Aichach
Manager züchtet Marihuana

70-Stunden-Woche: Aus Samen auf der Dachterrasse Haschisch zum Stressabbau kultiviert

15.03.2017 | Stand 02.12.2020, 18:29 Uhr

Aichach (SZ) Er hatte eine 70-Stunden-Woche, betreute als Vertriebsmanager einer großen Metallbaufirma den südbayerischen Raum und schaffte es irgendwann nicht mehr, sich zu entspannen. Da sah er einen Fernsehbeitrag über Marihuana - und der brachte ihn auf die Idee, selbst Haschisch anzubauen. Jugendliche aus der Nachbarschaft bemerkten jedoch die Plantage auf seiner Terrasse, bedienten sich heimlich und wurden erwischt. So kam die Polizei dem 39-Jährigen auf die Spur. Jetzt hatte er sich in Aichach vor Gericht zu verantworten. Er erzählte, die Sache habe sein Leben verändert: Der 39-Jährige hat gekündigt und arbeitet nun als Busfahrer.

Im grauen Anzug mit blauem Hemd und dezent gemusterter Krawatte machte der Angeklagte den Eindruck eines distinguierten Bankers. Der 39-Jährige mit den graumelierten Schläfen ein Kiffer? Nicht gerade das Naheliegendste. Freimütig berichtete der Familienvater aus seinem Leben.

Er habe einst Landwirt gelernt, sei dann aber im Vertrieb eines größeren Unternehmens gelandet. "Ein paar Monate wurde ich eingearbeitet, dann bekam ich einen Laptop und ein Auto, und es hieß rausfahren, Aufträge akquirieren." Er musste seine Quote erfüllen, und das führte irgendwann dazu, dass er sich nicht mehr entspannen konnte. "Burnout", nannte es seine Verteidigerin, Beate Krug-Braunmiller.

In einer schlaflosen Nacht sah der 39-Jährige einen Fernsehbeitrag über Marihuana und die Wirkungen. Zwar hatte er in seiner Jugend mal einen Joint geraucht, ansonsten aber nie Kontakt zu Drogen oder gar der Szene gehabt, beteuerte er.

Via Internet bestellte er sich Samen aus den Niederlanden. Aus Versehen bekam er die doppelte Menge geliefert: 40 Körnchen für 100 Euro. Nach ein paar wenig erfolgreichen Versuchen gelang es ihm schließlich, sechs Pflanzen im Tomatenhäuschen auf der Dachterrasse zu kultivieren. Seiner Frau sagte er, es handle sich um Industriehanf.

Doch des Hobbygärtners Glück währte nicht lange. Jugendlichen aus der Nachbarschaft blieb offenbar nicht verborgen, welch prächtige Pflänz-chen auf der sonnigen Dachterrasse gediehen. "Per Räuberleiter sind die nachts eingestiegen und haben sich bedient", so der Angeklagte. In einem Eimer hatte er abgeerntete Blätter gelagert.

Die Burschen ließen dann an einem lauen Sommerabend im vergangenen Jahr an einem Baggersee den Joint kreisen - und wurden auf frischer Tat von der Polizei erwischt. Sie gestanden, wie sie an den Stoff gekommen waren, und so kam man dem Manager auf die Spur.

Bei der Durchsuchung seiner Wohnung fanden die Ermittler 209 Gramm Marihuana mit ei-nem Gehalt von 8,2 Gramm Te-trahydrocannabinol (THC) - ge-nau 0,7 Gramm über dem, was der Gesetzgeber als "geringe Menge" einstuft. Er sei selbst am meisten überrascht gewesen vom Ausmaß seiner Ernte, sagte der Angeklagte, der Vorrat hätte ihm wohl für mehrere Jahre genügt.

Im Nachhinein wisse er, für seine Bedürfnisse hätte "eine halbe Pflanze" für ein ganzes Jahr ausgereicht. Denn er habe sich lediglich am Freitagabend ein wenig "zum Runterkommen" gegönnt und am Montag, bevor er ins Auto gestiegen sei, stets einen THC-Schnelltest gemacht. Die Durchsuchungsaktion, das Verfahren, das alles habe ihm einen derartigen Schock versetzt, dass er sein Leben komplett geändert habe, berichtete der 39-Jährige. Er kündigte seinen Job, hörte ganz das Rauchen auf und meldete sich im Fitnessstudio an. Inzwischen arbeitet er als Busfahrer im Linienverkehr.

Staatsanwältin Marlies Dorn wertete zwar das Geständnis des Angeklagten zu dessen Gunsten, warf ihm aber vor, allzu leicht hätte sein dreijähriges Kind an die Drogen auf der Terrasse gelangen können. Sie plädierte auf ein Jahr und drei Monate Haft, ausgesetzt zur Bewährung, sowie eine Geldauflage von 1500 Euro. Die Verteidigerin hingegen setzte sich für die Verhängung der Mindeststrafe ein. Das Verfahren habe ihren Mandanten bereits ausreichend beeindruckt, um ihn zur Kursänderung zu bringen.

Das Schöffengericht unter Vorsitz von Richterin Eva-Maria Kraus sah es ähnlich. Der Angeklagte sei nicht der typische Betäubungsmittel-Delinquent. Das Urteil: Ein Jahr Haft, ausgesetzt auf drei Jahre zur Bewährung, sowie 1500 Euro Geldbuße, zahlbar an die Drogenhilfe Schwaben. Es ist rechtskräftig.