Rottenegg
"Mama, die schmeckt wie echt"

Bäckermeister Christian Gehrer setzt für Kunden mit Problemen einen Extrateig an

12.06.2015 | Stand 02.12.2020, 21:12 Uhr

Foto: Magdalena Zurek

Rottenegg (PK) Ein herzhafter Biss in die Breze – für viele Allergiker oder Menschen mit speziellen Stoffwechsel-Störungen bleibt das ein Wunschtraum. Es sei denn, sie kennen Bäckermeister Christian Gehrer aus Rottenegg.

Der setzt, wenn irgend möglich, für solche Kunden einen Extrateig an. Im Büro des gebürtigen Landshuters, der vor 13 Jahren in dem kleinen Geisenfelder Ortsteil den Weg in die Selbstständigkeit wagte, hängt eine Deutschlandkarte. Von den Alpen bis an die Nordseeküste gespickt mit rund hundert Fähnchen. „Die stehen für aktuelle Kunden, die dank unserer Backwaren wieder eine resche Semmel genießen dürfen“, meint er. Dass dem so ist, hängt mit der Grundphilosophie des Familienvaters zusammen: „Die Herstellung von Brot als Grundnahrungsmittel ist ein Handwerk, das viel mit der Liebe zum Menschen zu tun hat“, ist er überzeugt. Deshalb ist der 44-Jährige bereit, jedem Kunden, der ein spezielles Problem hat, „ein für ihn passendes Brot zu backen“.

Eine erste Anfrage war 2005 von der Mutter eines an PKU (Phenylketonurie) erkrankten Sohnes bei ihm gelandet. Seitdem beschäftigt er sich gerade mit dieser Erkrankung, deren „Opfer“ unter einer Störung des Aminosäurestoffwechsels leiden und sich streng eiweißarm ernähren müssen. Für seine „PKU-Kreationen“ importiert Gehrer eiweißarmes Spezialmehl aus Dänemark, nutzt Guarkernmehl und experimentiert mit allerlei Alternativen zu Weizen, wie dem glutenfreien Mais- oder Kastanienmehl.

„Die Zahl der Menschen, die Unverträglichkeiten haben, nimmt stetig zu“, so seine Erfahrung. Mittlerweile arbeitet er mit der Haunerschen Kinderklinik in München zusammen, die seine Adresse an Betroffene weitergibt. Er liefert an die Unikliniken in München und Frankfurt, bedient Versandhändler wie das metax-Institut für Diätetik mit Waren „vom Muffin bis zum Krustenlaiberl“. Schönstes Dankeschön für sein Engagement war für ihn bisher die Reaktion eines kleinen Buben im Krankenhaus, der nach einem Biss in die gelieferte Breze ganz begeistert rief: „Mama, die schmeckt wie echt!“

Für Gehrer hat der Brotverkauf auch auf anderer Ebene eine „soziale Komponente“. Gerne fährt er mit seinem normalen Sortiment viermal pro Woche zu den abgelegenen Höfen rund um Mainburg und hält einen Ratsch mit den alteingesessenen Senioren, die den Service schätzen. Auch für seine Ehefrau Karin Gehrer, die den zentral gelegenen Laden betreut, geht das Verhältnis gerade zu den Abnehmern der Spezialmischungen „weit über das rein geschäftliche hinaus“.

Die gelernte Metzgereifachverkäuferin hat an der gemeinsamen Arbeit „unheimlich viel Spaß“, ebenso wie ihr Mann. „Der hat mit mir drei pubertierende Kinder geheiratet“, verweist sie lachend auf die besondere Situation der Patchworkfamilie.

Der Renner in den Regalen ihres Geschäftes ist das Natursauerteig-Brot. Darüber hinaus gibt es hier 20 Sorten Semmeln und an die 15 Brotvarianten, süßes Feingebäck und Torten gehören ebenfalls zum Angebot. Auf Wunsch liefert der Familienbetrieb „Schnitten und Schmankerl“ fürs Party-Büfett. Oder für das Pausebrot an Volks- und Förderschule.

Die Zutaten stammen aus der Region, vorzugsweise von der Mühle in Lehen. Und verarbeitet werden sie „ohne großen Einsatz von Technik“. Weil eben Brot „bei mir ein persönliches Gebäck bleiben soll“, so der Chef des Hauses. An diesem Grundsatz festzuhalten, ist nicht immer ganz einfach angesichts der Konkurrenz von Discountern. Kunden sind flexibler geworden, kaufen schon mal „auf die Schnelle“ woanders. Was die Planung der vorzuhaltenden Auswahl für den Bäckermeister schwierig macht. Wenn etwas übrig bleibt am Ende des Tages, dann geht es an die Pfaffenhofener Tafel, weil „wir von Verschwendung nichts halten“, so Karin Gehrer, die noch ein anderes Manko des ansonsten so geliebten Berufs ausmacht: Die Schlafzeiten sind „mit dem Alltag von Freunden und Bekannten nicht gut vereinbar“. Weshalb die Gehrers in der wenigen Freizeit eher mal beim gemeinsamen Spaziergang im Wald als bei einer nächtlichen Vereinsfeier zu entdecken sind. „Die Natur birgt so viel Wunderbares und gibt einem Kraft“, meint die Hobbyfotografin, die ihre Eindrücke gerne in Bildern festhält. Die Stadt vermissen sie und ihr Mann daher gar nicht.