Gosseltshausen
Die Schätze der Natur

Gertraud Schachtner zaubert aus Wildkräutern und -früchten hausgemachte Spezialitäten

26.06.2015 | Stand 02.12.2020, 21:08 Uhr

Unkraut gibt es für Gertraud Schachtner nicht: „Jede Pflanze hat ihren Nutzen“, sagt die Kräuterpädagogin, die aus Wildkräutern und -früchten eine ganze Reihe von Spezialitäten zaubert - Foto: Grindinger

Gosseltshausen (PK) Mit Leib und Seele hat sich Gertraud Schachtner aus Gosseltshausen, die wir für den letzten Teil unserer Serie Hausg’macht besucht haben, der heimischen Natur verschrieben. Mit ihren Kräuterwanderungen und Verkostungen weckt die passionierte Kräuterpädagogin die Neugierde der Menschen auf die wilden Schätze der Natur. Alle Erzeugnisse – die Essigzubereitungen, Öle, Liköre und vieles mehr – sind hausgemacht und enthalten nur das Beste der Natur.

Sie haben so klangvolle Namen wie „Dirndllikör“, „Herbstimpression“ oder „Schlehenmärchen“ und enthalten nichts als die Natur. Gertraud Schachtners Erzeugnisse machen definitiv Lust auf mehr. Die staatlich zertifizierte Kräuterpädagogin aus dem Wolnzacher Ortsteil Gosseltshausen verwendet Zutaten, die sie im Wald und auf Wiesen der näheren Umgebung sowie im eigenen Garten findet. Auch Pflanzen, die gemeinhin als Unkraut verschrien sind, finden bei ihr Beachtung, wie zum Beispiel Brennnessel oder Giersch. Unkraut gibt es für Gertraud Schachtner nicht, denn „jede Pflanze hat einen Nutzen“, verleiht Gerichten die besondere Geschmacksnote oder wirkt sich heilsam auf Körper und Geist aus. Oder beides zugleich.

Die leidenschaftliche Köchin liebt es zu experimentieren. So ist im Laufe der Jahre ein beachtliches Sortiment zusammengekommen, das von fruchtigen Essigzubereitungen und Likören über herzhafte Brotaufstriche und Kräuteröle bis hin zu Kräutersalzen und raffiniertem Senf reicht. Die Kreativität der 59-Jährigen kennt dabei keine Grenzen. „Die Ideen kommen mir einfach so“, verrät sie, oftmals beim Spazierengehen, inspiriert von der Natur. Außergewöhnlich sind nicht nur die Namen, sondern auch die Zutaten. In der Essigzubereitung „Brennende Liebe“ hat sie beispielsweise Brennnessel und Klatschmohnblütenblätter kombiniert. Der Name ist hierbei übrigens Programm, denn beide Pflanzen haben laut Gertraud Schachtner eine aphrodisierende Wirkung. Im „Dirndllikör“ ist die Kornelkirsche enthalten, während die „Wilde Herbstimpression“ unter anderem mit Vogelbeeren, Hagebutten, Brombeeren und Holler einen Querschnitt der herbstlichen Hecke darstellt.

Die Kreationen sind immer auch etwas fürs Auge und spiegeln die Schönheit der Natur wider. Die Liköre und Essigzubereitungen leuchten etwa in den satten Farben der Früchte, die in ihnen stecken. Besonders hübsch anzusehen sind die Kräutersalze, die Gertraud Schachtner in kleine Reagenzgläser füllt. Das Salz „Weiß-Blau“ ist dabei eine Hommage an ihre geliebte Heimat Bayern. Für diese besondere Liebeserklärung hat sie dem Salz blaue Kornblumen und Bärlauchblüten beigefügt.

