Aichach
Sucht bringt 22-Jährigen ins Gefängnis

Angeklagter aus dem nördlichen Landkreis Aichach-Friedberg gilt seit der Kindheit als verhaltensauffällig

20.03.2018 | Stand 02.12.2020, 16:40 Uhr

Aichach (SZ) Ihr Mandant sei bereit, etwas zu ändern, die Einsicht sei da, erklärte Rechtsanwältin Mandana Mauss vor dem Aichacher Amtsgericht. Doch die Einsicht des 22-Jährigen aus dem nördlichen Landkreis kam recht spät. Der bereits wegen Drogenerwerbs und -handels vorbestrafte junge Mann musste sich erneut wegen derartiger Delikte vor Gericht verantworten. Dieses Mal gab es keine Bewährung und keine Aussicht auf eine Haftverkürzung bei Therapie. Das Schöffengericht unter Vorsitz der Richterin Eva Grosse verurteilte ihn zu zwei Jahren und sieben Monaten Freiheitsstrafe.

Bereits im November 2015 musste sich der Mann vor Gericht verantworten. Die Anklagepunkte: Erwerb und Handel mit Betäubungsmitteln, Körperverletzung und Nötigung. Neun Monate auf Bewährung lautete das Urteil am Landgericht Augsburg, nachdem er Berufung gegen das Urteil in Aichach eingelegt hatte, bei dem es keine Bewährung gegeben hatte. Im September 2016 saß er wieder auf der Anklagebank: Durch achtmaliges Schwarzfahren in öffentlichen Verkehrsmitteln hatte er sich rund 100 Euro erschlichen. Das Urteil: Ein Jahr und drei Monate Freiheitsstrafe.

Da der Richter damals feststellte, dass die Taten aufgrund der Betäubungsmittel- Sucht begangen worden waren und der junge Mann eine Therapie begonnen hatte, wurde die Vollstreckung des Urteils zwei Jahre ausgesetzt. Mehrere Monate ließ sich der Süchtige behandeln und begab sich anschließend in eine sogenannte Adaptionseinrichtung, eine ebenfalls stationäre Therapieform. Dadurch hätten sich zwei Drittel der zuvor auferlegten Freiheitsstrafe erledigt, der Rest wäre auf Bewährung ausgesetzt worden - wenn der Mann nicht im August und September 2016 schon wieder rück- und straffällig geworden wäre. Das Landeskriminalamt Thüringen kam ihm auf die Schliche, weil im Zuge einer Hausdurchsuchung bei einem Dealer dessen Computerdaten ausgewertet wurden. Der Mann aus dem Wittelsbacher Land war sein Kunde. Der Händler hatte über das Darknet Drogen verkauft und seine "quasi Buchhaltung", wie Richterin Eva Grosse es nannte, verschlüsselt auf einer Festplatte abgespeichert.

Dort war verzeichnet, dass der 22-jährige Angeklagte in zwei Bestellungen insgesamt 125 Gramm Marihuana, ein Gramm Kokain, ein Gramm Heroin, 50 Einheiten Ecstasy und zehn Einheiten LSD gekauft hatte. Bei einer Durchsuchung im Oktober des vergangenen Jahres konnte die Polizei in seiner Wohnung allerdings nichts mehr davon finden.

Auf Nachfrage einer Schöffin, wohin die ganzen Drogen gekommen seien - immerhin befand sich der junge Mann ja auch in Therapie -, erklärte er lediglich, er habe "einen gewissen Teil" auf Vorrat für sich gekauft, weil er zu dieser Zeit sehr viel selbst konsumiert habe. Im Anschluss an die Therapie wurde der 22-Jährige wieder rückfällig, räumte er vor Gericht ein. Es sei "eine schwere Zeit, ohne Job und mit Schwierigkeiten zu Hause" gewesen. Der Angeklagte lebt mit Großeltern und Mutter unter einem Dach. In der Vergangenheit kam es gegen die Familienmitglieder des Öfteren zu Handgreiflichkeiten, die schließlich sogar vor Gericht landeten.

Bereits mit acht Jahren wurde der heute 22-Jährige mit der Diagnose ADS (Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom) in die Kinder- und Jugendpsychiatrie eingeliefert, es schlossen sich mehrere Aufenthalte in psychiatrischen Kliniken an, zudem absolvierte er im Jugendalter eine Verhaltenstherapie, wie Jugendgerichtshelferin Conny Metz ausführte. Mit den Drogen sei auch seine Aggressivität gestiegen, erklärte sie. Sein Bewährungshelfer sprach ihm eine "erkennbare Motivation" zu, der junge Mann scheitere aber immer wieder an der Suchtproblematik. Aus diesem Grund sei eine erneute stationäre Therapie notwendig. Staatsanwalt Benjamin Junghans hielt dem Angeklagten seine Geständigkeit und die abgeschlossene Therapie zugute, allerdings machte er die Vielzahl und Schwere der Taten deutlich, die unter offener Bewährung begangen worden waren. Es sei "ein ganzer Brocken an harten Drogen" im Spiel gewesen. Unter Einbeziehung des Vorurteils plädierte die Staatsanwaltschaft für zwei Jahre und sieben Monate Freiheitsstrafe nach Jugendstrafrecht.

Rechtsanwältin Mandana Mauss stellte fest, dass der Mann erkannt habe, dass sich etwas ändern müsse und dies bereits umsetze, so nimmt er zum Beispiel ein Suchtberatungs- Angebot in Anspruch. Der Grund für den Drogenkonsum und die Aggressivität sei innerfamiliär zu suchen, und dies entsprechend zu verarbeiten, sei erst mit einer gewissen Reife möglich. Wegen des Rückfalls habe auch sie "keine positive Sozialprognose ad hoc", plädierte jedoch nur für zwei Jahre Jugendstrafe und der Feststellung im Urteil, dass die Taten aufgrund der Betäubungsmittel-Sucht begangen worden waren. Das Urteil des Schöffengerichts unter Richterin Eva Grosse schloss sich der Forderung des Staatsanwalts an. Wenn es rechtskräftig wird, muss der junge Mann ins Gefängnis, unabhängig von einer erneuten Therapie. "Menschen verdienen Chancen, das verfechte ich, aber Geschenke bekommt man nur einmal", erklärte die Richterin.