Aresing
Familien und Fußballstars bevorzugt

Unsicherheit, diffuse Ängste und Hilfsangebote: Aresinger beschäftigen sich mit dem Thema Flüchtlinge

02.07.2015 | Stand 02.12.2020, 21:07 Uhr

Foto: Günter Preckel

Aresing (SZ) Auch in der Gemeinde Aresing werden demnächst Asylbewerber einziehen. Dass darüber im Grunde nicht mehr debattiert werden muss, stellte Landrat Roland Weigert am Mittwoch bei einem Informationsabend klar. Diskutiert wurde trotzdem – zum Teil auch emotional.

„Ich weiß, das ist ein heißes Thema“, sagte Bürgermeister Klaus Angermeier gleich zu Beginn der Versammlung, zu der rund 120 Bürger in den von der Hitze des Tages aufgeheizten Saal gekommen waren, „aber wir sollten alle einen kühlen Kopf bewahren.“ Diesem Appell kamen die Aresinger dann auch im Großen und Ganzen nach. Manche wollten von den Vertretern des Landratsamts – Landrat Roland Weigert und seinem zuständigen Abteilungsleiter Roland Weingut – sowie von Wolfgang Amler vom Caritasverband der Diözese Augsburg genauere Informationen haben, andere fragten nach Hilfsmöglichkeiten und einige beklagten sich auch über das Vorhaben, die Flüchtlinge im Alten Wirt unterzubringen.

 

DER ALTE WIRT


Der Alte Wirt sei grundsätzlich für die Beherbergung von Asylbewerbern geeignet, sagte Angermeier eingangs, aber das Gebäude müsse noch hergerichtet werden. Der Mietvertrag werde generell zwischen dem Landratsamt und dem Eigentümer, Baron Umberto von Beck-Peccoz, abgeschlossen. Dabei werde der ortsübliche Mietpreis gezahlt, zuzüglich eines Aufschlags von einem Euro pro Quadratmeter wegen der intensiveren Belegung. Im ersten Stock könnten 19 Menschen Platz finden, im Erdgeschoss eventuell weitere 16. „Wobei die Zahlen mit Vorsicht zu genießen sind“, wie Angermeier sagte.

 

DAS LEHNER-ANWESEN


Das Lehner-Anwesen hatte die Gemeinde einst für die Unterbringung von Obdachlosen angemietet. Da jedem Asylbewerber sieben Quadratmeter Platz zuständen und das Haus zwei jeweils 20 Quadratmeter große Zimmer habe, könnten dort allerdings nur vier Flüchtlinge untergebracht werden, erläuterte der Bürgermeister. Das lohne sich nicht. Im Zusammenhang mit dem Alten Wirt, wenn also sowieso mehrere Asylbewerber nach Aresing kämen, könne die Sache aber anders aussehen. Das Lehner-Anwesen, so Angermeier, „wäre ideal für eine junge Familie“.

 

DIE HERAUSFORDERUNG


Der Landkreis Neuburg-Schrobenhausen erhalte „zunächst, bis auf Weiteres“ wöchentlich eine „Zwangszuweisung“ von 15 Asylbewerbern, erklärte Weigert. Die müssen untergebracht werden, und da könne weder der Landrat noch der Bürgermeister etwas dafür. Es seien Bundesgesetze, die zu vollziehen seien. Bis Jahresende sei davon auszugehen, dass jede Gemeinde ein Prozent ihrer Einwohnerzahl an Flüchtlingen aufgenommen hat. Und dann? „Gehen Sie mal nicht davon aus, dass diese Flüchtlingsströme abnehmen“, sagte Weigert.

Derzeit leben in der Noterstaufnahmeeinrichtung in den Sporthallen des Descartes-Gymnasiums in Neuburg 150 Menschen. Hier bleiben sie vier bis zehn Wochen, dann werden sie dezentral untergebracht, bis nach mehreren Monaten bis Jahren ihr Asylverfahren abgeschlossen ist. In dieser zweiten Phase der Unterbringung seien derzeit weitere 500 Menschen im Landkreis, davon 430 in der seit Jahrzehnten bestehenden Gemeinschaftsunterkunft in Neuburg. Die Stadt habe ihre Ein-Prozent-Quote damit übererfüllt, stellte Weigert klar.

Deshalb seien nun die Gemeinden an der Reihe – Weigert verwies auf die „Solidargemeinschaft“. Das Landratsamt sei zwar ständig dabei, weitere Unterkünfte zu bekommen (Weigert: „Da sind wir ganz guter Dinge, dass das funktioniert.“), doch bis August, wenn in Schrobenhausen ein Containerdorf für 94 Personen fertig sein soll, gebe es nichts mehr. Deshalb sei der Landkreis so froh, dass Schrobenhausens Bürgermeister Karlheinz Stephan kurzfristig die Stadthalle zur Verfügung gestellt hat (wir berichteten). „Hohen Respekt vor diesem Mann“, bekundete Weigert, denn „er hat uns Luft geschenkt zum Atmen.“ Lang reichen werde diese Luft allerdings nicht, wenn Woche für Woche 15 weitere Asylbewerber im Landkreis ankommen. Er verstehe die Bedenken der Menschen wegen der Fremden in ihren Heimatorten, „aber im Kern ist das eine Herausforderung. Das ist eine humanitäre Aufgabe“. Auf die Frage, ob die Ein-Prozent-Quote auch für 2016 gelte, sagte Weigert: „Was im nächsten Jahr auf uns zukommt, wissen wir nicht.“

 

DER RATSBESCHLUSS


Der Aresinger Gemeinderat hat, wie berichtet, am Montag einer Nutzungsänderung des Alten Wirts nicht zugestimmt. „Das hat mich nicht unbedingt begeistert“, sagte Landrat Roland Weigert, es sei aber gelebte Demokratie. Und offenbar nicht weiter von Bedeutung, denn: „Soweit wir das derzeit absehen können, ist das gemeindliche Einvernehmen rechtswidrig verweigert worden.“ Das Landratsamt, so Weigert, werde nun prüfen, ob das gemeindliche Einvernehmen ersetzt werden müsse. Auch ohne dieses Einvernehmen, sagte Bürgermeister Angermeier, könnten im Alten Wirt bis zu 15 Flüchtlinge untergebracht werden, mehr allerdings nicht.

