Frieden an der Weiberrast

Knapp vier Wochen nach der Vorstandswahl normalisiert sich der Betrieb in der Tierherberge

29.06.2012 | Stand 03.12.2020, 0:34 Uhr
Sandra Lob mit Schäferhund Ricko −Foto: Paul Ehrenreich

Pfaffenhofen (PK) Die Weiberrast ist ein Platz mit Aussicht. Von hier überblickt man die Stadt. Feldwege führen durch Wälder und Alleen. Ein Idyll. Genau das Richtige für Spaziergänger, Jogger, Verliebte – und
Gassigeher. Seit gut einem Jahr steht dort Pfaffenhofens neue Tierherberge.

Die meisten Besucher, die einmal drin waren und sich eine Katze angeschaut oder einen Hund zum Spazierengehen abgeholt haben, sagen, sie hätten sich ein Tierheim ganz anders vorgestellt, nämlich trist und trostlos.

Es war ja auch längst nicht immer freundlich in der Tierherberge. Drinnen gab es monatelang ein herzhaftes Hauen und Stechen. Nicht unter Tieren, unter Menschen. Seit Langem hatte sich das Beben angekündigt zwischen dem fünfköpfigen ehemaligen Vorstand und Tierheimleiterin Sandra Lob. Dann war Lob nach Jahren ehrenamtlicher Tätigkeit vom Vorstand vor die Tür gesetzt worden. Unter den ehrenamtlichen Mitarbeitern und den 550 Mitgliedern des Tierschutzvereins bildeten sich sofort zwei Lager, die sich leidenschaftlich in den Haaren lagen.

Bei der außerordentlichen Mitgliederversammlung (sie war auch außerordentlich gut besucht) Anfang Juni kam es zur Machtprobe. Ergebnis war ein komplett neuer Vorstand. Sofort nach ihrer Wahl gab die neu gewählte Vorsitzende Manuela Braunmüller vor den Anwesenden bekannt, sie werde die ehemalige Leiterin Lob zum erstmöglichen Zeitpunkt sofort wieder einstellen, falls die Anwesenden dies unterstützten. Es gab damals viel Applaus.

„Jetzt ist Sandra wieder da, Gott sei Dank“, sagt Braunmüller. „Der neu gewählte Vorstand hat die genannten Kündigungsgründe zu keiner Zeit verstanden, geschweige denn anerkannt. Es war daher selbstverständlich, sie wieder einzustellen, falls wir gewählt würden“, sagt Braunmüller. „Sie hat so viel Fachwissen und dieses Wissen brauchen wir! Sandra wird wieder Struktur ins Tierheim bringen.“ Ein Tierheim brauche Mitarbeiter, die Überblick haben übers Große und Ganze. „Das geht nur, wenn jemand jeden Tag da ist; es geht nicht mit Tageskräften, bei denen am Montag der eine, Dienstag ein anderer und am Mittwoch ein Dritter zuständig ist.“

Zusätzlich sei jetzt von Montag bis Samstag die Vereinstierärztin vor Ort. Die Praxis ist für Privatpersonen täglich mehrere Stunden geöffnet, die Ärztinnen stehen aber auch dem Tierheimpersonal beratend zur Seite.

Im April hatte die Ex-Tierheimleiterin geklagt, insbesondere gegen die Kündigungsgründe. Eine Güteverhandlung vor Gericht hätte wenige Tage nach der außerordentlichen Mitgliederversammlung stattfinden sollen. Dieser Prozess wurde gleich nach der Neuwahl einvernehmlich abgesagt – mangels strittiger Punkte. „Worüber hätten wir denn noch verhandeln sollen, wir waren uns doch einig“, sagt die neue Vorsitzende Braunmüller. „Es hätte den Tierschutzverein nur Geld gekostet.“

Lobs erster Arbeitstag nach der Wiedereinstellung, Montagmorgen. Um zehn Minuten nach sechs Uhr verschickt sie übers Handy eine Kurzmitteilung an Freunde und ehemalige Mitstreiter: „Ich freue mich so sehr auf meine neue, alte Arbeit!“

Nicht viele Berufstätige freuen sich Montagmorgen leidenschaftlich auf die bevorstehende Arbeitswoche. Aber für Lob hatte die fast viermonatige „Zwangspause vom Tierschutz“, wie sie es nennt, einschneidende Folgen. „Ich habe nicht geglaubt, dass ich jemals wieder in diesem Tierheim arbeiten würde, dass ich den schwer kranken Kater Heinzi und alle ‚meine’ anderen Tiere wiedersehen würde.“ Ja, natürlich habe sie auch Geldprobleme gehabt. „Meine Familie und gute Freunde haben mir in dieser Zeit geholfen, die Miete zu bezahlen.“ Und jetzt? Ihre Augen lachen: „Saugut ist des!“

Rund ein Dutzend ehrenamtliche Mitarbeiter hatten während der Streitereien ihre unbezahlte Tätigkeit entweder völlig niedergelegt oder drastisch heruntergefahren; manche Ehrenamtlichen seien auch „ausgeladen“ worden. Deren Arbeit wurde durch neu eingestellte, geringfügig Beschäftigte erledigt. „Heute, nach knapp vier Wochen haben wir sämtliche Ex-Ehrenamtlichen ausnahmslos wieder im Boot“, freut sich Manuela Braunmüller. „Der Tierschutzverein hätte es sich auf Dauer gar nicht leisten können, so viele Beschäftigte zu bezahlen.“ Natürlich seien aber alle willkommen, dennoch auf ehrenamtlicher Basis weiter mitzuhelfen. Man suche ständig zuverlässige Leute, die nicht nur ein- oder zweimal vorbeischauen und die sich nicht zu schade seien, auch die nicht ganz so kuscheligen Arbeiten zu erledigen. „Ein Tierheim ist nun mal kein Streichelzoo.“

Irmi Ascherl zeigt, was gemeint ist. Sie läuft schwitzend mit vollen Katzenklos, leeren Wassernäpfen und aufgefüllten Futterschalen hin und her. Ascherl jobbt seit knapp drei Jahren als geringfügig Beschäftigte mit acht bezahlten Stunden pro Woche in der Tierherberge. Wesentlich mehr als acht Stunden pro Woche leistete und leistet sie zusätzlich als Ehrenamtliche, also ohne Bezahlung. „Das Klima hat sich geändert. Es wird jetzt wieder viel gelacht in unserer Tierherberge.“