Wolnzach
"Familie Höckmeier ist das Opfer"

Tierarzt Dr. Rupert Ebner sieht in Sachen Hähnchenmast die Schuld bei der Agrarpolitik

24.07.2012 | Stand 03.12.2020, 1:14 Uhr

Wolnzach (WZ) Die Familie Höckmeier, die ihre Hähnchenmast in Eschelbach erweitern will, sieht Tierarzt Dr. Rupert Ebner als „Opfer einer Agrarpolitik, die völlig krank ist“. Beim BN-Infoabend zu diesem Thema hielt er einen flammenden Appell für eine Rückkehr zur echten bäuerlichen Landwirtschaft.

Draußen am Eingang zum Gasthof „Zur Post“, da standen sie wieder, die Tierschutzaktivisten mit ihren Schildern. Hinweisen wollten sie an diesem Montagabend im Wolnzacher Zentrum auf das, was sie nicht verstehen können. Einer von ihnen, der 71-jährige Peter Bernhart aus Hög, ist immer dabei, wenn es gilt, diese Schilder hochzuhalten. Schilder, die auf die in seinen Augen unverantwortlichen Qualen von Masthühnchen hinweisen, auf den Einsatz von Antibiotika in den Riesenställen, auf die unwürdigen Umstände, die er selbst nicht als „Leben“ bezeichnen würde. „Wenn man wie ich 71 Jahre alt ist, dann machen einem komische Sprüche nichts mehr aus“, bekräftigte der Senior bei diesem zweiten Bund-Naturschutzinfoabend in Wolnzach zum Thema „Hähnchenmast“, warum er nicht müde wird, diese Schilder zu präsentieren.

Gesehen wurden sie an diesem Dienstagabend von vielen Menschen, denn der von der Ortsgruppe Wolnzach-Rohrbach zusammen mit der Kreisgruppe Pfaffenhofen organisierte Abend im Gasthof „Zur Post“ zu den Ausbauplänen der Familie Höckmeier und deren Biogasanlage war bestens besucht. Und nicht nur von BN-Mitgliedern, Grünen, Aktivisten und Tierschützern: Gekommen waren auch Bürgerinnen und Bürger – viele auch aus dem Ort, in dem die Hähnchenmast auf 144 600 Tiere erweitert werden soll: aus Eschelbach. Sie erlebten einen informativen, aber auch sehr bewegenden Abend. Denn die beiden Referenten, die Landesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (ABL) Edith Lirsch, und der Tierarzt Dr. Rupert Ebner, hoben sich ab vom Klischee der Ökoaktivisten: Die Bäuerin Edith Lirsch ist Mutter von vier Kindern und betreibt eine 17 Hektar große Landwirtschaft mit Fleisch und Gemüseverkauf ab Hof in Niederbayern.

Es sei völlig falsch, den Landwirten zu vermitteln, dass sie immer mehr produzieren müssten, um bestehen zu können, sagt sie: „Bei Betrieben mit 300 Hektar kann man nicht mehr von bäuerlicher Landwirtschaft reden. Das ist reine Industrie.“ Das Prinzip der Landwirtschaft, gesunde Lebensmittel zu produzieren und die Natur zu erhalten, gehe kaputt. Der Verbraucher sei gefragt – nur genau hier liege ein Problem: Oft wisse er gar nicht, was er verzehrt, er werde bewusst getäuscht. Zum Beispiel durch die Werbung: „Da sieht man Kühe auf einer Weide, die nie eine Wiese gesehen haben.“ Zusammen mit ihrer Organisation, der ABL, kämpfe sie deshalb für eine Kennzeichnung von Fleisch, ähnlich wie das bei den Eiern sehr gut funktioniere: „Wir brauchen ein Label, damit die Leute wissen, was sie kaufen!“ Nur so könne man das Bewusstsein schärfen – und wieder den Weg finden zurück zur bäuerlichen Landwirtschaft. Denn sie ist überzeugt: „Wenn die Leute wissen würden, wie das Fleisch, das sie kaufen, produziert wird, würden das viele nicht essen wollen!“

In seiner Praxis als Tierarzt hat Dr. Rupert Ebner schon viele Ställe von innen gesehen, viele Gespräche mit Bauern geführt. Und daher weiß er: „Die Dinge, die ich früher toll gefunden habe, haben heute ihren Wert verloren!“ Die Familie Höckmeier mit ihrer Hähnchenmast sieht er als „Opfer einer Agrarpolitik, die völlig krank ist“. Die Bauern seien nur noch scheinbar selbstständig, in Wirklichkeit würde gerade in der Geflügelmast alles – von der Fütterung bis zur Medikamentengabe – von der Industrie diktiert. „Was man braucht“, so Ebner, „wäre wieder eine klein strukturierte Landwirtschaft“. Der Fehler in Eschelbach, so seine Sicht der Dinge, habe bereits begonnen, als man die Biogasanlage genehmigt habe, denn: „Solche Anlagen haben nichts mit ,Bio’ zu tun!“ Und für die Hähnchenmast warf er die Frage auf: „Ist es legitim, Hühnchen zu züchten, die draußen unter der Sonne gar nicht mehr lebensfähig wären“ Zudem hat er Bedenken, was die Rentabilität solch großer Ställe betrifft: Ein, zwei, vielleicht auch drei Jahre könne das gut funktionieren, aber dann? „Vielleicht wird uns die Familie Höckmeier in zehn Jahren dankbar sein, sollten wir sie zum Umdenken bewegen können!“, meinte der Referent.

Nach den Ausführungen gab es eine rege Diskussion, über die die Redaktion noch berichten wird.