 

DER NACHBAR


„Kein Mensch hat was gegen zwei Familien oder drei“, sagte ein Nachbar der Gastwirtschaft. Aber 30 oder 35 Asylbewerber im Alten Wirt seien zu viel, meinte der Mann, der die Eignung des Gebäudes generell infrage stellte: „An der Klitschen ist 35 Jahre nichts gemacht worden.“ Da sei es besser, gleich ein Containerdorf aufzustellen. Container am Ortsrand seien keine Lösung, fand Bürgermeister Angermeier, während eine Frau dazwischenrief: „Die sollen raus!“

DIE ÄNGSTE


Was passiert, wenn keine Familien nach Aresing kommen, sondern nur alleinstehende, junge, Männer? Auf welche Ideen könnten die kommen, wenn ihnen langweilig wird? Diese Fragen treiben offenbar einige Aresinger um. „Können da Verbrecher dabei sein“, fragte ein Bürger. Theoretisch ja, antwortete Weigert, allerdings werde in den Erstaufnahmeeinrichtungen bei jedem Asylbewerber eine erkennungsdienstliche Behandlung vorgenommen.

„Ich verlange, dass ein Zaun um den Alten Wirt rumgemacht wird“, sagte ein Bürger. Weigerts Antwort: „Die Leute, die da kommen, sind keine Raubtiere!“ Man höre immer wieder von Vergewaltigern und Räubern unter den Asylbewerbern, sagte eine Frau. „Das sind Einzelfälle“, stellte Wolfgang Amler von der Caritas klar, und Bürgermeister Angermeier warf ein: „Es gibt auch deutsche Vergewaltiger – nur zur Info.“ Es gebe Fälle, dass Frauen von Asylbewerbern belästigt würden, sagte Amler, doch das sei eher in Ingolstadt ein Problem, wo sehr viele junge Männer untergebracht seien.

Natürlich müsse man den Flüchtlingen sagen, wie sie sich hier, in einem für sie fremden Land, benehmen müssten, sagte Weigert, und wenn einer über die Strenge schlage, „dann ist es unsere Aufgabe, dass wir ihm seine Grenzen aufzeigen – aber das machen wir nicht über eine Bürgermiliz“. Dafür, so Weigert, seien der Bürgermeister, der Landrat, der Pfarrer oder die Polizei da.

Ob der Landkreis zu Zwangsrequirierungen schreite, wenn er auf dem Markt keine Unterkünfte finde, wurde schließlich noch gefragt. Davon sei man „Stand heute Lichtjahre entfernt“, sagte Weigert. Zuvor müssten schon sämtliche Turnhallen des Landkreises belegt sein.

 

DIE HELFER


„Dass wir noch viele Helfer brauchen, darüber müssen wir nicht reden“, sagte Angermeier, der im Saal Zettel verteilte, auf denen jeder seine Fähigkeiten und Hilfsangebote eintragen konnte. Einige bekam er gleich am Abend ausgefüllt zurück. Zum Beispiel gebe es keine Sprachkurse für Asylbewerber, sagte Wolfgang Amler, „da wird man sich auf die Ehrenamtlichen vor Ort verlassen müssen“. Auch Beschäftigungsangebote seien wünschenswert – von der ehrenamtlichen Mitarbeit im Bauhof bis zur Einbindung in die Vereine. „Den Leuten fällt doch die Decke auf den Kopf“, sagte eine Frau, „die brauchen eine Aufgabe.“

 

DER VORSCHLAG


„Herr Landrat, lassen Sie es die Aresinger mit 15 Leuten versuchen“, bat Gemeinderat Werner Dick. Das werde klappen, da sei er sich sicher. Danach werde Vieles einfacher sein, meinte er. Roland Weigert sagte zu, das Landratsamt werde versuchen, dass erst einmal nur zehn bis 15 Flüchtlinge nach Aresing kämen und nicht gleich 35. Man wolle die Bevölkerung „dosiert mit der neuen Situation konfrontieren, damit das wachsen kann“.

 

DER APPELL


Die Asylproblematik sei sicherlich ein Thema, das die Regierungschefs lösen müssten, sagte Angermeier, aber: „Wir müssen den Menschen helfen, die teilweise mit falschen Versprechungen und für viel Geld nach Deutschland gelockt wurden.“ Die Gemeinde habe keinen Einfluss darauf, wer nach Aresing kommt, „aber ist das notwendig“, fragte Angermeier, denn: „Es sind Menschen, und so sollten sie auch behandelt werden.“ Er appellierte an seine Gemeindebürger, die Asylbewerber herzlich zu empfangen und sich um sie zu kümmern. „Wenn wir das nicht schaffen – wer dann“, fragte der Bürgermeister und schob im Scherz noch nach: „Vielleicht sind ja gute Fußballer dabei. Die könnten wir brauchen.“