Wolnzach
Ein bisschen dazwischen gefunkt

Richterin äußert Verständnis für klagende Sendemast-Nachbarn – sieht aber keine rechtliche Handhabe

18.07.2013 | Stand 02.12.2020, 23:53 Uhr

 

Wolnzach (WZ) „Es ist nicht schön, aber wir können Ihnen nicht helfen.“ Cornelia Dürig-Friedl, Richterin am Verwaltungsgericht, hat den Anwohnern beim Ortstermin am Nelkenweg zwar Verständnis für ihre Klage gegen die Funkturm-Aufstockung signalisiert, dennoch sei diese aber rechtens.

Erst 48 Meter, jetzt über 53 Meter – und das Ganze ohne Genehmigung, dafür aber mit Recht. Genau zwei Jahre ist es nun her, dass der Funkturm am Nelkenweg – für die Bewohner der 19 Einfamilienhäuser in direkter Nachbarschaft ein ständiger Stein des Anstoßes – um fünf Meter erhöht worden ist. Die neu installierte Sendegabel soll der Einführung des Digitalfunks bei „Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben“ (BOS) wie Polizei oder Feuerwehr dienen.

Für diesen Bau war damals noch keine Genehmigung notwendig, der Wolnzacher Bürgermeister Jens Machold (CSU) hat davon bei einer Bürgermeisterdienstbesprechung erfahren. „Zufällig“ und „nur scheibchenweise“, wie er sagt. Denn zunächst hatte ihm niemand beantworten können, wo genau in seinem Marktbereich diese Aufrüstung überhaupt stattfinden soll. „Wie Buchbinder Wanninger“ habe er sich über das Landratsamt, das Staatliche Bauamt, die Oberste Baubehörde und schließlich das Bayerische Innenministerium durchtelefonieren müssen.

„Wir sind nicht gefragt worden“, hat der Rathauschef daher auch Verständnis für die Nelkenweg-Anwohner geäußert, die sich in einer Initiative gegen die andauernde Neubestückung des Funkturms neben ihren Häusern zusammengeschlossen haben. Zwei von ihnen, Birgit und Karsten Haack, sind sogar noch einen Schritt weitergegangen und haben Klage gegen die erneute und genehmigungsfreie Aufstockung gegen den Freistaat Bayern eingereicht.

Zum Augenschein und zur mündlichen Verhandlung ist die neunte Kammer des Bayerischen Verwaltungsgerichts München deshalb nun nach Wolnzach gekommen. Viele Fachleute warteten im Schatten des kleinen Baumes genau unter dem Funkturm, als Richterin Cornelia Dürig-Friedl am Mittwochnachmittag dort eintraf: Gekommen waren unter anderem Vertreter des Landratsamtes, des Staatlichen Bauamtes, der Obersten Baubehörde, des Marktes Wolnzach – und auch das Ehepaar Haack, das die Klage eingereicht hat. Wie hoch ist der Turm, wie lange steht er schon, wann wurden die Häuser gebaut – lauter Fragen, auf die die Richterin konkrete Antworten bekam. Schwierig wurde es allerdings bei der Frage, wann wer welche Sendemodule montiert. „Es ist hier oft ein Kommen und Gehen“, erklärte dazu Kläger Karsten Haack, dessen Haus 54 Meter vom Fuß des Funkturms entfernt ist. Es ließe sich nicht feststellen, welcher Anbieter was dort installiere. Das bestätigten auch die Baufachleute: Der Turm gehöre nicht dem Freistaat, sondern der Telekom. Und die sei der richtige Ansprechpartner für solche Fragen.

Im Fokus der Verhandlung, so die Richterin, standen allerdings nicht die einzelnen Module, sondern die vor zwei Jahren erfolgte BOS-Aufstockung. Zentrale Frage dabei sei, ob der Turm dadurch eine „gebäudegleiche Wirkung“ erlangt habe. Nur in diesem Fall könnten nämlich Abstandflächen maßgeblich werden, so die Richterin. Ihr Urteil nach dem Augenschein war jedoch eindeutig: „Eine gebäudegleiche Wirkung ist nicht feststellbar und geht von dem Turm nicht aus, schon gar nicht von diesem neuen Gestänge“, wandte sie sich an die Kläger.

Deshalb komme allenfalls eine Verletzung der Rücksichtnahme auf die Anwohner in Betracht – aber auch die sei hier nicht gegeben. Dennoch unterstrich die Richterin ausdrücklich ihr Verständnis gegenüber den Nachbarn: „Es ist wirklich nicht hübsch, wenn man direkt neben diesem Turm steht, aber es sieht dennoch schlecht für Sie aus.“ In der Zeit, in der die Aufstockung vorgenommen wurde, sei dafür noch keine Genehmigung notwendig gewesen, sie sei also rechtens. „Heute sieht das schon etwas anders aus“, stellte die Richterin fest. „Hier haben wir wahrscheinlich den letzten Standort in unserem Zuständigkeitsbereich, wo das noch ohne Genehmigung laufen durfte.“

Klare Worte der Richterin, nach denen sich die Kläger noch einmal mit ihrem Anwalt berieten. Ergebnis: Die Kläger halten dennoch daran fest, dass der Funkturm mit seiner am Fuß angebrachten Systemsteuerung als Gebäude zu betrachten ist, deshalb seien die Abstände zur Wohnbebauung relevant und müssten genau geklärt werden. Im Gegenzug beantragen die Vertreter des Beklagten, also des Freistaates Bayern, Klageabweisung. Eine Entscheidung dazu wird es laut Richterin im August geben.

Dass die Aufstockung ohne Genehmigung erfolgen durfte, „also über unsere Köpfe hinweg“, ärgert auch Bürgermeister Jens Machold immer noch. Trotz aller „vorhandenen oder nicht vorhandenen Vorschriften“ wäre es dennoch angebracht gewesen, eine Kommune zumindest über dieses Vorhaben zu informieren, was von keiner Seite erfolgt sei.

Und das ist es auch, was die Anwohner nicht verstehen: „Freilich war der Turm schon da, bevor wir hier gebaut haben“, sagt Birgit Haack. „Aber heute kann uns niemand sagen, wohin das noch führen soll und wer wann was hier installiert.“ Das konnte auch die Richterin nicht – und gab die Frage an die Vertreter der Obersten Baubehörde weiter: „Wer erfährt das denn, was hier gemacht wird“ „Das ist nicht unser Mast“, bekam auch sie noch einmal zur Antwort. „Der gehört der Telekom.“ Zur Beantwortung müsse man halt eine Standortbescheinigung anfordern (siehe Kasten).