Bockhof
Sandy und das gute Gewissen der Verbraucher

Landwirtsfamilie Winter hat sich für eine Zweinutzungshühnerrasse entschieden

23.01.2017 | Stand 02.12.2020, 18:45 Uhr

Im Stall können sich die Hühner frei bewegen. Durch mehrere Durchlässe geht es in den Wintergarten.

Bockhof (SZ) Eine Legehenne soll möglichst viele Eier produzieren, muss dafür aber auch nicht sonderlich viel Fleisch auf der Brust haben. Die Verlierer dieser Züchtungsphilosophie sind männliche Küken, die, kaum ausgeschlüpft, zu Abermillionen vernichtet werden. Landwirtsfamilie Winter vom Bockhof bei Gerolsbach will bei diesem Wahnsinn nicht mehr mitmachen: Sie hat sich fürs Zweinutzungshuhn entschieden.

Eierproduktion ist Frauensache. Zumindest aus Sicht der Hühner. 2000 Sandys - so der Name der Rasse - leben seit einigen Tagen auf dem Bockhof, einem Biobauernhof zwischen Gerolsbach und Strobenried. 20 Hähne sind auch dabei, das sei Vorschrift, erklärt Martin Winter jun.: "Im Biobereich musst du pro 100 Hühner einen Gockel haben." Dessen Aufgabe sei es vor allem, auf seine Damen aufzupassen, damit die sich in Ruhe ihrem Job, dem Eierlegen, widmen können. Besonders im Freiland sei der Hahn für die Hennen wichtig: "Wenn ein Habicht kommt, dann scheucht er sie schon rein", weiß Winter.

Ein Hahn auf 100 Hühner, und das auch nur bei Biohaltung: Man muss nicht sonderlich gut in Mathematik und Biologie sein, um zu sehen, dass bei der Eierproduktion männliche Tiere eher stören. Und weil die Rassen so hochgezüchtet sind, dass sie nur eines können, also entweder Eier legen oder gut Fleisch ansetzen, werden allein in Deutschland, wie die Tierschutzorganisation Peta schreibt, jedes Jahr rund 50 Millionen Babyhähne vergast oder geschreddert. "Für die Leute ist das nicht verständlich", weiß Martin Winter sen.: "Die sagen, ihr seid bio, und trotzdem bringt ihr die Gockel um."

Deshalb haben die Winters, die erst im dritten Jahr Legehennen halten, nun auf das Zweinutzungshuhn umgestellt. Mit diesem Begriff werden Rassen bezeichnet, die sowohl akzeptable Mastergebnisse zeigen als auch für die Legehaltung geeignet sind. Zwar keine Eier legenden Wollmilchsäue, aber nahe dran. Die Weibchen werden Legehennen, die Männchen zu Masthähnchen - wenn man nicht generell die Nutzung von Tieren zur menschlichen Ernährung verteufelt, ist das sicherlich ein wichtiger Beitrag zum Tierschutz. "Der Grundgedanke, der dahinter steckt, ist super", meint auch Winter jun. Warum sollte man Küken aussortieren und vernichten, wenn daraus Nutztiere werden können: "Das ist ein Lebewesen, das muss man nicht ohne Grund umbringen."

Auf dem Bockhof sollen es die Hühner gut haben - auch, wenn es derzeit etwas beengt zugeht. Denn wegen der Stallpflicht, einer Vorsichtsmaßnahme gegen die Vogelgrippe, kann die Weide, auf der die Tiere in Sichtweite von sieben großen Windrädern frei laufen könnten, nicht geöffnet werden. Die vielen weißen Sandys wuseln also geschäftig im Stall herum und im sogenannten Wintergarten - der nicht etwa so heißt, weil er bei Familie Winter ist, sondern der wirklich ein eingehauster Anbau an das Stallgebäude ist. In diesen beiden Bereichen können sich die Tiere frei bewegen. Mehrmals am Tag läuft auf einem Laufband frisches Biofutter durch den Raum, an dem sie sich satt essen können. Und es gibt eine spezielle Abteilung, in die sie sich zurückziehen können, um ihre Eier abzulegen. 1900 Stück am Tag sollen es mal sein - doch da die Hennen noch sehr jung sind, fangen sie gerade erst an mit dem Legen. 20 Wochen sind sie alt, mit 17 Wochen haben die Winters sie vom Züchter bekommen (die Sandy-Hähne werden an entsprechende Mastbetriebe verkauft). Rund 13 bis 15 Monate bleiben sie auf dem Hof, dann lässt die Legeleistung nach. Auch diese Hennen werden dann nicht entsorgt, sondern landen noch im Kochtopf, als Suppenhühner, sagt Martin Winter jun.

Die Legeleistung der Sandy-Hühner liege im Vergleich zu anderen Rassen im Mittelfeld. Dennoch birgt die Umstellung auf die neue Rasse für Familie Winter ein finanzielles Risiko, denn die Tiere sind in der Anschaffung pro Stück um 4,50 Euro teurer als die bisherigen Lohmann-brown-Hennen. Das wirkt sich natürlich auch auf den Eierpreis aus, der im Biobereich wegen der hohen Ansprüche an Platz und Futter von Grund auf schon deutlich höher ist als bei normaler Boden- oder gar Käfighaltung. "Der Verbraucher muss mitmachen", sagt Winter sen., der als Biolandwirt aber auch feststellt, dass es immer mehr Menschen gibt, die sich Gedanken über das Tierwohl machen und durchaus bereit sind, den einen oder anderen Extracent fürs gute Gewissen draufzulegen.

Was den Tierschutz in der Landwirtschaft angeht, "sind wir Biobauern schon immer vorangegangen", meint Martin Winter sen. Vielleicht wird ja auch das Zweinutzungshuhn zum Trend. Damit bald gar keine lebenden Küken mehr geschreddert werden müssen.