In großem Stil "Gammeleier" verarbeitet?

17.12.2007 | Stand 03.12.2020, 6:16 Uhr
In diesem Betrieb im Landkreis Pfaffenhofen sollen in großem Stil ?Gammeleier? verarbeitet worden
sein. −Foto: W. Hailer

Pfaffenhofen (PK) In einem Eier verarbeitenden Betrieb im Landkreis Pfaffenhofen sollen in großem Stil "Gammeleier" verarbeitet worden sein. So lautet der zentrale Vorwurf in einem mutmaßlichen Lebensmittelskandal, in dem die Staatsanwaltschaft Ingolstadt jetzt Anklage erhoben hat.

Über ein Jahr dauerten die Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft, die durch schwere Anschuldigungen aus Kreisen ehemaliger Mitarbeiter ins Rollen gebracht worden waren. Wie der Leitende Oberstaatsanwalt Helmut Walter gegenüber dem PK erklärte, hätten die Ermittlungen, in deren Zuge es im Dezember 2006 auch zu einer großen Durchsuchung in den Betriebsräumen gekommen war, die Vorwürfe weit gehend bestätigt. Von den Beschuldigten werden sie dagegen bestritten (siehe getrennten Bericht).

Die Ergebnisse der umfangreichen Ermittlungen sind Gegenstand einer 23-seitigen Anklageschrift gegen den derzeitigen Firmenchef, den Produktionsleiter und den ehemaligen Inhaber. Sie werden laut Oberstaatsanwalt Helmut Walter "des gewerbsmäßigen in Verkehr Bringens von für den menschlichen Verzehr ungeeigneten Lebensmitteln" (§ 11 Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch beim derzeitigen Firmenchef und beim Produktionsleiter) und des "unerlaubten Umgangs mit gefährlichen Abfällen" (§ 326 Strafgesetzbuch beim aktuellen und beim früheren Firmeninhaber) beschuldigt.

In dem Eieraufschlagbetrieb, zu dessen Kunden bundesweit namhafte Firmen (zum Beispiel Nudelhersteller) und Großhändler ebenso zählen wie Direktabnehmer (Bäckereien) im Landkreis Pfaffenhofen, werden in erster Linie Eiprodukte (Vollei, Eigelb und Eiweiß) zur Weiterverarbeitung in der Lebensmittelproduktion hergestellt. Dabei sollen nach den Aussagen ehemaliger Mitarbeiter teils unappetitliche hygienische Zustände geherrscht haben und Verstöße gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften an der Tagesordnung gewesen sein – und das nicht nur mit Wissen, sondern sogar auf Anordnung der Geschäftsleitung.

Vor allem wird den Beschuldigten vorgeworfen, sie hätten im Ermittlungs- und Tatzeitraum zwischen Dezember 2005 und Dezember 2006 in großen Mengen so genannte Schmutz- und Brucheier, die eigentlich aussortiert werden müssten, illegal mitverarbeiten lassen. Die Eier seien oft nicht nur mit Schmutz und Kot total verdreckt gewesen, schilderte ein ehemaliger Mitarbeiter gegenüber Polizei und PK. Auch angebrochene Eier seien mitverarbeitet worden – sogar wenn sich darauf bereits Maden eingenistet hatten.

Von bestimmten Produzenten sollen die Eier dabei selbst in der größten Sommerhitze in einem ungekühlten Lastwagen und mit einem besonders hohen Anteil an Gammeleiern angeliefert worden sein. Da habe es dann immer geheißen "schnell Fenster und Türen zu", erinnert sich ein ehemaliger Mitarbeiter. Als blinde Passagiere seien in dem Lkw und auf den Eiern nämlich meist "massenweise Fliegen" mitgekommen und auch der Geruch sei alles andere als appetitlich gewesen, ganz zu schweigen vom Aussehen der Eier.

Laut Zeugenaussagen seien diese Ladungen stets in der Nachtschicht verarbeitet worden, weil es da keine Kontrollen gegeben habe. "Nichts wegschmeißen" habe die Anweisung der Geschäftsleitung gelautet. Nach dieser Devise sei auch das mit Schmutz, Kot und Bakterien belastete Rest- oder Schleudereiweiß, das normalerweise ausgeschleudert und als Abfallprodukt behandelt werden muss, wieder in den Produktionskreislauf zurückgeführt worden.

Zum zentralen Vorwurf der systematischen Verarbeitung von Schmutz-, Bruch- und Gammeleiern kommt noch eine Vielzahl von Einzelvorwürfen, wie gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften und Hygienebestimmungen verstoßen worden sein soll. Auch von der Lebensmittelüberwachung soll der Betrieb in den vergangenen Jahren mehrfach beanstandet und im März 2007 mit einem Zwangsgeld belegt worden sein.

Weiter wird dem Eierverarbeitungsbetrieb ein Umweltvergehen angelastet, und das nicht zum ersten Mal. Bereits im Jahre 1989 war der damalige Inhaber, der sich als Opfer einer Hetzkampagne fühlte, vom Amtsgericht Pfaffenhofen wegen Gewässerverunreinigung zu einer Geldstrafe von 18 000 Mark verurteilt worden, weil stark verunreinigte Abwässer aus dem Betrieb in den vorbeifließenden Otterbach geleitet worden waren. Diesmal wird er mit dem heutigen Firmenchef beschuldigt, auf Feldern und Wiesen pflanzliche Abfälle gemeinsam mit tierischen und mit Krankheitserregern belasteten Abfallprodukten (unbehandelte Eierschalen mit Eiweiß- und Eigelbresten) illegal entsorgt zu haben. 
 
 Lesen Sie hierzu auch den Artikel "Handelte sich um Racheakte".