Für kleinere Defekte hat er Sicherungen dabei. „Bei den meisten Bulldogs hapert es mit der Beleuchtung, das kann man damit schnell beheben.“

Pro Untersuchung kassiert Koch 40 Euro. „Hier ist die Quittung – und hier der Fahrzeugschein.“ Albert Herrmann nimmt die Papiere für seinen Eicher entgegen und setzt sich zu den anderen. Acht Männer haben inzwischen in der Stube Platz genommen und nutzen die Zeit für einen Plausch. Neue Modelle, neue Reifen, Pferdestärken. „Beim Schlepper-TÜV sind meist nur Männer anwesend“, erklärt Koch und lacht. „Heute Morgen waren aber tatsächlich schon zwei Frauen da.“ Die hatten offenbar keine Zeit für einen Ratsch in der Stube.

Das ist es, was dem TÜV-Prüfer an seinem Beruf gefällt: die Abwechslung. Seit zwölf Jahren nimmt der gelernte Fahrzeugmechaniker aus Langenmosen alles, was Räder hat, genauestens unter die Lupe. In der Prüfstelle in Schrobenhausen sind das Autos, Lastwagen, Motorräder und Roller. Manchmal auch Kräne und Betonmischer. Und einmal im Jahr Schlepper in Brunnen. Ausstattung Standard oder Serienstand – kein Problem mehr für Koch. „Wenn etwas abweicht, schaut man nach.“ Das Konzert geht indes weiter: Von draußen tönt erneut ein Tuckern herein. „Auf geht’s.“ Der TÜV-Prüfer zieht seine Jacke an, streift sich die Mütze über und wagt sich in die Kälte. Sitzen wird er heute nicht viel. Das ist ihm egal. „Hauptsache, am Ende ist alles glatt gelaufen.“