Öffentliches Doping statt Anti-Doping-Gesetz

17.01.2013 | Stand 03.12.2020, 0:36 Uhr

Zum Bericht „Ein Pulk voll Sünder“ (PK vom 16. Januar) über Doping im Radsport:

Im Mai startet die Bayernrundfahrt bei uns Pfaffenhofen, finde ich super. Trotz aller Endlosdiskussionen zum Thema Doping hat der Stadtrat Mut bewiesen. Wenn dank Armstrongs aktueller Beichte nun auch bei uns im Landkreis die allseits bekannten Symptome eines uralten Themas wiedergekäut werden müssen, warum nicht dann mal mit neuen Ansätzen? Unsere Dopingdiskussion brachte immer schon eine gewisse Komik mit.

Denn Doping gab’s schon zu Asterix Zeiten. Er musste mit Obelix die Römer verjagen. Der Zaubertrank von Miraculix verhalf ihm zu übermenschlichen Kräften. Aber erst seit dem Tod des Radlers Knud Enemark Jensen bei den Olympischen Spiele 1960 in Rom begannen unsere Sportfunktionäre an einer bislang gescheiterten Strategie herumzutüfteln. Armstrong hat endlich bewiesen, dass dieses komische „Hase-Igel-Spiel“ unsere Doping-Realität nie verhindern können wird.

Ist es nicht sehr merkwürdig, dass zu dieser erfolglosen Spirale von Kontrolle und Repression bislang kaum alternative Strategien diskutiert, geschweige versuchsweise mal eine Zeit lang ausprobiert wurden? Zum Beispiel der Lösungsvorschlag von Professor Gert G. Wagner. Er ist immerhin Vorstandsvorsitzender des DIW Berlin, Lehrstuhlinhaber für Empirische Wirtschaftsforschung und Wirtschaftspolitik an der TU Berlin.

Doping beruht seiner Ansicht nach nicht auf einer Persönlichkeitsstörung, sondern wird durch das Kontrollsystem geradezu gezüchtet. Um den perversen Anreiz zu zerstören, dass derjenige, welcher Grenzwerte einhält oder etwas Neues findet, was nicht auf der Dopingliste steht, straffrei ausgeht, macht Wagner einen ungwöhnlichen Vorschlag: Erlaubt ist dem Sportler, was gefällt, aber alle Medikamente und Nahrungsergänzungsmittel, die ein Athlet zu sich nimmt, muss er in einen Pass eintragen, der veröffentlicht wird. Der Ruf nach Strafgesetzen sei reiner Populismus.

Athleten fragen sich zu Recht: Warum ist „Substitution“ erlaubt, die ganz eindeutig nur der Leistungssteigerung dient beziehungsweise warum dürfen Nahrungsergänzungsmittel geschluckt werden, die faktisch Medikamente sind und auch nur der Leistungssteigerung dienen. Stoffe dagegen, die – aus Sicht der Athleten wie zufällig – auf der Dopingliste stehen, dürfen nicht genommen werden. Warum – so fragt sich der aufgeklärte Athlet – darf ich meine Leistung nicht steigern, indem ich mir Eigenblut per Infusion zuführe?

Wagners Vorschlag, den Medikamentengebrauch offen zu legen, hätte den Effekt, dass die heimliche Anwendung von Medikamenten-Innovationen riskant würde. Und vor allem könnte sich die Öffentlichkeit ein Bild davon machen, was bei Wettkämpfen in den Körpern der Gladiatoren geschieht. Wer es mit den „fördernden“ Mitteln übertreibt, würde schwieriger Sponsoren finden. Und mit etwas Glück könnte sich am Ende durch die Transparenz der „saubere Sport“ von selbst wieder einstellen. Experimente haben gezeigt, dass Normen entstehen, wenn man weiß, wie andere sich verhalten.

Das kann man gerade im Radrennsport gut beobachten. Im „Pulk voll Sünder“ gibt es eine Unzahl ungeschriebener Regeln, die dafür sorgen, dass zum Beispiel die Geschwindigkeit nicht so hoch getrieben wird, dass am Ende niemand mehr eine dreiwöchige Rundfahrt durchhält. Wer sich nicht an diese Regeln hält, etwa an das Abwechseln an der Spitze, das aufgrund des fehlenden Windschattens enorme Kraft kostet, der wird geächtet. Das funktioniert aber nur deswegen so gut, weil jeder Fahrer genau beobachten kann, wie sein Konkurrent sich im Rennen verhält. Im Gegensatz zum Medikamentenpass verhindert die Doping-Liste diese Transparenz sogar systematisch.

Joerg Bucher

Scheyern

Radrennfahrer ohne Doping

seit 1980