Autenzell
Meine kleine Unabhängigkeit mit 16

VON JUGENDLICHEN FÜR JUGENDLICHE: SZ-Praktikanten schreiben über Themen, die sie bewegen

15.11.2017 | Stand 02.12.2020, 17:12 Uhr

Anna Fischhaber und ihr ganzer Stolz: ihr Microcar. Das hat 45 Pferdestärken unter der Haube. Vielleicht nicht genug, um zum Raser zu werden, aber genug für Anna. Denn sie ist noch keine 18 Jahre alt und auch ohne Eltern, Bus oder Bahn mobil. - Foto: Renate Fischhaber

Autenzell (SZ) Ein kleines Auto mit einem 45er-Schild hinten auf der Heckklappe und ein jugendlicher Fahrer am Steuer - immer mehr solcher kleinen sogenannten Microcars sieht man auf der Straße fahren. Auch ich habe so eines.

Als ich 15 Jahre alt war, wollte ich wie die meisten anderen auch einen Führerschein haben, um selbstständig von A nach B zu gelangen. Gerade als Jugendliche auf dem Land - ich wohne in Autenzell - ist das nämlich ziemlich schwer. Zu Hause wurde überlegt, welches Fahrzeug denn am sinnvollsten wäre. Ein Roller? Ein Moped? Nach einigem Hin und Her fiel die Entscheidung auf ein Microcar mit 45 km/h. "Mit einem Moped bist du zwar schneller unterwegs, aber bei Regen und Schnee ist es ziemlich ungemütlich und dann dürfen wir dich doch wieder fahren", erklärte mein Papa die Entscheidung. Ich fand das einleuchtend. Überall trocken ankommen und noch dazu mit immer noch perfekten Haaren - super!

Was man allerdings wissen sollte: Ein Microcar ist nicht billig, ein neues bekommt man ab 9000 Euro. Damit ist es so teuer wie ein normaler Kleinstwagen. Aber es gibt Vorteile: Man muss nur eine einzige Versicherung abschließen, zum TÜV muss man gar nicht und die KFZ-Steuer entfällt komplett. Dafür hat man eine Zentralverriegelung, eine Heizung und optional ist auch ein Airbag vorhanden. Außerdem hat ein 45-km/h-Auto im Schnitt einen Dieselverbrauch von 3 Litern auf 100 Kilometer - Umweltzonen in Städten sind für mich damit kein Hindernis. Und das Gefühl von Sicherheit ist auch größer als auf einem Roller. Außerdem kann man zwischen verschiedenen Modellen wählen, die meisten sind ziemlich sportlich konzipiert, um den Jugendlichen zu gefallen.

Für mich war es am wichtigsten, einen großen Kofferraum zu besitzen, um alles Mögliche unterzubringen. Mein Kofferraum ist so groß, dass ich locker fünf Getränkekisten unterbringe - und da habe ich noch nicht einmal angefangen zu stapeln. Große Einkäufe sind also gar kein Problem für mich.

Neben einem geräumigen Kofferraum besitzt das Kleinauto auch einen Beifahrersitz, so können Verwandte oder Freunde ganz leicht mitgenommen werden. Meine Schwester freut sich jedes Mal wieder, wenn ich sie zu ihren Freundinnen fahre. Man könnte sagen, mein Microcar ist wie ein Smart mit einem großen Kofferraum, nur eben langsamer.

Um ein 45-km/h-Auto fahren zu dürfen, benötigt man die Führerscheinklasse AM, die gilt auch für Roller mit einem Hubraum von 50 Kubikzentimetern. Für Mofas sowieso. Die theoretische Ausbildung in der Fahrschule darf man ein halbes Jahr vor dem 16. Geburtstag beginnen, dann muss man 14 Unterrichtseinheiten besuchen. Eine theoretische Prüfung gibt es auch, die kann drei Monate davor bestritten werden. Nach einigen Fahrstunden, die sich am Können des Fahrschülers orientieren, darf einen Monat vor dem 16. Geburtstag die praktische Prüfung gemacht werden.

Mit der bestandenen Prüfung in der Tasche musste ich nur noch auf meinen langersehnten Geburtstag warten. Dies fiel mir aber nicht allzu schwer, da mein Microcar erst einen Tag davor in der Garage stand. Natürlich fuhr ich dann an meinem Geburtstag die erste kleine Spritztour. Schwer getan habe ich mich nicht, Automatikschaltung sei Dank: Nur Gas geben oder Bremsen, das bekommt eigentlich jeder hin. Trotzdem war es am Anfang schon ein komisches Gefühl, alleine in die Schule zu fahren. Das 45-km/h-Auto hat doch die Größe eines kleinen Kraftwagens, deshalb dauerte das erste Ein- und Ausparken etwas länger. Man will das neue Prachtstück ja nicht gleich anfahren.

Das Tolle an meinem Auto ist, dass ich auch viel Fahrpraxis für den späteren Autoführerschein sammeln kann. Aber auch für meine Eltern hat der Kauf des Microcars einiges erleichtert. Auf dem Land fahren nur sehr selten Busse, wenn ich eine Freundin besuchen wollte, musste selbstverständlich Taxi Mama mich herumkutschieren. Nun spart auch sie sich Zeit. Und ich, ich bin viel unabhängiger, kann selbst entscheiden, wann, wo und wie lange ich mich mit meinen Freunden treffe. Ich komme auf jeden Fall zu meinem gewünschten Ziel, ich muss nur aufpassen, dass ich auf keine Kraftfahrstraßen und Autobahnen fahre. Wobei das im Schrobenhausener Land nicht schwer ist. Hier darf ich lediglich auf ein paar kurzen Abschnitten der B 300 nicht fahren.

Etwas beängstigend ist es natürlich schon, wenn ich in den Rückspiegel schaue und hinter mir ein Auto angerast kommt. Die müssen dann natürlich erstmal stark abbremsen, ich kann ja nicht schneller als 45. Aber an dieser Stelle muss ich einen Dank an die Autofahrer aussprechen, sie benehmen sich alle rücksichtsvoll, vielleicht auch aufgrund des großen 45er-Schildes, das hinten angebracht ist. Ob sie sich in ihrer Jugend auch ein solches Auto gewünscht hätten?

Gerade auf dem Land kommt es natürlich auch öfter mal vor, dass vor mir ein Traktor fährt, der meistens noch langsamer als mein Fahrzeug geht. Eben mal überholen ist da nicht möglich, das dauert schon etwas, bis ich an einem Traktor vorbeigezogen bin. Das ist dann fast ein bisschen wie ein Schneckenwettrennen - das am Ende natürlich ich gewinne. Es kommt übrigens auch vor, dass mich schwere 40-Tonner überholen. Dabei kann man sich daneben schon mal ganz klein fühlen. Doch im Regen hat mir keiner was voraus, da tun mir die Rollerfahrer dann schon ein bisschen leid. Mir ein Microcar zu kaufen, war eine Entscheidung, die goldrichtig war. Ich kann es jedem Jugendlichen nur empfehlen.