Die Produkte sind primär für die Verkostungen gedacht, die die Pädagogin immer im Anschluss an die Kräuterwanderungen von Frühjahr bis Herbst anbietet. Mit Schulklassen, Vereinen und Privatgruppen geht die Kräuterpädagogin regelmäßig auf Streifzug durch die Hallertau und öffnet den Teilnehmern die Augen für die verborgenen Schätze der Natur. Verarbeitet wird immer das, was gerade wächst, und stets nur in kleinen Mengen. Wenn dann noch etwas übrig bleibt, findet es Eingang in das „Wilde Schatzkisterl“, wie Gertraud Schachtner ihren kleinen Laden im Treppenhaus liebevoll nennt. „Besucher sind bei mir jederzeit willkommen“, so die herzliche Gosseltshausenerin.

„Interesse und Neugierde für die Natur“ möchte Gertraud Schachtner in erster Linie wecken, deren Begeisterung für die Sache ansteckend ist. Ein gutes Beispiel ist der Schlehenlikör. „Da die Schlehe sehr herb und bitter schmeckt, wissen viele nichts damit anzufangen“, erzählt die Kräuterpädagogin. Ein Probier-Stamperl „Schlehenmärchen“ habe bislang noch jeden mit der ungeliebten Frucht versöhnt, so Schachtner weiter. Das Herbe der Schlehe ist in der schmackhaften Spirituose noch vorhanden, jedoch dezent und zurückhaltend.

Neueste Kreation ist der Hopfen-Senf, der die Hopfen-Kollektion mit Essig, Öl, Salz und Likör vervollständigt. Unzählige Versuche seien nötig gewesen, bis der Senf so richtig gepasst habe, sagt Gertraud Schachtner. Erst wenn das Geschmackserlebnis rundum perfekt ist und ein Erzeugnis zu vielem passt, also zu Brot, Käse, Fleisch, Gemüse, gibt sich die Perfektionistin zufrieden. „Das Schöne am Hopfen ist seine beruhigende Wirkung“, weiß Gertraud Schachtner. Ihren Hopfenlikör hat sie auch „Betthupferl“ getauft – bei Schlafproblemen wirke er Wunder.

Bei ihren Wanderungen nimmt Gertraud Schachtner immer nur junge, ganz frische Triebe mit, da diese „das Beste der Kräuter in sich haben“. Die Verarbeitung ist arbeits- und zeitaufwendig, was am Beispiel des Bärlauchpestos deutlich wird. Für gerade mal 300 Gramm Bärlauch ist sie schätzungsweise drei Stunden unterwegs. Zu Hause angekommen, wird mühevoll jedes Blatt einzeln auf links gedreht, um die „abgenähte Bügelfalte“ zu überprüfen – ein eindeutiges Kennzeichen, um den Bärlauch von Maiglöckchen und dem giftigen Aronstab zu unterscheiden. Am Ende werden daraus maximal sechs Gläschen Bärlauchpesto. „Industriell ist die Qualität, die ich anbiete, keinesfalls möglich“, betont Gertraud Schachtner.

Das wissen die Kunden zu schätzen. So erzählt Gertraud Schachtner von einer Kundin, die für ihren Sohn regelmäßig Kräutersalz holt, da dieser kein anderes mehr nehmen möchte – auch wenn der Sohn mittlerweile längst von Zuhause ausgezogen ist. Die meisten Kunden stammen natürlich aus der Region, doch manche auch von weiter weg: So stattet ihr eine Berliner Familie immer einen Besuch ab, wenn diese ihre Verwandten in Wolnzach besuchen. „Das gibt mir viel zurück“, freut sich Gertraud Schachtner. Von den Wildkräutern alleine kann sie jedoch nicht leben. „Reich werde ich damit sicherlich nicht“, sagt die Kräuterpädagogin, die außerdem eine feste Anstellung in Teilzeit hat. Ihre große Leidenschaft aufzugeben, kommt für die 59-Jährige keinesfalls in Frage: „Das Feuer für die Natur zu entfachen ist meine Erfüllung.“

Wer sich für eine Kräuterwanderung mit Gertraud Schachtner interessiert, kann sich einer bestehenden Gruppe anschließen. Für Gruppen, Vereine, Schulklassen und Kindergärten veranstaltet Schachtner eigene Kräuterwanderungen.