Pfaffenhofen
Einbruch in Supermarkt: 19 Monate Haft

Richter hält Aussagen des Angeklagten im Indizienprozess für „eine grandiose Märchenstunde“

22.09.2017 | Stand 02.12.2020, 17:27 Uhr
Symbolbild −Foto: Friso Gentsch/dpa (dpa)

Pfaffenhofen (PK) Paukenschlag im Fortsetzungsprozess gegen den 24-jährigen Landshuter Ivo M. (Name geändert). Ihm war vorgeworfen worden, gemeinsam mit einem Unbekannten den Tresor eines Reichertshausener Supermarktes geknackt zu haben (PK berichtete). Aber im Gegensatz zum Staatsanwalt, der mangels Beweisen nur noch auf Beihilfe plädierte und eine Haftstrafe von sieben Monaten gegebenenfalls zur Bewährung forderte, war Amtsrichter Konrad Kliegl von der Mittäterschaft des Angeklagten überzeugt. Seine Aussagen seien völlig unglaubwürdig. Für eine Bewährungsstrafe fehle jeglicher Grund.

Zur Erinnerung: In der Nacht zu Pfingsten war mit einem Winkelschleifer der Tresor aufgebrochen worden: Beute: 3496,28 Euro. Die Flex, einen Rucksack mit Kleidung und weiteres Werkzeug ließen die Täter zurück. Am Tatort stellte die Kripo DNA-Spuren von Ivo M. sicher, auch sein reger Handy-Verkehr mit immer der selben Nummer, die nicht verifiziert werden konnte, wurde geortet.

Ivo M. erklärte dazu vor Gericht: Ja, er war am Tatort. Er habe einen Serben flüchtig kennengelernt, von dem er aber nichts weiter wisse. Der habe ihn für 500 Euro gebeten, ihn an drei Nächten nach Reichertshausen zu fahren, dort erwarte er einen Lkw, der für ihn eine Palette mit Paprikamark abladen würde. Als auch in der dritten Nacht der Lkw nicht kam, sei der Serbe für sechs Stunden verschwunden. Warum und wohin – keine Ahnung.

Faktisch schwierig zu widerlegen. Deshalb hatte Amtsgerichtsdirektor Kliegl die Verhandlung ausgesetzt, um jetzt weitere Zeugen zu hören: eine Kripo-Beamtin, die Ivo vernommen hatte und einen Kommissar von der Spurensicherung. Die bestätigten im wesentlichen das, was bisher bekannt war. Mit einem kleinen, aber entscheidenden Unterschied: Im Prozess hatte Ivo ausgesagt, der Serbe habe in den ersten beiden Nächten auf dem Parkplatz sein Auto verlassen, der Vernehmungsbeamtin aber hatte er zu Protokoll gegeben, er habe die ganze Zeit neben ihm gesessen und auf den Paprika-Lkw gewartet habe.

Staatsanwalt Johannes Riederer hält die Erklärung von Ivo M., der seine Aussagen im Prozessverlauf den Fakten anpasse, für äußerst fragwürdig: Warum zum Beispiel sollte ein Lkw in Reichertshausen, weit ab von der Autobahn, Ware abladen? Der Angeklagte habe zwingend mit einem Einbruchsdelikt rechnen müssen, er habe einem Einbruchsprofi Hilfe geleistet. Aber dass er selbst in den Supermarkt eingedrungen ist, könne ihm nicht nachgewiesen werden.

Auch Ivos Verteidiger Sebastian Weber plädiert auf Beihilfe: Zu keinem Zeitpunkt des Prozesses habe sich ergeben, dass sein Mandant im Gebäude war. Vielmehr sei er einem Einbruchsprofi auf den Leim gegangen, und dass er Schmiere gestanden hätte, um per Handy den Täter zu warnen, könne schon deshalb nicht sein, weil sein Mandant gar nicht gewusst habe, auf was er sich einlässt. Sieben Monate auf Bewährung ist sein Antrag.

Richter Kliegl bittet um eine Pause, dann verkündet er sein Urteil: eine Gesamtfreiheitsstrafe von 19 Monaten, in die eine Strafe von einem Monat wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte einbezogen ist, die der Angeklagte noch nicht abgeleistet habe. Ivo erstarrt, ihm bleibt der Mund offen stehen. Im Zuschauerraum laufen Ivos Freundin die Tränen runter. Für den Amtsrichter steht fest: Ivos Geschichte ist ein „Märchen“, völlig unglaubwürdig. Alle Fakten sprechen gegen ihn. Für einen allein und ohne Hilfe sei es nicht möglich, übers Dach in den Supermarkt einzudringen. Die Tat sei sehr professionell geplant und nicht bloß ein gelegentlicher Diebstahl. Die Strafe zur Bewährung auszusetzen sei schon deshalb ausgeschlossen, weil Ivo M. bis heute den Mittäter decke und sich nicht vom Milieu gelöst habe.