Der Geist, nicht nur der heilige, hat es schwer in dieser Zeit

11.06.2017 | Stand 02.12.2020, 17:58 Uhr

Leserbrief zum Artikel "Hübsche Mädchen und Pfingstlümmel" (PK vom 3./4./5. Juni).

Es ist höchst verdienstvoll, dass der Heimatforscher Reinhard Haiplik auf etwas mehr als einer halben Zeitungsseite wichtige "kirchliche und weltliche Bräuche zum Hochfest zusammengetragen" hat. Was Haiplik in sehr lesbarer Form präsentiert, ist allerdings mehr als ein bloßes Zusammentragen. Haiplik lässt keinen Zweifel daran, dass fast alle Pfingstbräuche auch im Landkreis Pfaffenhofen weitaus mehr als die Bräuche des Weihnachts- und Osterfestkreises verschwunden sind. Der Geist, nicht nur der heilige, hat es schwer in einer Zeit, in der (fast) alles über Materie und Materielles definiert wird.

Der einst überall gesungene und von Haiplik an den Anfang seines PK-Artikels gestellte Hymnus Veni creator spiritus ("Komm Schöpfer Geist") aus dem 9. Jahrhundert ist schon deswegen kaum mehr in einer Kirche zu hören, weil seit dem 2. Vatikanischen Konzil das Lateinische fast komplett aus der katholischen Liturgie verdrängt worden ist.

Kirchliche Pfingstbräuche hatten im alten Bayern oft auch eine säkulare Perspektive. Das zeigt der Verfasser am Beispiel des Pfingstloches, über das in so manchen Kirchen der Heilige Geist symbolisch als lebende Taube von oben meist durch den Mesner herabgelassen wurde. Es soll allerdings schon mal vorgekommen sein, dass die Taube zuvor schon durch eine geistfeindliche Katze verspeist wurde. Dieser Brauch verdeutlicht, dass das bairische Brauchtum ebenso wie große Teile des alten deutschen Rechts - anders als das Römische Recht - vielfach Symbolcharakter besaßen. Sowohl Bräuche als auch viele Rechtshandlungen repräsentieren eine Kultur, "die auf Symbolen, sinnlichen Vermittlungen und manifesten Handlungen gründete" ("Wege der Volkskunde in Bayern", 1987). Recht und Brauchtum waren also in vorindustrieller Zeit nicht abstrakt, sondern anschaulich ausgerichtet und damit gerade den einfachen Menschen weitaus mehr als heutige Gesetzestexte zugänglich.

Der Verlust des kirchlichen und säkularen Pfingstbrauchtums hat verschiedene Ursachen. Ein wesentlicher Grund ist die Brauchtumsfeindlichkeit der Aufklärung, die in Bayern besonders wütete. Zahlreiche Bräuche gingen durch die rüden Methoden der Säkularisation verloren. Viele kirchliche Bräuche konnten sich jedoch, wie Haiplik durch die Auswertung der Quellensammlung des Scheyrer Paters Beda Parzinger (D'Hopfakirm Nr. 11, 1986) dokumentiert, bis in die neueste Zeit halten. So findet sich bei Pater Parzinger unter anderem auch der Pfingstlümmel, nicht aber der Pfingstochs. Grüne oder dürre Reiser vor das Haus oder Fenster zu setzen, war nicht auf die Hallertau und auch nicht auf Pfingsten beschränkt, solche Bräuche sind auch im Raum Dachau für die Osterzeit nachgewiesen. Haiplik verweist bei Dörfern, durch die ein Bach floss oder sich ein Weiher fand, auf den Wasservogel. Er gibt jedoch keinen konkreten Hallertauer Ort für diesen Brauch an. Es findet sich dazu auch nichts bei Parzinger. Mir scheint, dass dieser Brauch des Wasservogels vor allem im Bayerischen Wald vorkam. So gehört zum Beispiel der Wasservogel zu den gelungensten Gedichten der Bayerwalddichterin Emerenz Meier (Samples-Verlag Grafenau 2005). Der Wasservogel wird von ihr als "pfingstfreudenvoll" beschrieben. Er kam dort nicht "ohne Wasserguß" davon. Die "Freinacht" ist nach Haiplik der einzige Brauch, der sich bis heute in manchen Dörfern des Landkreises erhalten hat. Der Verfasser hätte allerdings darauf hinweisen können, dass die Freinacht kein typischer Pfingstbrauch ist, sondern eher in der Karsamstagsnacht und in der Nacht vor dem 1. Mai, so zum Beispiel im Raum Dachau und Aichach, ausgeübt wird.

Wilhelm Kaltenstadler

Rohrbach